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Politik

Burundi: Wahlen trotz Coronavirus

Antonio Cascais
18. Mai 2020

Inmitten der Pandemie wählt Burundi am Mittwoch einen neuen Präsidenten. Schutzmaßnahmen hält die Regierung für überflüssig. Die Wahl des Kandidaten der Regierungspartei soll nach Plan verlaufen, vermuten Experten.

Burundi | Wahlkampf | Wahlen | Evariste Ndayishimiye
Er ist Pierre Nkurunzizas Wunsch-Nachfolger: Der Ex-General Evariste NdayishimiyeBild: Getty Images/AFP/T. Nitanga

Dicht an dicht stehen tausende Anhänger der Regierungspartei CNDD-FDD bei einer Wahlveranstaltung in Bujumbura, der größten Stadt in Burundi. Sie rufen Parteiparolen und schwenken rot-grün-weiße Fähnchen, dazu Plakate mit dem Konterfei des Kandidaten Evariste Ndayishimiye, den der amtierende Präsident Pierre Nkurunziza zu seinem Nachfolger auserkoren hat.

Burundis aktueller Präsident setzt alles daran, seinen Wunschkandidaten ins Präsidentenamt zu heben. Ndayishimiye stieg als Offizier in den Rängen der früheren Rebellenbewegung CNDD-FDD auf und diente als treuer Minister und Präsidentenberater. Er dürfte ein Garant dafür sein, dass Nkurunziza auch nach seinem Abtritt von der Justiz unangetastet bleibt und sogar weiterhin im Hintergrund die Fäden der burundischen Politik ziehen kann. Der Wahlkampf gehorche einer "vorgegebenen Choreographie", die auch eine Pandemie nicht zu verändern vermöge, sagt Stephanie Wolters, Forscherin am Südafrikanischen Institut für Internationale Angelegenheiten (SAIIA). "Nkurunziza wird großen Einfluss behalten, aber es gibt auch eine starke Parteistruktur innerhalb der CNDD-FDD, die ja eine militärische Vorgeschichte hat."

Macht Corona einen Bogen um Burundi?

Burundi ist offiziell kaum von Corona betroffen. Das Land registrierte laut den offiziellen Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis zum Wahltag gerade einmal 42 Infektionen und einen Todesfall im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Allerdings wird kaum getestet. Präventionsmaßnahmen wie "Social Distancing" seien im Wahlkampf überflüssig, erklärt ein Regierungssprecher und versichert: "Die Burundier sind ein von Gott gesegnetes Volk."

Von Pandemie-Maßnahmen keine Spur: Eine Wahlkampfveranstaltung der CNDD-FDD Ende AprilBild: picture-alliance/dpa/AP Photo/B. Mugiraneza

"Die Regierungspartei CNDD-FDD macht einen sehr nationalistischen Wahlkampf. Die Opposition wird systematisch als antipatriotisch abgestempelt. Die CNDD-FDD ist sich ihres erneuten Wahlsiegs sicher", betont Ostafrika-Expertin Wolters im DW-Interview. "Leicht hätte der autokratisch regierende Staatspräsident Pierre Nkurunziza den Notstand ausrufen, den Urnengang verschieben und temporär weiterregieren können. Aber Nkurunziza wollte - Corona hin oder her - seinen Plan durchziehen." Bei den Wahlen am Mittwoch wählt Burundi neben dem Präsidenten auch ein neues Parlament und kommunale Vertreter.

So sehr die Regierung die Gefahr des Coronavirus für die eigene Bevölkerung herunterspielt, so sehr pocht sie auf harte Vorsichtsmaßnahmen bei der Einreise von ausländischen Wahlbeobachtern: "Die will das Regime nicht haben. Sie sollen in Quarantäne gesteckt und erst nach der Wahl entlassen werden", sagt Wolters und zeigt sich wenig überrascht: "Die Regierung Burundis hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend isoliert und duldet weder Kritik noch Einmischung von außen." Der harte Kurs werde sich auch im Wahlergebnis widerspiegeln.

WHO-Vertreter des Landes verwiesen

In der Endphase des Wahlkampfs fällt die Regierung Burundis eine weitere Entscheidung, die dem Nationalismus in der Bevölkerung Auftrieb geben dürfte: Vergangene Woche wird bekannt, dass das Außenministerium den WHO-Landeschef Walter Kazadi Mulombo und drei seiner Mitarbeiter zu "unerwünschten Personen" erklärt hat. Burundis Regierung wirft den Mitarbeitern der WHO "unangemessene Einmischung in den Umgang mit dem Coronavirus" vor. Sie mussten das Land verlassen.

Onesphore Sematumba von der International Crisis Group (ICG) sagt, es gebe "eine Art burundischen Patriotismus, der jede Form von Einmischung in die Angelegenheiten des Landes ablehnt". Der Konflikt mit der internationalen Gemeinschaft sei seit 2015 immer weiter verstärkt worden und sei Teil einer Strategie in Richtung einer gewollten Isolation des Landes. Damit wollten Nkurunziza und seine Partei die totale Kontrolle über die Politik im Lande behalten, so Sematumba.

Brennende Barrikaden in Bujumbura 2015: Die letzte Präsidentschaftswahl war überschattet von GewaltBild: picture-alliance/dpa/D. Kurokawa

Krise seit 2015

Seit fünf Jahren befindet sich Burundi im Ausnahmezustand. Damals hatte Präsident Nkurunziza bei den Wahlen für eine dritte Amtszeit kandidiert - ein bis heute umstrittenes Vorgehen. Nkurunzizas Festklammern an der Macht sorgte für Proteste mit mindestens 1000 Toten, die Opposition spricht von 3000. Besondere Sorge bereitet Menschenrechtlern der Jugendflügel der Regierungspartei "Imbonerakure". Er gilt als gewaltbereiter Arm des Regimes und ist laut UN für etliche Angriffe auf Oppositionspolitiker und deren Familien verantwortlich.

Im aktuellen Wahlkampf gilt selbst Burundis größte Oppositionspartei CNL als chancenlos - obwohl ihr Anführer Agathon Rwasa zuletzt eine wachsende Schar an Unterstützern zu seinen Kundgebungen lockte. Rwasa ist einer der insgesamt sieben Präsidentschaftskandidaten. Im DW-Interview spricht er von einem Klima der Intoleranz, von fehlender demokratischer Kultur und auch von fehlender Unabhängigkeit der Justiz: "Die Gerichte und die Wahlinstanzen in unserem Land sollten unabhängig und neutral sein, damit die Wahlen die nötige Glaubwürdigkeit bekommen."

"Kein freier Wahlkampf"

Ostafrika-Expertin Wolters bestätigt: "In Burundi gibt es keine Chancengleichheit. Agathon Rwasa konnte keinen freien Wahlkampf führen, und seine Unterstützer wurden schikaniert. Das politische Klima vor den Wahlen ist sehr repressiv." In freien und fairen Wahlen könnte Oppositionsführer Rwasa als Sieger hervorgehen, schätzt Wolters. Doch die habe es in Burundi seit langem nicht mehr gegeben.

Oppositionskandidat Agathon Rwasa ist wohl chancenlosBild: DW/A. Niyirora

Auch die Afrikanische Union und die Vereinten Nationen reagieren auf Berichte über Gewalt und Einschüchterung im Vorfeld der Wahl. Sie zeigen sich besorgt und rufen alle Akteure dazu auf, ein sicheres und friedliches Umfeld für die Wahlen zu schaffen, auf Hassrede und Gewalt zu verzichten.

Am Wahltag selbst sind Kundgebungen in der Nähe von Wahllokalen verboten, und offenbar soll die Kommunikation der Menschen untereinander erschwert werden: Mindestens eine Stunde vor Beginn der Wahlen wurden lokalen Korrespondenten zufolge die sozialen Medien im Land blockiert.

Ob mit dem Rückzug von Nkurunzizas eine neue Zeitrechnung anbricht? "Ndayishimiye ist zwar ein neues Gesicht, aber auch er entstammt dem Kern der CNDD-FDD-Militärordnung, der in den vergangenen Jahren immer mächtiger wurde", sagt Wolters. Der Wechsel an der Spitze bedeute nicht automatisch mehr Demokratie für Burundi - und auch nicht ein Ende von Angst und Gewalt.

Mitarbeit: Antéditeste Niragira, Reliou Koubakin

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