Wahlen im Land der Helden
16. März 2012Zum dritten Mal nach seiner Unabhängigkeit 2002 werden in Ost-Timor Präsidentschaftswahlen abgehalten (17.03.2012). 1999 sprach sich die Bevölkerung bei einem Referendum für die Unabhängigkeit aus, dennoch verübten indonesische Militärs und Milizen weitere Gewalttaten. Erst durch die Entsendung einer UN-Friedenstruppe und drei Jahre später konnte das Land seine Eigenstaatlichkeit verwirklichen. Die letzten UN-Soldaten sollen Ende 2012 abziehen.
Auch wegen dieses Termins gilt die Präsidentschaftswahl als ein Test für die Stabilität des jüngsten UN-Mitglieds, dessen 1,1 Millionen Einwohner zu den ärmsten Asiens zählen. Amtsinhaber ist der Friedensnobelpreisträger Ramos Horta, der während der Zeit der indonesischen Okkupation im Exil für die Unabhängigkeit seiner Heimat warb. Er tritt zur Wiederwahl an.
Heldenmythos lebt weiter
Auch jetzt, zehn Jahre nach der Unabhängigkeit, sei die Rolle der Kandidaten im Kampf gegen die indonesische Besatzung immer noch entscheidend, meint Monika Schlicher, Ost-Timor-Expertin der Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia. Der Heldenmythos lebe weiter, vor allem bei zwei aussichtsreichen der insgesamt zwölf Kandidaten, unter denen auch zwei Frauen sind. Mit dem Ex-Armeechef Ost-Timors, Matan Ruak, kandidiert erneut ein Veteran des Unabhängigkeitskrieges für das Präsidentenamt. Das gleiche gilt auch für Francisco "Lu Olo" Gutteres, seinen damaligen Stellvertreter und heutigen Kandidaten der Fretilin, der Revolutionären Front für die Unabhängigkeit von Osttimor.
Beide, Ruak und Gutteres, gelten neben Amtsinhaber Ramos-Horta als die Favoriten für die Wahl. Damit bleibe auch diesmal, so Monika Schlicher, die Tür für eine neue Generation von Politikern verschlossen. Auch die Politikerin Angela Freitas hat ihre Präsidentschaftskandidatur zurückgezogen. Sie unterstützt die Fretilin und Gutteres. Der Horta-Gusmao-Regierung wirft sie vor, in den letzten Jahren nicht genug gegen die Armut und eine Arbeitslosenquote von 20 Prozent getan zu haben. Tatsächlich haben alle Kandidaten mit harten Bandagen gekämpft und dem jeweiligen Gegner Korruption, Vetternwirtschaft und Missmanagement vorgeworfen. Beobachter registrierten sogar Einschüchterungen der Wähler durch das Militär.
Zwist zwischen alten Verbündeten
Obwohl 120.000 Bürger José Ramos-Horta in einer Petition zu einer zweiten Amtsperiode gedrängt haben, sind seine Chancen diesmal schlechter als bei den Wahlen 2007. Damals stimmten 69 Prozent der Wähler für ihn, während sich Francisco "Lu Olo" Gutteres mit 31 Prozent und Platz zwei begnügen musste.
Horta wurde 2007 vom Nationalhelden Xanana Gusmao und seiner CNRT-Partei (Kongress des timoresischen Wiederaufbaus) unterstützt. Inzwischen hat sich aber zwischen den ehemaligen Weggefährten Präsident Ramos-Horta und Regierungschef Gusmao eine tiefe Kluft gebildet, denn Ramos-Horta prangert offen Korruption in der Regierung an.
Bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen unterstützt Gusmao daher die Kandidatur von Taur Matan Ruak. Der sei der künftige Garant für Frieden, Stabilität, Entwicklung und Wohlstand, erklärte Gusmao auf mehreren Wahlveranstaltungen. Nug Katjasungkana, politischer Beobachter in Osttimors Hauptstadt Dili, sieht vor diesem Hintergrund kaum Chancen für den derzeitigen Amtsinhaber: "Beim letzten Mal hatte Horta mit der CNRT eine Partei, die ihn unterstützte. Aber jetzt hat er keine eigene Basis mehr."
Vielversprechende Rohstoffe
Ex-Guerillakämpfer Matan Ruak tritt unterdessen für eine allgemeine Wehrpflicht in Ost-Timor ein, um - wie er meint - die Jugend zu disziplinieren. Eine zumindest problematische Antwort auf die drängenden Fragen einer jungen Generation, die mit hoher Arbeitslosigkeit und einer ungewissen Zukunft konfrontiert ist. Denn die reichen Öl- und Gasvorkommen unter dem Meeresboden zwischen Australien und Ost-Timor versprechen dem Land erst in Zukunft beständige Einkünfte. In einem Erdöl-Fonds, in den Lizenzen ausländischer Petro-Firmen einfließen, haben sich inzwischen 9,3 Milliarden US-Dollar angesammelt. Im Wahlkampf beruft sich Ramos-Horta auf das hohe Wirtschaftswachstum und verspricht eine Verringerung der Arbeitslosigkeit durch den Ausbau der Infrastruktur. Osttimor - so sein Credo - könne in Zukunft nicht nur eigenständig bleiben, sondern sogar Mitglied des südostasiatischen Staatenbundes ASEAN werden, vorausgesetzt er werde wiedergewählt.
Blick auf 2017
Laut Monika Schlicher wird sich durch die Präsidentschaftswahlen nicht viel ändern in Ost-Timor. Dennoch sind für sie die Wahlen ein wichtiger Indikator für Demokratisierung und Stabilität des Landes. Sie machten den Weg frei für eine neue Generation von Politikern: "2017 wird es einen Generationswechsel in Ost-Timor geben, die Widerstandsgeneration wird abtreten und das Szepter an die nächste Generation weitergeben." Wenn es in der ersten Runde keinen klaren Sieger gibt, fällt die Entscheidung in einer Stichwahl im April. Einen Monat später wird dann im Land der Helden ein neues Parlament gewählt.