Wandel durch Handel
29. April 2009Deutsche Welle: Herr Caspary, warum handelt es sich um ein Interimsabkommen?
Daniel Caspary: Es handelt sich um ein Interimsabkommen, weil wir auf dem Weg sind, ein vollkommenes Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit Turkmenistan abzuschließen. Ein erster Schritt wird sein, die Handelsbeziehungen im Rahmen des Interimsabkommen auf neue Füße zu stellen, um dann in einem zweiten Schritt alle anderen Themen, die noch in Zukunft anstehen, auch abhandeln zu können.
Warum hat es elf Jahre gedauert, bis das Europäische Parlament diesem Abkommen zugestimmt hat?
Im Europäischen Parlament besteht große Sorge über die Situation der Menschenrechte und die demokratische Lage in Turkmenistan. Menschenrechte, Demokratie und Freiheitsrechte spielen bei uns im Europäischen Parlament zu Recht eine große Rolle. Die Mehrheitsmeinung im Parlament war bisher, dass man Verbesserungen in Turkmenistan dadurch erreichen kann, dass man nicht mit Turkmenistan spricht. Ich freue mich sehr, dass es mir gelungen ist, für meinen Weg eine Mehrheit im Parlament zu finden, nämlich zu sagen: wir wollen mit Turkmenistan Beziehungen aufbauen, wir wollen Wandel durch Handel, wir wollen mit der turkmenischen Regierung im Gespräch sein. Denn nur im gemeinsamen Dialog, wenn man es schafft, Vertrauen aufzubauen, kann man tatsächlich auch enge Beziehungen schaffen.
Was steht in dem Interimsabkommen?
Inhaltlich geht es vor allem darum, dass wir die Meistbegünstigungs-Klausel einführen. Das heißt: Handelsbeziehungen mit Turkmenistan werden künftig quasi zollfrei und ohne sonstige Einschränkungen möglich sein. Turkmenistan wird sich verpflichten, im Zeitraum von fünf Jahren deutliche Verbesserungen im Bereich des Urheberrechts einzuführen. Wir wollen gegenseitige Amtshilfe in Zollangelegenheiten schaffen. Wir wollen grundsätzlich den Handel im Einklang mit den WTO-Vorschriften weiter liberalisieren.
Welche Interessen verfolgt die EU in Turkmenistan?
Wir als Europäische Union wollen enge Beziehungen mit Turkmenistan haben. Turkmenistan ist ein Land, in dem wir als EU sehr große Interessen haben. Turkmenistan hat für die EU einiges zu bieten. Wenn man bedenkt, dass wir mit diesem wichtigen Land in Zentralasien immer noch quasi ein auf Sowjetzeiten beruhendes Abkommen in Kraft haben, dann sieht man, wie dringend notwendig es ist, 20 Jahre nach Zusammenbruch der kommunistischen Diktatur in der Sowjetunion endlich unsere Beziehungen auf neue Füße zu stellen. Turkmenistan spielt für uns strategisch eine große Rolle, in der unmittelbaren Nachbarschaft zu Afghanistan, Iran und den anderen zentralasiatischen Staaten. Zum zweiten spielt für uns zweifelsohne auch das Thema Energie eine große Rolle, auch hier kann Turkmenistan der EU sehr stark weiterhelfen.
Bedeutet das Abkommen nun, dass das Europäische Parlament eine Verbesserung bei der Lage der Menschenrechte in Turkmenistan sieht?
Durch den neuen Präsidenten haben wir deutliche Verbesserungen in Turkmenistan, die uns auch von den Vertretungen der europäischen Mitgliedsstaaten, die in Turkmenistan vorhanden sind, regelmäßig berichtet werden. Wir haben in den vergangenen Jahren als EU mit den turkmenischen Verantwortlichen viel zu wenig gesprochen. Wer sind denn die Gesprächspartner der turkmenischen Regierung bisher gewesen? Aus meiner Sicht ist es sehr offensichtlich, dass die Turkmenen von den kommunistischen Diktatoren in China sicher nicht lernen, welche Chancen in Demokratie, in der sozialen Marktwirtschaft liegen. Wenn man das lernen kann, dann im Gespräch mit der EU. Deswegen ist es notwendig, dass wir die Isolierung beenden, die wir mit Turkmenistan in den letzten Jahrzehnten de facto hatten, dass wir endlich in einen Dialog kommen und wirklich gemeinsam von einander lernen. Denn auch wir als EU können einige Dinge aus Turkmenistan lernen. Diesen Weg wollen wir im Rahmen dieses Abkommen gehen. Aber wir haben auch Schutzklauseln eingeführt. Sollte wider Erwarten die Situation der Menschenrechte in Turkmenistan schlechter werden, können wir von diesem Abkommen auch zurücktreten, es aussetzen oder kündigen.
Das Gespräch führte Natalja Posdnjakowa
Redaktion: Markian Ostaptschuk