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Politik

SPD: Kämpfen, kämpfen, kämpfen

Sabine Kinkartz aus Dortmund
25. Juni 2017

Auf einem Bundesparteitag hat die SPD ihr Wahlprogramm beschlossen. Alt-Kanzler Schröder trat auf, um der Partei angesichts mieser Umfragewerte neuen Mut zu machen. Aus Dortmund berichtet Sabine Kinkartz.

Deutschland SPD Programmparteitag in Dortmund | Martin Schulz umarmt Gerhard Schröder
Bild: picture alliance/dpa/J. Güttler

Schulz: Keine Steuergeschenke für Super-Reiche

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Was hat die Partei doch mit ihm gehadert: Gerhard Schröder, von 1998 bis 2005 erster sozialdemokratischer Bundeskanzler seit Helmut Schmidt. Der "Genosse der Bosse", der keinen Hehl daraus machte, dass er teure Anzüge und dicke Zigarren liebte, der mit Blick auf Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger dem Fördern ein Fordern zur Seite stellte, der die Arbeitsmarktreform Agenda 2010 und Hartz-IV durchsetzte. Der den russischen Präsidenten Wladimir Putin als "lupenreinen Demokraten" bezeichnete, nach seiner Abwahl in den Aufsichtsrat der Nord Stream AG wechselte und Wirtschaftslobbyist wurde.

Alles verziehen und vergessen möchte man beim Auftritt des inzwischen 73-Jährigen auf dem SPD-Bundesparteitag in Dortmund meinen. Die rund 600 Delegierten und 6000 Gäste wissen, dass sie Schröder jetzt brauchen. 2005 hat er auf den letzten Metern zur Bundestagswahl aus einer in Meinungsumfragen weit abgeschlagenen Position heraus noch massiv Boden gut machen können.

"Wir haben über 20 Prozentpunkte aufgeholt und das in wenigen Wochen", erinnert Schröder. Am Ende habe es zwar "knapp" nicht für den Wahlsieg gereicht, die SPD einen Prozentpunkt hinter CDU/CSU gelegen. "Aber wir haben gekämpft", sagte Schröder. "Und was damals ging, liebe Genossinnen und Genossen, das geht heute auch."

Hängende Köpfe, große Aufgaben

Applaus brandet auf. Schröder gibt den dringend benötigten Motivations-Trainer. Die Bundestagswahl sei mitnichten entschieden, ruft er in das Rund der Dortmunder Westfalenhalle. "Nicht Journalisten, nicht Umfrage-Menschen entscheiden Wahlen. Es sind immer noch die Wählerinnen und Wähler." Das ist es, was der Parteitag hören will. Drei Monate ist es jetzt her, seit die SPD Martin Schulz zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt hat und zum Kanzlerkandidaten. Seitdem sind die Umfragewerte der Partei, die zuvor kometengleich nach oben gegangen waren, wieder in den Keller gerutscht. 13 Wochen vor der Bundestagswahl am 24. September liegen CDU und CSU in der Wählergunst weit vorne.

Gerhard Schröder: Man muss die Macht wollen!Bild: picture alliance/dpa/G. Kirchner

Warum? Diese Frage wird auf dem Parteitag nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert. Jetzt ist nicht die Zeit für Grundsatzdebatten, das wissen alle. "Es gibt auch in unseren Reihen die einen oder anderen, die die Köpfe hängen lassen", stellt Schröder fest. Doch jetzt müsse gekämpft werden, sagt er und fordert die Genossen auf, noch einen Schritt weiter zu gehen. "Man muss die Macht aber auch wollen." Das gelte auch für Martin Schulz. Nur wer das Amt des Bundeskanzlers unbedingt wolle, werde es auch bekommen. "Auf dem Weg in dieses Amt darf es keine Selbstzweifel geben. Nicht beim Kandidaten, aber auch nicht bei Euch."

Schulz konzentriert sich aufs Programm

Eine Forderung, die Martin Schulz sicherlich nicht unberührt lässt. Der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat geht indes mit keinem Wort auf das Wechselbad der Gefühle ein, das er in den vergangenen drei Monaten durchleben musste. Rund 80 Minuten redet Schulz auf dem Parteitag. Wirkt am Anfang noch etwas bemüht, um dann im Lauf der Rede Fahrt aufzunehmen. Es ist eine programmatische Rede, die sich einzig und allein mit dem Wahlprogramm, das in Dortmund zur Debatte steht, auseinandersetzt und mit dem Noch-Koalitionspartner CDU/CSU.

Martin Schulz über das Wahlprogramm: Das Beste, was die SPD zu bieten hat.Bild: Reuters/W. Rattay

Gleich zu Beginn geht Schulz hart mit Angela Merkel ins Gericht. Ein Meinungsforscher habe der Kanzlerin 2009 den taktischen Rat gegeben, im Wahlkampf keine konkrete Position zu beziehen und zu nichts Stellung zu nehmen. "Zugegeben, es war eine erfolgreiche Wahlkampftaktik", räumt Schulz ein, aber systematisch die Debatte um die Zukunft des Landes zu verweigern, führe dazu, dass Menschen nicht zur Wahl gingen. "In Berliner Kreisen nennt man das asymmetrische Demobilisierung. Ich nenne es: einen Anschlag auf die Demokratie."

"Zeit für mehr Gerechtigkeit"

Martin Schulz geizt nicht mit Inhalten. Ob Steuer, Rente, Bildung oder Infrastruktur – akribisch hat die SPD in den letzten Wochen an ihrem Wahlprogramm gefeilt. Schulz verweist auf die SPD-Forderungen nach "Gebührenfreiheit von der Kita bis zur Hochschule", auf den "Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter" und auf "Familienzeit, damit Familien wieder mehr gemeinsame Zeit haben". Außerdem trete die SPD für Lohngleichheit von Männern und Frauen ein und "für ein Steuersystem, durch das die kleinen und mittleren Einkommen entlastet werden".

Die SPD wolle für mehr Gerechtigkeit sorgen und durchsetzen, dass "starke Schultern mehr tragen müssen". Dazu gehöre auch, dass Krankenversicherungsbeiträge "wieder zu gleichen Anteilen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gezahlt" würden. Bei der Rente werde die SPD das heutige Rentenniveau stabilisieren, aber auch dafür sorgen, "dass die jüngere Generation nicht über Gebühr belastet wird". Die Union hingegen habe vor, das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre anzuheben, wolle das aber vor der Wahl nicht sagen. Schulz hingegen sagt ganz klar, was er will und was nicht. "Ich werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem die Ehe für alle nicht verankert ist", ruft er unter dem Beifall von Delegierten und Parteitagsgästen.

Mit heißem Herzen für Europa

Nach einer knappen Stunde zieht sich der Kanzlerkandidat das Sakko aus. "Ist das heiß hier." Er hat sich in Fahrt geredet, wirkt jetzt auch überzeugender. "Die Macht der Profitmaximierung ohne jede Rücksicht zerstört die Würde des Menschen", beschreibt Schulz den Status Quo aus der Sicht der SPD. "Diese Kräfte zu zivilisieren, ist die Aufgabe der Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert." Deutschland stehe vor einer Richtungsentscheidung.

Zum Schluss geht Schulz noch auf sein Lieblingsthema ein. Europa befinde sich im Umbruch und müsse neu gegründet werden. "Als Ort der Aufklärung, der Menschenrechte, der Abrüstung, des zivilisatorischen Fortschritts, der Umwandlung der entfesselten Kräfte der Ökonomie im digitalen Zeitalter in sozialen Fortschritt", so der frühere EU-Parlamentspräsident. Für viele der innenpolitischen Themen, die er vorgestellt habe, lohne es sich, Wahlkampf zu machen, so Schulz. Für die europäische Idee aber "lohnt es sich, mit heißem Herzen zu kämpfen".

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