Wahlen im Klima der Angst in Burundi
29. Juni 2015Inmitten einer gravierenden politischen Krise und in einem Klima der Angst waren Burundis Bürger aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Die Opposition rief zum Boykott der Abstimmung auf. In einigen Wahllokalen standen vor allem Soldaten und Polizisten zur Stimmabgabe an.
Der Urnengang fand unter massiven Sicherheitsvorkehrungen statt. In der Nacht auf Montag waren in der Hauptstadt Bujumbura Schüsse und Explosionen zu hören, wie der französische Auslandsrundfunk RFI berichtete. Nach Angaben der Polizei detonierten 15 Sprengsätze, sechs Polizisten wurden leicht verletzt. Zu schweren Zwischenfällen kam es am Montag zunächst nicht. Jedoch wurden Berichten zufolge zwei Wahllokale in Bujumbura niedergebrannt.
Vielerorts wurde das Wahlverfahren erst mit dreistündiger Verspätung eingeleitet. Der Leiter der Wahlkommission von Bujumbura, Cyriaque Bucumi, erklärte Verspätungen bei der Öffnung der Wahllokale mit den nächtlichen Schüssen. In den meisten Wahllokalen seien deshalb die Wahlunterlagen nicht rechtzeitig eingetroffen.
Das ostafrikanische Land steckt in der schwersten Krise seit dem Ende des Bürgerkriegs vor neun Jahren. Die Bevölkerung Burundis ist tief gespalten über die Ankündigung von Präsident Pierre Nkurunziza, sich am 15. Juli für eine dritte Amtszeit wählen zu lassen. Vor den Wahlen hatte sich die Situation in Burundi immer weiter zugespitzt. Zahlreiche Menschen wurden bei Anschlägen getötet. Nach UN-Angaben sind mehr als 127.000 Burundier auf der Flucht.
Selbst in den Hochburgen des Präsidenten lag die Wahlbeteiligung erkennbar unter der aus dem Jahr 2010. Neben den Parlamentsabgeordneten sollten die 3,8 Millionen Wahlberechtigten in Burundi auch Gemeinderäte bestimmen.
Kritik von AU, EU und UN
"Nehmen Sie mich bitte nicht auf!", sagte eine Wählerin, als ein Kamerateam sie in einem Stadtviertel von Bujumbura filmen wollte. "Ich habe Angst, dass die Einwohner meines Viertels mir etwas zufügen könnten - denn die meisten Leute aus Nyakabiga haben angekündigt, dass sie den Wahlgang boykottieren."
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon kritisierte das Festhalten der Regierung in Bujumbura an dem Wahlverfahren. Er sei "besorgt" über das Beharren der Regierung auf den Wahltermin "trotz der herrschenden politischen und Sicherheitslage", erklärte Ban in New York. Er hatte am Freitag zu einer Verschiebung der Wahl aufgerufen, die Regierung in Bujumbura wies Bans Appell jedoch zurück.
Die Europäische Union äußerte die Befürchtung, die Wahl "ohne die Mindestbedingungen für Glaubwürdigkeit und Transparenz" werde "die schwere Krise in Burundi verschlimmern". Ein EU-Sprecher in Brüssel sagte, auch die letzten der wenigen nach Burundi entsandten Beobachter würden das Land verlassen.
Die Afrikanische Union, die ebenfalls auf eine Verschiebung der Wahl gedrungen hatte, entsendete keine Beobachter. Die Voraussetzungen für freie und transparente Wahlen seien nicht gegeben, erklärte AU-Kommissionspräsidentin Nkosazana Dlamini Zuma. Sie rief Regierung und Opposition zum Dialog auf.
Präsident Nkurunziza, der im Mai einen Putschversuch überstand, setzte darauf, dass seine Regierungspartei CNDD-FDD bei der Parlamentswahl mehr als zwei Drittel der Abgeordnetenmandate erhalten werde. Damit könnte sie im Parlament sämtliche Gesetze durchbringen.
Flucht ins Ausland
Kurz vor der Parlamentswahl hatte sich der Parlamentspräsident des ostafrikanischen Landes ins Ausland abgesetzt. Angesichts der grassierenden Gewalt in seinem Heimatland sei er "gezwungen, in Brüssel zu bleiben", sagte Pie Ntavyohanyuma dort am Sonntag. Die Schwierigkeiten hingen damit zusammen, dass sich Nkurunziza "unrechtmäßig" für ein drittes Mandat bewerbe. Ntavyohanyuma forderte den Präsidenten auf, seine Kandidatur zurückzuziehen und einen "umfassenden Dialog" mit allen politischen Kräften einzugehen. In jüngster Zeit hatten sich bereits mehrere Mitglieder der Wahlkommission ins Ausland abgesetzt, weil sie keine faire und freie Abstimmung erwarteten.
Die Opposition sieht in der erneuten Bewerbung Nkurunzizas für das höchste Staatsamt einen Verfassungsbruch sowie eine Verletzung des 2006 geschlossenen Abkommens von Arusha, das nach 13 Jahren Bürgerkrieg mit 300.000 Toten den Frieden in Burundi besiegeln sollte. Burundi, in dem heute rund zehn Millionen Menschen leben, wurde immer wieder von ethnischer Gewalt zwischen der Hutu-Mehrheit (85 Prozent) und der Tutsi-Minderheit (14 Prozent) erschüttert.
Burundi gehört noch immer zu den ärmsten Ländern weltweit. Misswirtschaft und Korruption stehen der Entwicklung im Weg, 90 Prozent der Bevölkerung leben von Ackerbau und Viehzucht. Das Land hängt stark von ausländischer Hilfe ab.
stu/sc (afp, dpa, kna)