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PolitikAfrika

Politik als Familienbusiness?

Katrin Gänsler
5. Dezember 2020

Die Spitzenkandidaten beider großen Parteien in Ghana stammen aus Familien, die seit Jahrzehnten politisch aktiv sind. Doch es gibt zunehmend Seiteneinsteiger ohne familiären Rückhalt. Aber die haben es schwer.

Eine Frau vor einem Plakat von Nana Akufo-Addo
Umfragen sehen Amtsinhaber Nana Akufo-Addo (auf dem Wahlplakat abgebildet) vorne Bild: Katrin Gänsler

Ghanas Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am kommenden Montag (7. Dezember) sind allgegenwärtig. Radiosender berichten nonstop über Wahlkampfveranstaltungen. Experten ziehen Bilanz der vierjährigen Amtszeit von Nana Akufo-Addo - verschiedene Umfragen sehen den 76-Jährigen erneut knapp vor Herausforderer John Mahama (62). Debattiert werden auch die Herausforderungen, die die neue Regierung und das künftige Parlament stemmen müssen.

Mercy Adu Gyamfi, die in Ghana vielen als Ama Sey bekannt ist, wird damit jedoch nichts mehr zu tun haben. Die Abgeordnete der regierenden Neuen Patriotischen Partei (NPP) von Akufo-Addo verlor die Vorwahlen in ihrem Wahlkreis Akwatia und tritt anders als zunächst angekündigt nicht als unabhängige Kandidatin an.

Mercy Adu Gyamfi zog damals ohne Englischkenntnisse ins Parlament - das sorgte für SpottBild: Katrin Gänsler

"Möglicherweise werde ich eine nichtstaatliche Organisation gründen, um Bedürftigen zu helfen", erzählt die Mutter von sechs Kindern der DW. Und sie wird wieder das tun, womit sie bis zur Wahl 2016 ihr Geld verdient hat: Als Geschäftsfrau hat die 49-Jährige in der Hauptstadt Accra ein Catering-Unternehmen betrieben, Plastikstühle für Veranstaltungen vermietet, was in Westafrika als lukratives Business gilt, und ihren eigenen Frisörsalon geführt. Damit ist sie in ganz Ghana bekannt geworden: Die Frisörin, die ins Parlament eingezogen ist, ohne Englisch zu sprechen.

An den Spott erinnert sie sich bis heute. Wer nicht Englisch spricht und die Dokumente nicht lesen kann, habe im Parlament nichts zu suchen, hieß es in ghanaischen Medien und unter Beobachtern. Mercy Adu Gyamfi betont jedoch, dass sie wie alle anderen Ghanaer auch ein Anrecht auf ein Mandat hat: "In der Verfassung steht: Um Kandidat für die Parlamentswahlen zu werden, muss man 18 Jahre sein und darf keine Vorstrafen haben. Es heißt nicht, dass man einen bestimmten Schulabschluss haben muss."

Alteingesessene Politikerfamilien dominieren

Ein breites Spektrum der Bevölkerung repräsentieren die Kandidaten dennoch nicht. Wie schon 2016 ist auffällig, dass die Spitzenkandidaten beider Volksparteien NPP und dem Nationalen Demokratischen Kongress (NDC) aus alteingesessenen Politikerfamilien stammen. Akufo-Addos Vater Edward gehörte zu den "Großen Sechs", die Ghana 1957 in die Unabhängigkeit führten. Sein Konterfei ist auf jedem Cedi-Schein zu sehen.

Ghanas Gründungsväter sind auf dem 50-Cedi-Schein abgebildet, darunter auch der Vater von Nana Akufo-Addo Bild: Katrin Gänsler

Mahamas Vater Emmanuel Adama war unter dem ersten Präsidenten Kwame Nkrumah immerhin Staatsminister für die Nordregion. Auch Nana Konadu Agyeman-Rawlings, Frau des Mitte November verstorbenen Militärherrschers und späteren Präsidenten Jerry Rawlings, ist Kandidatin ihrer eigenen Nationalen Demokratiepartei (NDP). Samia Nkrumah, Tochter des ersten Präsidenten Kwame Nkrumah, war Vorsitzende der Convention People's Party.

Chancengleichheit - oder Nepotismus?

"Das zieht sich durch alle Parteien", bestätigt Gildfred Boateng Asiamah, Analyst am Ghanaischen Zentrum für Demokratische Entwicklung (CDD-Ghana), und "ist ein Merkmal unseres politischen Systems". Die Familienbande müssen nicht notwendigerweise eine Schwächung oder gar Gefahr für die Demokratie bedeuten. Wichtig sei, dass alle - Familienmitglieder wie jeder andere Ghanaer auch – die gleichen Chancen haben, an die Macht zu kommen und ein politisches Amt zu erhalten.

Gildfred Boateng Asiamah fordert Chancengleichheit für alle GhanaerBild: Katrin Gänsler

Nach Einschätzung von Burkhardt Hellemann, Leiter des Auslandsbüros Ghana der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, seien NPP und NDC zudem zu groß, als "dass quasi nur Familienmitglieder aus der einen oder anderen Familie Positionen innerhalb der Partei oder dann der gewählten Regierung erhalten. Auch Menschen ohne einen elitären Hintergrund können durchaus weit nach oben in der Politik kommen". Notwendig seien dafür strategische Kontakte und ein sich gutes Positionieren innerhalb der eigenen Partei.

Teurer Wahlkampf

Mitunter kann das sogar von Vorteil sein, sagt Ebenezer Ayesu, Historiker am Heritage Christian College in Nsawam, gut 30 Kilometer von Accra entfernt. "Es ist durchaus möglich, dass Familienmitglieder, die politisch aktiv waren, politische Feinde haben." Gleichzeitig müsse jemand ohne familiäre Beziehungen viel Arbeit leisten. "Es ist sehr aufwändig, sich zu positionieren. Und es braucht große Ressourcen." Was der Wahlkampf etwa für ein Parlamentsmandat kostet, will niemand beziffern.  

Mercy Adu Gyamfi wurde auf lokaler Ebene von der NPP angesprochen und arbeitete sich innerhalb der Partei hoch, was 2016 mit dem Gewinn des Parlamentsmandats gekrönt wurde. Auch wenn sie künftig keine Abgeordnete mehr ist, will sie sich doch für eins stark machen. "Im Parlament müssen außer Englisch unsere Sprachen zugelassen werden, egal, ob das nun beispielsweise Haussa oder Ewe ist. Es ist die Aufgabe für die künftige Regierung, Übersetzer einzuführen." So hätten mehr Menschen Chancen auf einen Zugang in die Politik.

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