1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikAngola

Wahlen in Angola: knapper Ausgang erwartet

Antonio Cascais z. Zt. Luanda
23. August 2022

Welche wird die stärkste Partei im angolanischen Parlament - und damit den Präsidenten stellen? Beobachter sagen ein enges Rennen zwischen Amtsinhaber João Lourenço und Oppositionsführer Adalberto Costa Júnior voraus.

Angola Wahl 2022
Die Flagge der herrschenden MPLA zeigt einen gelben Stern auf rot-schwarzem GrundBild: Siphiwe Sibeko/REUTERS

"Wir wollen einen politischen Wandel. Eine neue Regierung. Vor allem Arbeit und Bildung für junge Leute sollte diese neue Regierung im Blickfeld haben", sagt Joaquim, 23, dem DW-Reporter ins Mikrofon. Joaquim, der sich mit Gelegenheitsjobs durchschlägt, hat sich vorgenommen, bei den Wahlen am Mittwoch auf jeden Fall der Opposition seine Stimme zu geben. Sofia, 18, und noch Schülerin, pflichtet ihm bei: "Wir bekommen kaum eine Chance auf dem Arbeitsmarkt, und in den Schulen geht es auch miserabel zu: Es sollte viel mehr Ausbildungsangebote geben", sagt sie.

Gerade in den fünf größeren Städten Angolas, wo ein Großteil der Bevölkerung lebt, sei der Kandidat der größten Oppositionspartei UNITA sehr populär, bestätigt der Angola-Experte Alex Vines, der das Afrika-Programm der britischen Denkfabrik Chatham House leitet. "Angola ist ein junges Land und die Jugend Angolas will Veränderung", sagt Vines im DW-Gespräch.

Mit wehenden Fahnen: Ein Lautsprecherwagen in Luanda wirbt für den UNITA-Kandidaten Adalberto Costa JúniorBild: John Wessels/AFP

14,3 Millionen Wahlberechtigte haben an diesem Mittwoch, 24. August 2022, die Wahl zwischen acht verschiedenen Parteien. Es geht um die Verteilung der 220 Sitze im angolanischen Parlament, aber auch um die Frage, welche Partei die meisten Stimmen auf sich vereinigen kann. Der Vorsitzende der größten Parlamentsfraktion wird automatisch zum Staatspräsidenten gewählt.

Wahlkampfthemen: Arbeit, Armut, Korruption

Die Wahlkampfstrategen der acht konkurrierenden Parteien buhlten vor allem um die Stimmen junger Wähler und setzen auf Themen wie Arbeitslosigkeit, Bildung und Berufsausbildung. Außerdem wurde viel über Armut und die besten Konzepte zu deren Bekämpfung gesprochen; alles Themen, die besonders junge Leute in den Städten bewegen.

João Lourenço ist seit 2017 Präsident - und möchte es bleibenBild: Lee Bogata/REUTERS

Auch das Thema Korruption spielte eine wichtige Rolle. Der regierenden MPLA wird vorgeworfen, staatliche Mittel für ihren Wahlkampf zweckentfremdet zu haben. Präsident Lourenço hatte den Kampf gegen die Korruption bereits in seinem ersten Wahlkampf 2017 zu einem zentralen Thema gemacht. Damals versprach er neue Compliance-Regeln für Staatsunternehmen, insbesondere für die alles überragende Ölindustrie. Mächtige Ex-Generäle wurden von der angolanischen Justiz wegen Korruption ins Visier genommen und nicht einmal die Angehörigen seines kürzlich verstorbenen Vorgängers, José Eduardo dos Santos, wurden verschont.

Auch der Tod von José Eduardo dos Santos selbst spielte im Wahlkampf eine Rolle. Der langjährige Präsident Angolas (1979-2017) starb im Juli 2022 in einer Privatklinik in Spanien. Die Kinder weigerten sich, einer staatlichen Trauerfeier in Luanda zuzustimmen, da sie eine propagandistische Instrumentalisierung durch die MPLA-Partei und Präsident Lourenço befürchteten.

José Eduardo dos Santos führte Angola 38 Jahre lang - im Juli starb der Altpräsident im Alter von 79 JahrenBild: AP photo/picture alliance

Im Wahlkampf warfen sich die Hauptkonkurrenten gegenseitig vor, "Beziehungen zu korrupten Leuten zu pflegen". Die regierende MPLA beschuldigte die UNITA implizit, ihren Wahlkampf von den Kindern von José Eduardo dos Santos finanzieren zu lassen, lieferte jedoch keine Beweise für diese Behauptung. Die UNITA hingegen bezeichnet die Anti-Korruptions-Maßnahmen von Lourenço als "kosmetisch". Sie hätten nur ein Ziel: Öffentlichkeit zu erzielen. Der eigentliche Kampf gegen Korruption werde nach wie vor vernachlässigt.

Wer wird Präsident?

Zwei der acht Kandidaten dürfen sich berechtigte Hoffnungen machen, in den Präsidentenpalast in Luanda einzuziehen: Amtsinhaber João Lourenço, 68, von der ehemals marxistischen MPLA, Volksbewegung für die Befreiung Angolas, hat sich bereits als Jugendlicher bei seiner Partei engagiert. Er war lange Jahre im Politbüro der MPLA, wurde Gouverneur mehrerer Provinzen im Landesinneren, später Verteidigungsminister. 2017 erkor José Eduardo dos Santos ihn zu seinem Nachfolger. Im Wahlkampf 2022 bemühte sich Lourenço, wie ein Staatsmann aufzutreten und vermied jegliche Begegnung mit seinen Konkurrenten auf Augenhöhe. Debatten und Streitgespräche, auch mit seinem Rivalen von der UNITA-Partei, lehnte er strikt ab.  

Der chancenreichste Herausforderer ist Adalberto Costa Júnior von der Partei UNITABild: Siphiwe Sibeko/REUTERS

Adalberto Costa Júnior ist Spross einer Großfamilie aus dem Landesinneren Angolas und Sohn eines ehemaligen Kämpfers der Befreiungsbewegung UNITA (Nationale Union für die Totale Befreiung Angolas). Auch er selbst trat bereits in jungen Jahren der UNITA bei. Nach der Unabhängigkeit Angolas 1975 studierte Júnior in Portugal Elektrotechnik. Nach seiner Rückkehr nach Angola engagierte er sich in der Partei, wurde Pressesprecher und übernahm schließlich den Parteivorsitz der UNITA.

"Die besten Chancen auf den Wahlsieg schreibe ich nach wie vor dem Amtsinhaber João Lourenço zu", sagt Alex Vines. Lourenço habe die geballte Kraft der allgegenwärtigen MPLA-Partei hinter sich, die das Land seit der Unabhängigkeit von Portugal 1975 ununterbrochen regiert, ergänzt er.

Farbenfrohes Treiben: Wahlkampf für Lourenços MPLA am Stadtrand der Hauptstadt LuandaBild: Miguel Pereira/REUTERS

Tatsächlich hat sich die ehemals marxistische "Volksbewegung für die Befreiung Angolas" längst zu einer politischen Kraft entwickelt, die nicht nur politische Beschlüsse fasst und umsetzt, sondern auch - inoffiziell - den Anspruch erhebt, den gesamten Staatsapparat samt seiner Ressourcen zu kontrollieren.

Staatliche Ressourcen im Dienste einer Partei?

"Diese staatlichen Ressourcen - sei es Geld oder Manpower, in Form von Staatsbediensteten - werden seit Jahrzehnten gnadenlos von der MPLA für ihre eigenen Zwecke eingesetzt, auch im Wahlkampf", sagt der mosambikanische Jurist Borges Nhamirre, der kurz vor der Wahl eine neue Studie zum Thema "Gewalt im Zuge der Wahlen in Angola" im Auftrag der südafrikanischen Nichtregierungsorganisation ISS Africa vorlegte.

Nhamirres Hauptaugenmerk liegt auf der Frage: Könnte es zu Gewalt kommen, falls eine der beiden Seiten das veröffentlichte Wahlergebnis nicht anerkennt?

Gewalt im Zuge der Wahlen?

"Das erste und wahrscheinlichste Szenario ist, dass die MPLA die Wahlen gewinnt, indem sie die Wahl- und Justizinstitutionen manipuliert. Dies könnte einen Volksaufstand auslösen. Das zweite, weniger wahrscheinliche Szenario ist ein Sieg der UNITA, der dazu führen könnte, dass sich einige konservative Gruppen innerhalb der MPLA weigern, die Macht zu übertragen", heißt es in dem Dokument.

In Kenia gab es jüngst massive Proteste anlässlich der knappen Niederlage von Oppositionsführer Raila Odinga - wie hoch ist das Gewaltpotenzial bei der Wahl in Angola?Bild: MARCO LONGARI/AFP/Getty Images

Wenn die Ergebnisse manipuliert würden, wenn die Regierungspartei schon im Vorfeld die Ressourcen des Staates benutze, dann dürfe man sich nicht wundern, wenn die anderen Parteien dann das Ergebnis nicht anerkennen: "Es heißt dann: Wir haben nur verloren, weil ungleiche Bedingungen herrschten. Ihr konntet bergab laufen und wir mussten bergauf", sagt Borges Nhamirre.

Im DW-Gespräch nannte Borges Nhamirre die wichtigste Maßnahme, um dieses Gefühl nicht aufkommen zu lassen: "Gewalt kann nur verhindert werden, indem die Auszählung der Stimmen mit einer möglichst großen Transparenz stattfindet."

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen