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Wirtschaft im Wandel

Henrik Böhme1. Oktober 2012

Oftmals dauert es lang, bis sich wirtschaftliche Strukturen ändern. Doch manchmal geschieht es sehr schnell: wie in Teilen Ostdeutschlands nach der Wiedervereinigung der Republik.

Kolonne aus Trabant-Autos Foto: Lucas Dolega (EPA)
Bild: picture-alliance/dpa

Eigentlich ist das ja nichts Besonderes: Die Volkswirtschaften der Industrienationen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gewandelt: Weg von der Industrie, hin zu den Dienstleistungen. Beschleunigt wurde und wird dieser Prozess, den man auch Strukturwandel nennen kann, durch den weltweiten Wettbewerb, den man auch Globalisierung nennen kann. Wie gesagt, nichts Besonderes - und keine Sache, die von heute auf morgen vonstatten geht.

Das Ende einer Industrie

Doch es gibt in der Geschichte auch einen solchen Wandel, der quasi über Nacht kam und - gemessen in historischen Dimensionen - mit einer rasanten Geschwindigkeit vonstatten ging. Die Rede ist von der deutschen Wiedervereinigung. Vier Monate vor dem historischen Zusammenkommen der beiden deutschen Staaten am 3. Oktober 1990 hatte die Währungsunion - also die Einführung der D-Mark auf dem Staatsgebiet der DDR - das Ende der dortigen Volkswirtschaft besiegelt. Die Lohn- und Herstellungskosten für die Firmen zwischen Rostock und Dresden vervielfachten sich, der Absatz selbst lukrativer Betriebe brach schlagartig ein.

Die Volkswirtschaft der DDR war stark von der Industrie geprägt, hingegen war der Dienstleistungssektor verschwindend gering und unbedeutend. Währungsunion und Wiedervereinigung bedeuteten aus wirtschaftlicher Sicht das Ende der Industrie in Ostdeutschland. Ein Strukturwandel über Nacht nahm seinen Lauf.

Run auf die D-Mark: Dresdner nach der Währungsunion 1990Bild: picture alliance/dpa

Das große Experiment

Was dann folgte, kann man als gigantisches Experiment bezeichnen: Die Umwandlung einer Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft, die Verschiebung der wirtschaftlichen Kräfte von der Industrie hin zum Dienstleistungssektor. Und das alles in möglichst kurzer Zeit. Das Instrument dafür war die sogenannte Treuhandanstalt. Sie sollte 14.000 Unternehmen, dazu Grundstücke, Wälder, Flächen der untergegangenen DDR privatisieren. Das gelang nur bedingt: Zweieinhalb Millionen Menschen verloren ihren Job, nur die Hälfte der Unternehmen wurde verkauft – oft unter Wert. Nach viereinhalb Jahren blieb ein Schuldenberg von umgerechnet 137 Milliarden Euro.

Kein totes Land

Und dennoch ist Deutschlands Osten heute, 22 Jahre nach der Wiedervereinigung, kein totes Land. In einigen Regionen wie im Mitteldeutschen Chemiedreieck in Sachsen-Anhalt oder im Wartburgkreis Eisenach in Thüringen hat die Industrie einen Anteil an der Wertschöpfung von über einem Drittel. Davon kann die Mehrheit der Regionen in Westdeutschland nur träumen. Mehr noch: Der Westen Deutschlands bewegt sich nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) immer mehr von der Industrie- zur Dienstleistungswirtschaft. Die Quote der Industrialisierung zwischen Ost und West nähert sich immer weiter an.

Von der Plan- zur MarktwirtschaftBild: picture alliance/akg-images

Das heißt nicht, dass nun alles gut ist in den ostdeutschen Bundesländern. Noch immer sind dort mehr Menschen ohne Job als in den westdeutschen Bundesländern, die Wirtschaftsleistung Ost ist noch lange nicht auf West-Niveau. Erfreulich dennoch, dass immer mehr junge Menschen in Ostdeutschland einen Ausbildungsplatz in ihrer Region finden und dafür nicht in den Westen umziehen müssen. Der Wandel, der über Nacht begann, der dramatisch war für Millionen Menschen, er wird weitergehen.

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