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Politik

Wahlbeobachter: Türkei kooperiert nicht

19. April 2017

Die türkische Regierung zeigt sich unbeeindruckt. Kritik an der Rechtmäßigkeit des Referendums lasse sie einfach abprallen, sagt die OSZE. Fühlt Ankara sich noch an demokratische Standards gebunden?

Türkei Ankara Referendum
Schlange stehen gegen die Staatsmacht: Menschen fordern in der Wahlbehörde in Istanbul eine AnnullierungBild: Reuters/U. Bektas

Der Leiter der OSZE-Wahlbeobachtermission in der Türkei wirft der dortigen Regierung mangelnde Kooperationsbereitschaft vor. Die Führung in Ankara zeige keinerlei Willen, Manipulationsvorwürfe nach dem Verfassungsreferendum am Sonntag zu klären, sagte Michael Link dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Äußerungen der türkischen Wahlkommission, die sofort alle Anschuldigungen kategorisch zurückgewiesen hatte, sprächen "eine eindeutige Sprache". Inzwischen kündigte die Behörde immerhin an, sie werde die Vorwürfe "evaluieren".

"Eindeutig politisch motiviert"

Link leitet bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte. Er wies Aussagen der türkischen Seite zurück, die Wahlbeobachter seien voreingenommen gewesen: "Die jetzt öffentlich vorgebrachten Zweifel an unserer Neutralität sind eindeutig politisch motiviert."

Trillerpfeifen und Transparente: Demonstranten des Nein-Lagers am Dienstag in IstanbulBild: Getty Images/AFP/Y. Akgul

Die Internationale Wahlbeobachtermission aus OSZE und Europarat, die beim Referendum mit 63 Beobachtern aus 26 Ländern zugegen war, hatte bereits am Montag scharfe Kritik am Ablauf der Abstimmung vorgebracht. Link bekräftigte, die Hohe Wahlkommission der Türkei habe offensichtlich Gesetze gebrochen. "Fest steht, dass die kurzfristige Entscheidung, falsch oder gar nicht gestempelte Wahlzettel als gültig zu werten, einen Verstoß gegen türkisches Recht darstellt."

"Nein-Lager war klar benachteiligt"

Schon im Vorfeld seien nationale wie auch internationale Standards verletzt worden, unterstrich der OSZE-Vertreter. "Im Wahlkampf gab es eine klare Benachteiligung des Nein-Lagers. Ein weiteres ernsthaftes Problem waren und sind die Einschränkungen der Pressefreiheit." Nach dem Referendum hatten Wahlbeobachter von Behinderungen durch die Polizei berichtet. So sei die stichprobenartige Überwachung, während die Stimmzettel gezählt wurden, nur eingeschränkt möglich gewesen.

In der Türkei protestierten am Dienstag erneut Tausende Menschen gegen den Ausgang des Referendums. Die Demonstranten versammelten sich unter anderem in der Metropole Istanbul, in der Hauptstadt Ankara, dem westtürkischen Izmir und der zentraltürkischen Stadt Eskisehir. Vor der Hohen Wahlkommission in Ankara standen viele Menschen Schlange, um ihre persönliche Forderung nach einer Annullierung des Wahlergebnisses zu Protokoll zu geben.

Auf dem Weg ins Präsidialsystem: Erdogan am Montag vor seinem Palast in AnkaraBild: picture-alliance/abaca/Depo Photos

Das Lager von Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte nach dem vorläufigen Ergebnis 51,4 Prozent Ja-Stimmen für eine Verfassungsänderung zugunsten eines Präsidialsystems erhalten. Voraussichtlich im November 2019 sollen erstmals gleichzeitig der Präsident und das Parlament gewählt werden. Im Falle eines Wahlsiegs wäre Erdogan dann als Staatsoberhaupt auch Chef der Regierung. Die Opposition befürchtet eine Ein-Mann-Herrschaft und sieht das Land auf dem Weg in eine Diktatur.

OSZE-Wahlbeobachter Link rief die internationale Gemeinschaft auf, die Missstände offen anzusprechen. Schließlich sei die Türkei in der OSZE und anderen internationalen Organisationen Verpflichtungen eingegangen. Daran müsse man Ankara "eindringlich erinnern".

jj/se (dpa, afp)

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