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PolitikTschad

Wahlen im Tschad: kaum Hoffnung auf Wandel

5. Mai 2024

Nach drei Jahren Übergangsperiode dürfen die Menschen im Tschad einen neuen Präsidenten wählen. Doch viele halten das Rennen bereits für entschieden. Ein neues Wahlgesetz sorgt für Kritik.

Tschad Wahlen | N'Djamena
Der "Marschall", wie Mahamat Déby auch genannt wird, ist in N'Djamena omnipräsentBild: Issouf Sanago/AFP

Für Lydie Beassemda ist Montag, der 6. Mai ein wichtiges Datum: Wenn Tschaderinnen und Tschader ihr neues Staatsoberhaupt wählen, steht auch die 57-Jährige zur Wahl - als einzige Frau im Wettstreit mit neun Männern.

Beassemdas Vater hatte Ende der 1990-er Jahre die Partei für vollständige Demokratie und Unabhängigkeit (PDI) gegründet - und damit letztlich auch den Grundstein für die politische Karriere der Tochter gelegt. "Ich wollte etwas beitragen und denen, die vor mir da waren und von den Jahren des Kampfes etwas erschöpft waren, etwas Zeit zum Durchatmen geben", sagt Beassemda über ihren Einstieg in die Partei ihres Vaters. Seit 2018 steht sie dieser selbst vor und kämpft für ein föderales System im Tschad.

Lydie Beassemda will die Verhältnisse im Tschad ändernBild: Privat

Doch die Chancen auf die Präsidentschaft stehen nicht gerade gut für Beassemda. Immerhin belegte sie bei den Wahlen von 2021 den dritten Platz - mit rund drei Prozent der Stimmen weit hinter dem wiedergewählten Präsidenten Idriss Déby Itno. Der galt nach drei Jahrzehnten an der Spitze als unersetzbar. Als kurz darauf Débys Tod bei der Bekämpfung einer Rebellion im Norden verkündet wurde, übernahm kurzerhand sein Sohn Mahamat Idriss Deby an der Spitze einer Militärregierung.

Jetzt, zum Ende einer dreijährigen "Übergangszeit", gilt Mahamat als klarer Favorit auf seine eigene Nachfolge.

Tschads Wahlen in Zeiten der Krise

Die Zeiten sind chaotisch: Von Osten her sorgt der Krieg im Sudan dafür, dass hunderttausende Menschen über die Grenze in den Tschad fliehen. Westlich des Tschad bekämpfen hingegen mehrere Putschistenregierungen mehr schlecht als recht den Vormarsch vom islamistischen Gruppen im Sahel.

Der Tschad hat so viele Flüchtlinge aufgenommen wie kein anderes afrikanisches Land - ihre Versorgung gestaltet sich schwierigBild: David Allignon/MAXPPP/dpa/picture alliance

Und während Europa und die USA dort nicht mehr willkommen sind und ihre Armeen weitgehend abgezogen haben, gilt das zentralafrikanische Land dem Westen zunehmend als unverzichtbarer Partner. So gibt es sogar ein EU-Programm zur Unterstützung des Wahlprozesses - allen demokratischen Bedenken zum Trotz.

Den Norden des Landes hat die Regierung in N'Djamena bis heute kaum unter Kontrolle. Die Menschen dort klagen, die Politik habe sie vergessen: Keiner der zehn Kandidaten zeigte sich zu einem Wahlkampfauftritt im Norden, selbst Übergangspräsident Mahamat zog es vor, sich vertreten zu lassen.

"Diese Wahl betrifft alle Menschen im Tschad. Denn der Präsident, der am Montag gewählt wird, wird der Präsident aller Tschader sein", sagt der Händler Younouss Ali in der Stadt Miski in der nördlichsten Provinz Tibesti. "Aber leider werden wir hier vernachlässigt: Niemand kommt, um uns zu erklären, warum wir wählen sollten, oder um nach unseren Sorgen zu fragen."

Ein politischer Mord an Tschads Oppositionskandidat Dillo?

In N'Djamena hingegen hat das politische Tauziehen zuletzt einige überraschende Wendungen genomment. Ende Februar stand das Land gar am Rande des Chaos, als Sicherheitskräfte gegen Mahamats gefährlichste Rivalen vorgingen und seinen potenziellen Herausforderer Yaya Dillo tötete. Die Regierung gab vor, einen Putschversuch abgewendet zu haben - Opposition und Beobachter sprachen von einer politischen Exekution.

Die Kandidaturen einiger weiterer Gegenspieler des Präsidenten wurden von der Wahlkommission abgelehnt. Als prominentester Herausforderer geht jetzt Premierminister Succès Masra ins Rennen: Der Gründer der Oppositionspartei Les Transformateurs hatte 2022 zu Protesten gegen die Regierung aufgerufen, die Sicherheitskräfte am 20. Oktober brutal niederschlugen. Laut Aussagen der Opposition kamen dabei hunderte Menschen zu Tode.

Der Einfluss von Premierminister Succès Masra, hier mit seinem französischen Amtskollegen Gabriel Attal, auf die Regierungsgeschäfte in N'Djamena gilt als geringBild: Lafargue Raphael/abaca/picture alliance

Masra floh ins Ausland, kehrte aber Ende 2023 zurück, nachdem ein Deal unter Vermittlung des kongolesischen Präsidenten Félix Tshisekedi seine Sicherheit garantieren sollte. Die Abmachung beinhaltete auch eine Amnestie für politische Gefangene - doch die Verbrechen der Sicherheitskräfte wurden nicht aufgearbeitet. Kurz darauf machte Mahamat den Konkurrenten zum Premierminister. Bei seiner Anhängerschaft verlor Tschads Premierminister dadurch an Glaubwürdigkeit.

Der Tschad: ein gespaltenes Land

Dass Masra aus der Übergangsregierung heraus als eigener Kandidat antritt, hat im Tschad für Debatten gesorgt: Verschiedene Oppositionspolitiker und Analysten sehen in seiner Kandidatur ein Feigenblatt, das die erwartete Wiederwahl von Präsident Mahamat demokratisch legitimieren soll. Masra selbst weist diese Kritik zurück: Er gehe als "Pilot, nicht als Ko-Pilot" ins Rennen.

Saleh Kebzabo, einstige Oppositionsfigur und Vorgänger Masras im Amt des Premierministers, warnte indessen vor drohendem Chaos. Er vermute, dass Masra erneut Zwietracht säen wolle, sagte Kebzabo diese Woche in einem DW-Interview: "Wir dürfen nicht vergessen, dass Masra der Drahtzieher der Proteste des 20. Oktober ist, die mehr als 300 Menschenleben forderten - laut seinen eigenen Zahlen." Damit griff er ein bekanntes Argument auf, wonach Masra Warnhinweise vor den Protesten ignoriert hätte - möglicherweise, um sich selbst zu profilieren.

Saleh Kebzabo kritisiert seinen Nachfolger im Amt des PremierministersBild: Denis Sassou Gueipeur/AFP/Getty Images

Masra selbst stellte sich in einem DW-Interview dagegen als Kandidat für Menschen dar, die nach "Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und nach Veränderung" strebten: "Eine der größten Tragödien des tschadischen Volkes ist nicht, dass fähige Menschen fehlen, sondern dass sie in einem System gefangen sind, in dem sie ihre Anführer nie gewählt haben." Tatsächlich kamen Tschads Staatsoberhäupter seit der Unabhängigkeit fast ausschließlich durch Putsche an die Macht.

Lydie Beassemda: niemals aufgeben

Präsidentschaftskandidatin Lydie Beassemda weiß, dass die Bedingungen für sie nicht günstig sind: "Die politische Kultur ist im Tschad sehr schwach entwickelt", sagt die Politikerin im DW-Gespräch. Ihre männlichen Kollegen würden Dinge lieber unter sich ausmachen. "Sie akzeptieren nicht, dass Frauen den gleichen politischen Raum besetzen."

Doch Beassemda lässt sich nicht davon abbringen, weiter für ihre Vision eines föderalen Staats zu kämpfen: "Es wäre unlogisch, wenn wir bei diesen Wahlen nicht antreten würden", sagt sie. "Wenn wir nicht antreten, haben wir schon aufgegeben, dann ist der Kampf verloren."

Zivilgesellschaft bezweifelt transparente Wahlen

Menschenrechtsorganisationen kritisierten bereits vor Monaten, dass zahlreichen tschadischen Medien ihre Lizenz entzogen wurde - vorgeblich aus formellen Gründen. Während des Wahlkampfs berichteten Tschader von Soldaten, die Wahlplakate von Übergangspräsident Mahamat Deby aufhängten - Deby ist selbst ein General. Einige führende Militärs bekundeten sich in den Sozialen Medien ihre Unterstützung für Mahamat, ein General wurde Schatzmeister seiner Wahlkampagne.

Für den Menschenrechtsaktivisten Jean-Bosco Manga ist das nicht hinnehmbar: "Dass sich die Armee in die Politik einmischt, gefährdet den demokratischen Prozess", sagt Manga der DW. Das könne Einflussnahme, Einschüchterung und die Einschränkung von Bürgerrechten zur Folge haben.

Interimspräsident Mahamat Déby hat gerade auch eine Autobiographie herausgegebenBild: Präsidentschaft des Tschad

Zuletzt sorgte eine Aussage der nationalen Wahlkommission für Diskussionen. Demnach dürfen Delegierte der Wählerschaft und Entsandte der Wahlbüros zwar anwesend sein, wenn die Ergebnisse bestätigt werden. Die signierten Abschlussdokumente dürfen aber nicht fotografiert oder abgefilmt werden, teilte die Wahlkommission unter Berufung auf das neue Wahlgesetz mit.

Damit wolle man Betrug vorbeugen. "Es ist bekannt, wie leicht Zahlen in den Sozialen Medien manipuliert werden können", sagte der Leiter der Wahlkommission, Ahmed Batchiret.

Agnès Ildjima Lokiam, die ein zivilgesellschaftliches Netzwerk zur Wahlbeobachtung leitet, widerspricht. Das Gegenteil sei der Fall: "Gerade dadurch, dass die Unterzeichnung der Wahlprotokolle gefilmt wird, wird Transparenz erzeugt", sagt sie der DW - und bezeichnete die Anweisung der Wahlkommission als demokratischen Rückschritt.

Die Ergebnisse werden für den 21. Mai erwartet. Der Wahlkalender sieht auch die Option einer Stichwahl vor, falls kein Kandidat im ersten Wahlgang eine Mehrheit erreicht. Diese würde am 22. Juni stattfinden.

Mitarbeit: Blaise Dariustone (N'Djamena) und Georges Ibrahim Tounkara

Dieser Artikel erschien zuerst auf Englisch.

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