"Wal von London" wird teuer
17. September 2013Das Debakel um den 6,2 Milliarden Dollar hohen Spekulationsverlust dürfte JPMorgan Chase weiteres Geld kosten. Amerikas größtes Geldhaus steht offenbar kurz vor einem Vergleich mit den Behörden. Eine mit dem Vorgang vertraute Person sagte am Montag, im Fall des als "Wal von London" bekanntgewordenen Händlers Bruno Iksil werde eine Zahlung von etwa 700 Millionen Dollar (etwa 524 Millionen Euro) angestrebt.
Die Finanznachrichten-Agentur Bloomberg schrieb unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen sogar von mehr als 750 Millionen Dollar. Die Einigung hänge davon ab, wie sich die einzelnen Vereinbarungen mit mehreren Regierungsbehörden koordinieren ließen.
Risikokontrollen ungenügend
Aufsichtsbehörden in den USA und Großbritannien wollen das Wall-Street-Haus für mangelhafte Risikokontrollen zur Verantwortung ziehen, berichteten unter anderem das "Wall Street Journal" und die "New York Times". Die Strafen könnten im Rahmen von Vergleichen noch in dieser Woche verkündet werden, hieß es. Möglicherweise müsse die Bank dabei auch ein Fehlverhalten einräumen. JPMorgan selbst äußerte sich zunächst nicht.
Eine Londoner Abteilung hatte den Milliardenverlust mit Derivategeschäften angehäuft. Der Londoner Händler Bruno Iksil hatte mit riskanten Derivate-Geschäften 6,2 Milliarden Dollar verspekuliert und wegen der marktbewegenden Größe der Verlust-Geschäfte den Spitznamen "Wal von London" verpasst bekommen. Das Ausmaß des Desasters blieb der New Yorker Zentrale lange verborgen.
Bankchef Jamie Dimon geriet in der Affäre unter Druck und nahm einen Gehaltseinschnitt in Kauf. Die zuständige Investmentchefin Ina Drew musste gehen. Erst im August klagte die Staatsanwaltschaft von Manhattan zudem zwei ehemalige Londoner JPMorgan-Banker an. Diese hätten die aufgelaufenen Verluste verschleiert, so der Vorwurf.
Vom Vorbild zur Zielscheibe
JPMorgan Chase galt zu Zeiten der Finanzkrise noch als amerikanisches Vorzeigeinstitut. Spätestens seit dem Desaster sind die New Yorker aber zur Zielscheibe der Bankenschelte in den USA geworden, zumal Dimon als einer der größten Kritiker der Bankenreform von Präsident Barack Obama gilt. Den eigentlichen Verlust hatte JPMorgan dabei gut verkraftet: Im vergangenen Jahr blieb trotzdem noch ein Rekordgewinn übrig.
JPMorgan muss derzeit an vielen Fronten kämpfen. Unter anderem geht es um den Vorwurf von Betrügereien bei Hypothekenpapieren sowie beim Referenzzinssatz Libor. Wegen der mutmaßlichen Manipulation des US-Strommarkts zahlte JPMorgan im Rahmen eines Vergleichs bereits 410 Millionen Dollar an die zuständige Aufsichtsbehörde, ohne indes eine Schuld einzuräumen.
iw/li (dpa, rtr)