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Polens neuer Präsident Nawrocki hat dubiose Vergangenheit

Jacek Lepiarz (Warschau)
2. Juni 2025

Noch im Spätherbst war Karol Nawrocki für die meisten Polen ein unbeschriebenes Blatt. Ein halbes Jahr später wurde der rechtskonservative Historiker, EU-Skeptiker und Ex-Hooligan zum polnischen Staatsoberhaupt gewählt.

Ein Mann im Anzug mit roter Krawatte zeigt mit der linken Hand das Victory-Zeichen, hinter ihm sind weitere Menschen zu sehen, ein Mann applaudiert
Polens designierter Präsident Karol Nawrocki am Wahlabend in WarschauBild: Czarek Sokolowski/AP/dpa/picture alliance

Als am 25. November 2024 die rechtskonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) den Namen ihres Kandidaten für die Wahl zum Präsidenten Polens erstmals öffentlich bekanntgab, staunten nicht nur die Medien. Auch viele PiS-Politiker kannten Karol Nawrocki, den Chef des Instituts des Nationalen Gedenkens (IPN), nicht. Seine ersten Auftritte versprachen nichts Gutes - der Kandidat wirkte steif, war rhetorisch schwach, las seine Reden vom Zettel und nervte durch künstliches Lächeln.

Das liberalkonservative Lager um den Bürgermeister von Warschau, Rafal Trzaskowski, schien den Sieg in der Tasche zu haben, noch bevor der Wahlkampf richtig begonnen hatte. Trzaskowskis Vorsprung betrug anfangs zehn Prozentpunkte und mehr.

PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski bei einer Wahlkampfkundgebung für Karol Nawrocki am 25.05.2025Bild: Wojtek Radwanski/AFP/Getty Images

Doch mittlerweile hat sich der Schachzug des PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski als Volltreffer erwiesen. Nawrocki gab selbst zu, dass er ein "Geschöpf von Kaczynski" sei. Der Bewerber wurde als von der PiS lediglich unterstützter "Bürgerkandidat" vorgestellt - parteilos und unabhängig. Dieser Trick sollte die Wähler täuschen, die die Rechtsbrüche und das Chaos im Steuersystem in den acht Jahren der PiS-Regierung (2015-2023) nicht vergessen haben.

"Nawrocki hat sich rhetorisch enorm entwickelt. Er lernt schnell aus eigenen Fehlern. Deshalb ist er so gefährlich", meint Politologe Antoni Dudek.

Ein Mann aus einfachen Verhältnissen

Der 42-jährige gebürtige Danziger Nawrocki stammt aus einfachen Verhältnissen. Er studierte Geschichte in seiner Heimatstadt und promovierte dort über die antikommunistische Opposition in Nordostpolen. 2017 bekam er den Auftrag, das von Fachleuten aus dem Umfeld des derzeitigen polnischen Premiers Donald Tusk geschaffene Museum des Zweiten Weltkrieges in Danzig im Sinne der national-katholischen Geschichtspolitik der PiS umzubauen. Es folgten eine personelle Säuberung und eine "Polonisierung" der ständigen Ausstellung, die Kaczynski nicht patriotisch genug war.

Polens Premier Donald Tusk und seine Ehefrau Malgorzata bei der Stimmabgabe am 1. JuniBild: Mateusz Slodkowski/AFP/Getty Images

2021 setzte die PiS Nawrocki als Vorsitzenden des IPN durch. Er leitete bis vor kurzem die Einrichtung, die man mit der inzwischen aufgelösten deutschen Behörde für die Stasiunterlagen vergleichen kann. Das einflussreiche Institut spielt eine wichtige Rolle in der Auseinandersetzung um die Deutungshoheit über die Vergangenheit und wurde von den polnischen Rechtskonservativen als Propagandainstrument benutzt.

"Zuerst Polen, zuerst die Polen"

Nawrocki führte seinen Wahlkampf unter dem Motto "Zuerst Polen, zuerst die Polen". Er gab sich als ein Mann "aus Fleisch und Blut", der sich aus eigener Kraft nach oben gekämpft hat. "Ich bin einer von euch, ich bin eure Stimme", rief er immer wieder auf Kundgebungen.

Der damalige polnische Präsidentschaftskandidat Karol Nawrocki mit US-Präsident Donald Trump in Washington am 1. MaiBild: White House/ZUMA Press Wire/IMAGO

Nawrocki ist ein bekennender Fan von Donald Trump. Anfang Mai pilgerte er nach Washington, um im Oval Office ein Foto mit dem US-Präsidenten zu machen. Wie sein Mentor Kaczynski betrachtet Nawrocki die Europäische Union als eine Gefahr für die polnische Souveränität, obwohl er das Wort "Polexit" nicht in den Mund nimmt. Er wütet gegen den Green Deal und den EU-Migrationspakt. Im Wahlkampf griff er zu antideutschen Tönen und beschuldigte Tusk, ein "Kammerdiener Deutschlands" zu sein. Auch die Hilfen für die Ukraine sieht er skeptisch.

Kontakte zur Hooliganszene und zur Unterwelt?

Nawrocki ist ein leidenschaftlicher Amateurboxer. In seiner Jugend erreichte er manche Erfolge im Schwergewicht. Polnische Medien werfen ihm vor, in der Vergangenheit Kontakte zur Hooliganszene und zur Unterwelt unterhalten zu haben. Er gab selbst zu, mindestens an einer verabredeten Schlägerei zwischen den Fans zweier Fußballmannschaften teilgenommen zu haben. Mehrere Teilnehmer wurden verurteilt, Nawrocki blieb damals unerkannt.

Laut Internetplattform ONET beteiligte sich Nawrocki, der in seiner Studienzeit in einem privaten Sicherheitsdienst jobbte, an der Begleitung von Prostituierten ins noble Grand Hotel in Sopot (Zoppot). Er soll darüber hinaus eine kommunale Wohnung erschlichen haben. Von den Vorwürfen, die er als Diffamierung zurückweist, bleibt der künftige Präsident unbeeindruckt.

Jacek Lepiarz Journalist in der polnischen Redaktion mit Schwerpunkt auf deutsch-polnischen Themen.