1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikSüdkorea

Wahlen in Südkorea: Befreiungsschlag für Präsident Yoon?

Martin Fritz berichtet aus Tokyo
5. April 2024

Wenn seine People Power Party bei der Parlamentswahl am 10. April die Mehrheit nicht zurückerobert, bleibt der Konservative bis zum Ende seiner Amtszeit im Jahr 2027 in seinen Möglichkeiten deutlich eingeschränkt.

Südkorea | Präsident Yoon hat gewählt
Parlamentswahlen in Südkorea: Präsident Yoon bei der Stimmabgabe am Freitag, den 5. April 2024. In Südkorea ist es möglich, auch Tage vor dem eigentlichen Wahltermin die Stimme abzugeben.Bild: picture alliance/Yonhap /AP

Beim Machtkampf mit streikenden Ärzten zeigt Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol Stärke. Tausende von Assistenzärzten verließen Ende Februar aus Protest ihre Arbeitsstellen in Krankenhäusern. Darauf reichten Patienten über 2.000 Beschwerden ein, weil ihre Operationen und andere Behandlungen verschoben, abgesagt oder abgelehnt wurden. Trotz des Streiks und seiner Folgen hielt Yoon an seinem Plan fest, die Zahl der jährlichen Zulassungen zum Medizinstudium von 3.000 auf 5.000 zu erhöhen. Wegen der rasch wachsenden Zahl von Senioren brauche Südkorea mehr Ärzte, argumentiert der Präsident.

Die Mehrheit der Südkoreaner steht Umfragen zufolge hinter seinem Vorstoß. Aber die fortdauernde Konfrontation geht vielen Bürgern zunehmend auf die Nerven. Diese negative Stimmung mindert die Aussicht der konservativen People Power Party (PPP) von Yoon, bei der Parlamentswahl am 10. April nach mehrjähriger Durststrecke die Mehrheit der Sitze von der oppositionellen Demokratischen Partei (Minju) zurückzugewinnen. Yoon bliebe dann bis zum Ende seiner Amtszeit in seinen politischen Gestaltungsmöglichkeiten deutlich eingeschränkt. "Falls die Demokratische Partei ihre starke Stellung behält, wäre sichergestellt, dass Yoons Innenpolitik für den Rest seiner Amtszeit wenig bis keine parlamentarische Unterstützung erfährt", meint Kayla Orta, Korea-Expertin am Wilson Center in Washington.

Politischer Stillstand

Bereits in seinen ersten zwei Amtsjahren nach seinem Wahlerfolg im März 2022 konnte der Präsident viele Gesetzesvorhaben nicht durchsetzen, weil seine PPP keine Mehrheit im Parlament besitzt. Seine Reformpläne für das Bildungs-, Renten- und Arbeitssystem blieben weitgehend stecken. Zugleich musste der 63-Jährige mehrmals ein Veto gegen Gesetze einlegen, die die Opposition mit ihrer Mehrheit beschlossen hatte. Dazu gehörten ein Gesetz, das die Schadenersatzansprüche von Unternehmen bei gewerkschaftlichen Streitigkeiten einschränkt, und ein Gesetz, das eine Sonderuntersuchung der Halloween-Katastrophe mit 159 Toten forderte.

Damals war seine Freude noch groß: Yoon Suk-yeol gewann die Präsidentschaftswahlen am 9. März 2022Bild: Jung Yeon-je/AFP

Angesichts seiner innenpolitischen Beschränkungen konzentrierte sich Yoon auf Außenpolitik und Diplomatie. Aber auch hier konnte er kaum Meriten ernten. Die Bewerbung der Hafenstadt Busan um die Expo 2030 floppte, ein globales Pfadfindertreffen endete im Chaos. Seine Annäherung an Japan durch die Gründung eines eigenen Fonds für Zwangsarbeiter in der japanischen Kolonialzeit und seine indirekte Zustimmung zur Einleitung von Tritium-Wasser aus dem AKW Fukushima in den Pazifik wurden teilweise scharf kritisiert.

Bei der wahlentscheidenden Innenpolitik schneide die Regierung von Yoon in den Augen der Wählerschaft schwächer ab, schrieb das Südkorea-Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in einer Analyse. Zu Yoons innenpolitischen Schwachstellen gehören Korruptionsvorwürfe, der wachsende Einfluss der Konglomerate wie Samsung, die hohen Lebensmittelpreise, die Wohnungsknappheit, die Benachteiligung der Frauen und die niedrige Geburtenrate. Regierungs- wie Oppositionspartei versprechen, diese Probleme durch mehr staatliche Hilfen anzupacken.

Neugründungen von Kleinparteien

Die Blockade im Parlament führte dazu, dass sowohl die Regierung Yoon als auch die oppositionelle Demokratische Partei bei den Bürgern auf große Ablehnung stoßen. Zugleich kam es in den beiden großen Parteien zu internen Fehden, Rücktritten, Austritten und Neugründungen von Parteien. Deren Strategie zielt auf das gemischte Verhältniswahlsystem, über das auch Kleinparteien Sitze gewinnen können. Im Januar rief Lee Jun-seok, Ex-Vorsitzender der People Power Party, die New Reform Party ins Leben, um gegen die angeblich cliquenhafte Parteiführung der Pro-Yoon-Fraktion zu protestieren.

Parlamentsplenum in Seoul: Der Präsident hat dort keine Mehrheit. Bild: Jeon Heon-Kyun/AP/picture alliance

Die Demokratische Partei steht vor einer ähnlichen Herausforderung. Ebenfalls im Januar hob Lee Nak-yon, Ex-Premierminister unter dem vorigen Präsidenten Moon Jae-in, die Neue Zukunftspartei aus der Taufe. Des Weiteren tritt die National Innovation Party an, eine Anfang März entstandene neue liberale Partei. Ihr Gründer, Ex-Justizminister Cho Kuk, fischt im Wählerreservoir der Demokratischen Partei. Die neuen Gruppen wollen die 54 Sitze erobern, die nach Parteienproporz vergeben werden. Die übrigen 246 Sitze werden dagegen direkt gewählt.

Wahlumfragen bleiben im Trüben

Eine Woche vor dem Wahltag lag die Demokratische Partei (DP) laut den Meinungsforschern von RealMeter mit 43 Prozent vor der konservativen People Power Party mit 35 Prozent in Führung. Gemäß einer anderen Umfrage von Gallup Korea unterstützen 37 Prozent der Befragten die PPP und 29 Prozent die DP. Die National Innovation Party von Cho Kuk folgt bei Gallup mit 12 Prozent auf Rang 3. Beobachter schätzen den Anteil der Wechselwähler auf 30 Prozent, so dass Überraschungen durchaus möglich sind.

Als das wahrscheinlichste Ergebnis nennt Dozent James Kim an der Columbia University ein Szenario, bei dem die Demokratische Partei als Hauptopposition Sitze verliert, aber sich die Machtverhältnisse nicht grundlegend ändern. "Das heißt, die Konservativen könnten Sitze gewinnen oder vielleicht sogar die Mehrheit kontrollieren, die Nationalversammlung bleibt gespalten und erfordert eine überparteiliche Zusammenarbeit und Kompromisse für Gesetzesvorhaben", erläutert Kim. Das zweite Szenario sei, dass die neue liberale National Innovation Party mit Hilfe von Wechselwählern zur dritten Kraft wird. Bei einem Erfolg dürfte sie jedoch eher die linksliberale Demokratische Partei unterstützen.

Nord- und Südkorea – siebzig Jahre im Kalten Krieg

03:31

This browser does not support the video element.