Wahlen im Libanon: Hoffnung auf einen Neustart
4. Januar 2025Über zwei Jahre hatte der Libanon keinen Präsidenten, diese Woche soll sich das ändern: Am Donnerstag soll endlich wieder ein oberster Staatsmann gewählt werden. Derzeit liegt die Staatsgewalt der Verfassung entsprechend beim Premierminister und dem Kabinett. Allerdings verfügt die Übergangsregierung unter Premier Nadschib Mikati nur über begrenzte Befugnisse. Damit gilt sie als unfähig, die politische und wirtschaftliche Blockade des Landes zu überwinden.
Dass die Wahl nach über zwei Jahren, in denen sich die politischen Kontrahenten gegenseitig blockierten, nun doch möglich geworden ist, geht in erster Linie auf den Waffenstillstandsvertrag zurück, den Israel und die Hisbollah nach monatelangen Kämpfen Ende November vergangenen Jahres geschlossen hatten. Die Wahl eines Präsidenten und daran anschließend eine funktionierende Exekutive gelten als wichtiger Schritt, um das Ende Januar ablaufende Abkommen glaubwürdig umsetzen zu können.
Zahlreiche Krisen
Die 13. Wahl im libanesischen Parlament durch die Abgeordneten findet vor dem Hintergrund einer mehrfachen Krise statt. Seit Jahren befindet sich der Libanon in einer schweren Rezession. Die Guthaben der Sparer bei den Banken sind eingefroren, die Währung hat erheblich an Wert verloren. Zudem gilt es, die Folgen des Krieges zwischen der Hisbollah und Israel zu bewältigen, in dessen Folge es im Libanon - wie auch in Israel - zu erheblichen Zerstörungen kam. Als dringende Aufgabe steht nun die Festigung des Waffenstillstands an.
Außerdem gilt es, die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, damit die durch den Krieg vertriebenen Flüchtlinge in ihre Heimatorte zurückkehren können. Auch hat der Libanon ein Interesse daran, dass viele der im Land lebenden syrischen Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren.
"Die Lage ist also in vielfacher Hinsicht dramatisch", sagt Michael Bauer, Leiter des Beiruter Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung. "Darum dürfte es nicht damit getan sein, sich auf irgendeinen Konsenskandidaten zu einigen, dessen Legitimität auf kaum mehr als einem Minimalkompromiss der im Parlament vertretenen Parteien ruht. Vielmehr gilt es, einen Präsidenten zu finden, der den nötigen Aufbruch glaubwürdig verkörpert", so Bauer zur DW.
Absprachen im Vorfeld
Die kurze Frist bis zu den Wahlen hat die libanesischen Parteien enorm unter Druck gesetzt. Um überhaupt Kandidaten mit ernsthaften Erfolgsaussichten aufstellen zu können, brauchte es intensive Vorabsprachen. Denn das Parlament ist in viele Fraktionen zersplittert. Erschwert wurde der Prozess dadurch, dass er dem vereinbarten konfessionellen Proporz des Landes entsprechen muss, auf dessen Grundlage die hohen politischen Ämter zu besetzen sind. So muss der Präsident ein maronitischer Christ sein, der Ministerpräsident ein Sunnit und der Parlamentspräsident ein Schiit.
Als aussichtsreichster Kandidat gilt Joseph Aoun, der Oberbefehlshaber der regulären libanesischen Streitkräfte. Ihm gilt auch die Unterstützung seitens der Opposition als sicher. Dies liegt vor allem an einer neuen Kompromissbereitschaft der Hisbollah. Bis vor kurzem hatte die sowohl im Parlament als auch in der Regierung vertretene Miliz sich für Suleiman Franghi als Präsidenten ausgesprochen, einen Verbündeten des gestürzten syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Nun hat der neue Hisbollah-Führer Naim Kassim allerdings angedeutet, die Miliz könne sich auch einen anderen von größeren Teilen der Bevölkerung akzeptierten Kandidaten vorstellen.
Auswirkungen des Krieges
Diese Haltung gehe in Teilen auf den Krieg zwischen Israel und der Hisbollah zurück, sagt der libanesische Polit-Analyst Ronnie Chatah im DW-Gespräch. Denn im Zuge dieses Krieges sei auch der innenpolitische Einfluss der Hisbollah geschrumpft. "Das zeigt sich auch daran, dass die Hisbollah ihren Einspruch gegen Joseph Aoun aufgegeben hat. Das bedeutet nichts anderes, als dass sie nicht verhindern kann, dass der Armeechef mit hoher Wahrscheinlichkeit der nächste Präsident des Libanon wird", so Chatah, der auch den Blog thebeirutbanyan betreibt.
Das habe auch damit zu tun, dass Aoun einer Institution - der Armee - vorstehe, die nahezu als einzige noch das Vertrauen der Bevölkerung genieße, sagt Michael Bauer.
"Ein Staatspräsident Joseph Aoun wäre jemand, der für viele Libanesen eine neue, positive Kraft darstellen würde. Er dürfte in der Bevölkerung auch einen entsprechenden Rückhalt haben. Zudem dürfte er aufgrund seines militärischen Hintergrunds in der Lage sein, die nun unmittelbar entstehenden sicherheitspolitischen Aufgaben ernsthaft anzugehen. Auch das dürfte viele Parteien in der letzten Zeit bewogen haben, dem Kandidaten Aoun zuzustimmen."
"Ein erster positiver Schritt"
Doch wie immer die Wahl ausgeht: Das wichtigste sei, dass der Libanon überhaupt einen neuen Präsidenten habe, sagt Ronnie Chatah. "Er ist die Voraussetzung dafür, dass der Staat voll funktionsfähig ist." Ebenso brauche es statt der amtierenden Übergangsregierung eine durch Wahlen legitimierte Regierung, dazu einen neuen Premierminister und ein neues Parlament.
"All das sind Voraussetzungen dafür, dass der Libanon als Staat funktioniert. Nun besteht erstmals seit zwei Jahren die Möglichkeit, dass ein Präsident gewählt wird. Das ist ein erster positiver Schritt."