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Wahlen in Litauen

Agnes Bührig10. Oktober 2008

Wenn die Litauer am Sonntag ein neues Parlament wählen, sollen sie sich in einem Referendum auch zur Atomkraft äußern. Ohne längere Laufzeiten sei die Versorgungssicherheit bedroht, mahnen Politiker.

Atomkraftwerk Ignalina in Litauen (EPA PHOTO)
Die Wahlen in Litauen sind mit einem Referendum zur Atomkraft verbundenBild: EPA PHOTO / AFI / GATIS DIEZINS

Sein halbes Berufsleben hat Vladimir als Techniker im Kontrollraum des Kernkraftwerks Ignalina verbracht. Doch bald, so fürchtet der Familienvater Anfang 50, könnten die Lichter dort für immer ausgehen.

Angst um den Job

Rolandas Paksas befürchtet, ohne Ignalina von Russland abhängig zu sein (Archivbild 2004)Bild: AP

Er mache sich nicht viele Hoffnungen um seinen Job, berichtet Vladimir. Und auch für seine Kinder sehe es finster aus. „Ich bin hier in der Gegend geboren und aufgewachsen“, erzählt der Familienvater. Mit seinen Kollegen habe er das AKW aufgebaut und vermutlich werde er es auch schließen.

In der Tat sind die Würfel längst gefallen: In den Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union hat sich das Land verpflichtet, die gewaltige Anlage aus Sowjetzeiten bis Ende nächsten Jahres abzuschalten. Der Reaktor vom Tschernobyl-Typ steht für 75 Prozent der litauischen Stromversorgung.

Und den Verantwortlichen scheint erst jetzt aufzugehen, was dies bedeutet. So zumindest polemisiert der für gnadenlosen Populismus bekannte Ex-Präsident Rolandas Paksas: Litauen wäre auf Gedeih und Verderb vom russischen Gas abhängig. Paksas dagegen wolle die Laufzeit von Ignalina verlängern, wenn er die Regierung bilde. Das Referendum solle ihm dabei helfen.

Der Wiedergänger

Verfassungsbruch, Vetternwirtschaft, Korruption, Affären und Skandale haben das Vertrauen in die politische Elite untergrabenBild: transit

Rolandas Paksas, in dessen Amtszeit als Regierungschef die Stillegungs-Verpflichtung unterschrieben wurde, ist ein politischer Wiedergänger. 2004 mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt, schickt er sich nunmehr an, mit seiner Partei „Ordnung und Gerechtigkeit“ an die Schalthebel der Macht zurückzukehren.

Wie Paksas wird auch Viktoras Uspaskikh eine besondere Nähe zum Kreml nachgesagt. Und wie Paksas sammelt auch der Chef der oppositionellen Arbeitspartei bei jenen die Stimmen ein, an denen der Aufschwung der letzten Jahre vorbeigegangen ist. Verfassungsbruch, Vetternwirtschaft, Korruption, Affären und Skandale haben das Vertrauen in die politische Elite untergraben und die Litauer zermürbt.

Wütende Rentner

Der Streit um Ignalina wird zum Sinnbild für die vielen Blockaden der PolitikBild: AP

Es genügt, das Wort „Politiker“ auszusprechen, und schon bricht die 62-jährige Rentnerin Alma in wütende Tiraden darüber aus, dass die Mächtigen keine Rücksicht auf die alten Leute nähmen. Sie bekomme umgerechnet knapp hundert Euro Rente - das reiche nur für die Wohnung aus.

Für die Mitte-Links-Regierung unter Führung der Sozialdemokraten, die mit hauchdünner Mehrheit regiert, könnte es diesmal ernst werden. Zugleich wird der Streit um Ignalina zum Sinnbild für die vielen Blockaden der litauischen Politik.

Drohende Versorgungsengpässe und teurer Importstrom könnten die ohnehin schon zweistellige Inflationsrate noch weiter anheben, fürchten Experten. Was allen Ambitionen auf Euro-Reife zuwiderliefe.

Ankopplung an Europa

Der litauische Präsident Adamkus hofft auf ein neues, internationales AtomkraftwerkBild: AP

Litauens Staatspräsident Valdas Adamkus setzt deshalb auf Verhandlungen. Zumindest bis 2012 soll Ignalina weiterlaufen dürfen. Bis dahin will man Stromleitungen nach Polen und Schweden bauen und die Balten somit an den europäischen Stromverbund ankoppeln.

Und bis 2018 so hofft Adamkus, könnte am Standort ein neues Atomkraftwerk entstehen, an dem sich Polen, Estland und Lettland beteiligen wollen. Deswegen appelliere er an die internationale Gemeinschaft, Aufschub zu gewähren.

Es wäre unverantwortlich, eine ganze Region in Turbulenzen zu stürzen, so Adamkus. „Ignalina wurde aufgerüstet, mit schwedischem Know How und viel Geld aus dem Westen. Wir sind keine Gefahr für die Region“.

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