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Politik

Wahlmarathon in Mexiko

6. Juni 2021

In Mexiko stellen sich am Sonntag tausende von politischen Entscheidungsträgern zur Wahl. Die Abstimmung gilt als die bisher größte Wahl in der Geschichte des Landes und gilt als demokratischer Stresstest. Ein Überblick.

Mexiko Wahl 2019 | Stimmabgabe in San Andres Azumiatla
Über 100 Millionen Mexikaner sind aufgerufen, ihre Stimme abzugeben (Archivbild)Bild: Reuters/I. Medina

Corona, Wirtschaftskrise und Gewalt - vor dem Hintergrund dieser extrem angespannten politischen Ausgangslage ist der Wahlmarathon auch als ein Votum über die bisherige Präsidentschaft von Andrés Manuel López Obrador, genannt AMLO, zu verstehen. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Wer wird gewählt?

Knapp 100 Millionen stimmberechtigte Mexikanerinnen und Mexikaner entscheiden am Sonntag über die politischen Kräfteverhältnisse im Land. Nach Angaben der mexikanischen Wahlbehörde "Instituto Nacional Electoral" (INE) werden die 500 Sitze im Abgeordnetenhaus, 15 der 32 Gouverneursposten, etwa 1000 Abgeordnete in verschiedenen Landtagen, fast 2000 Bürgermeister und gut 14.000 Stadträte neu gewählt.

Was steht politisch auf dem Spiel?

Die Superwahl beeinflusst den künftigen politischen Kurs des von der Bevölkerungszahl größten spanischsprachigen Landes der Welt. Denn von der neuen Zusammensetzung des Bundesparlaments hängt ab, ob die Regierungspartei "Morena" (Movimiento Regeneración Nacional) von Präsident López Obrador weiterhin allein die absolute Mehrheit halten kann (derzeit 256 von insgesamt 500 Sitzen). Das Bündnis der Oppositionsparteien will genau dies verhindern.

Kann er die absolute Mehrheit seiner Partei verteidigen? Mexikos Präsident Andres Manuel Lopez Obrador, genannt AMLO.Bild: imago/Agencia EFE

Nach einer Meinungsumfrage der Firma Simo Consulting im Auftrag der Tageszeitung "El País" wird die Regierungspartei Morena vermutlich ihre absolute Mehrheit verlieren und künftig auf Bündnisse angewiesen sein. Dennoch genießt der 2018 gewählte Präsident López Obrador weiterhin großen Rückhalt in der Bevölkerung: Laut der Simo-Umfrage von Ende Mai sind 66 Prozent der Bevölkerung mit seiner Amtsführung zufrieden.

"Diese Zwischenwahlen werden zeigen, ob der mexikanische Staat und seine Institutionen in der Lage sind, einen überparteilichen und transparenten demokratischen Prozess zu gewährleisten", sagt Elisa Gómez, Koordinatorin des Politischen Dialogs der Friedrich Ebert Stiftung in Mexiko-Stadt, im Interview mit der DW. Nach dem Regierungswechsel 2018 habe die mexikanische Gesellschaft ihre Begeisterung für die Demokratie entdeckt.

Wie wirkt sich die Gewalt auf die Wahlen aus?

Die Gewalt gegen Politiker hat im Wahlkampf bedrohliche Ausmaße angenommen. Nach Informationen der mexikanischen Consulting-Firma Integralia wurden mehr als 140 Ermordungen von Kandidaten und 270 Fälle von Bedrohungen oder Übergriffen registriert. Das vorerst letzte Opfer war laut einem Medienbericht der Lokalpolitiker René Tovar, Der Kandidat für das Bürgermeisteramt in der Ortschaft Canzones de Herrera im Bundesstaat Veracruz sei erschossen worden, meldete die Zeitung "Milenio" am Samstag.

Bürgermeisterkandidatin Alma Barragan wurde in ihrer Heimatstadt Moroleon auf offener Straße erschossenBild: /AP Photo/picture alliance

Der  mexikanische Soziologe und Politikberater Rubén Aguilar bewertet die Morde als "Tragödie für die mexikanische Demokratie." Die Gewalt gegen Wahlkandidaten sei genauso gestiegen wie die Gewalt im ganzen Land und habe mit 85.000 Toten in den vergangenen drei Jahren einen neuen Höhepunkt erreicht. Für ihn ist vielmehr die Sicherheitsstrategie der Regierung "gescheitert." 

Elisa Gómez von der Friedrich-Ebert-Stiftung ist da skeptischer: "Ein großes Problem ist die Schwäche der Rechtsstaatlichkeit in Mexiko", erklärte sie gegenüber der DW. Mit einer Straflosigkeitsrate von über 90 Prozent stiegen Kriminalität und Gewalt weiter in die Höhe. In einem politischen Panorama, "in dem kriminelle Gruppen dem Staat das Gewaltmonopol streitig machen, lautet die entscheidende Frage", so Gómez, "wie man Demokratie aufbauen kann."

Beeinflusst Corona das Wahlverhalten?

Mexiko gehört zu den stärksten von der Pandemie betroffenen Ländern. Bei der sogenannten Case Fatality Rate (CFR), also dem Verhältnis zwischen der Anzahl von Corona-Infektionen und Corona-Toten lag das Land laut dem Statistikportal "Our world in data" mit einem Anteil von 9,41 Prozent (Stand 2.6.2021) weltweit an erster Stelle - gemeinsam mit Peru. Auch die Impfkampagne läuft nur schleppend an. Erst 18 Prozent der Bevölkerung sind bisher einmal geimpft worden. Zum Vergleich: In Brasilien sind es 22 Prozent. Nach jüngsten Meinungsfragen wächst in der mexikanischen Gesellschaft deshalb die Kritik am Corona-Krisenmanagement von Präsident AMLO. Laut des mexikanischen Meinungsforschungsinstituts Mitofsky ging die Zustimmung in den vergangenen 19 Wochen für das Krisenmanagement von knapp 60 Prozent im April auf aktuell 54 Prozent zurück.

Impfung einer Bürgerin in Mexiko-Stadt - Die Wahlen dürften auch eine Abstimmung über die Zufriedenheit mit der Pandemiebekämpfung seinBild: Alfredo Estrella/AFP/Getty Images

Wie wirkt sich die Pandemie auf die Wirtschaft aus?

Die Defizite bei der Pandemiebekämpfung haben gravierende wirtschaftliche Folgen. Nach Angaben der Weltbank wird das Wirtschaftswachstum in Mexiko von 3,7 Prozent in diesem Jahr auf 2,6 Prozent im Jahr 2022 zurückgehen. Im Gegenzug stieg der Anteil der Bevölkerung, die in extremer Armut lebt, laut Cepal, der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika, von zehn (2019) auf 18 Prozent (2020).

"Die heftigen Verluste und Rückschläge in der sozialen Entwicklung des Landes werden keinesfalls durch die von der Regierung erstellten Sozialprogramme zum Abbau der sozialen Ungleichheiten aufgefangen", schreibt Hans-Hartwig Blomeier, Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mexiko, im jüngsten Länderbericht zu Mexiko.