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Wandel in Spaniens Landwirtschaft

Stefanie Claudia Müller Madrid
27. Juli 2024

Viele spanische Bauern haben noch gar nicht realisiert, was der Klimawandel für sie bedeutet. Derweil schreitet die Industrialisierung des landwirtschaftlichen Sektors weiter fort - doch das Hauptproblem bleibt.

Hopfenblüten
Hopfenblüten in einem Gewächshaus im galizischen ChantadaBild: Ekonoke

LED-Lampen simulieren das Sonnenlicht und scheinen in bunten Farben auf die sieben Meter in die Höhe gewachsenen Hopfen-Pflanzen. Nach einigen Stunden erlöschen sie und es ist stockdunkel, obwohl es draußen noch hell ist. Alle Gewächse stehen ordentlich nebeneinander in einer alten Fabrikhalle in Chantada im Norden Spaniens.

Keine Pilze oder Keime, weder Hitze, Sturm, Hagel oder Starkregen können dem sensiblen Hanfgewächs hier etwas anhaben. Ab 2025 kann hier jede Woche geerntet werden und nicht nur einmal im Jahr wie auf dem Feld. Eine Nährlösung sorgt für die optimale Versorgung, eine Klimaanlage für die richtige Temperatur.

Das spanische Startup Ekonoke glaubt, dass diese Art von Indoor-Farming für bestimmte Agrarprodukte die einzige Überlebenschance ist. "Dazu gehört der Hopfen als wesentlicher Bestandteil des Bieres," sagt Inés Sagrario, die das Projekt vorstellt.

Die 50-Jährige gehört zu den vier Gründern des 1000-Quadratmeter groβen Pilotprojektes, auf das derzeit viele internationale Brauereien schauen, auch deutsche Hopfenpflanzer. Für das besonders unter dem Klimawandel leidende Spanien könnte der viel geringere Wasserverbrauch beim Indoor-Farming überlebenswichtig werden.

Dank Klimawandel ein immer seltener werdendes spanisches Idyll: Olivenbaum in der Extremadura Bild: Michael Busselle/robertharding/IMAGO

Die Konzentration nimmt zu

Sagrario hat viele Jahre in der Unternehmensberatung gearbeitet und glaubt, dass die globalen Lieferketten nie wieder so funktionieren werden wie vor der Pandemie: "Das hat mit dem Ende der fossilen Energien, aber auch mit neuen geopolitischen Konflikten sowie mit dem Klimawandel selbst zu tun. Deswegen muss der landwirtschaftliche Anbau immer näher an der Produktion liegen und alles in Kreislaufwirtschaft funktionieren", erklärt sie.

Da Spanien nicht auf seine Rolle als Garten Europas verzichten will, wird auch an Orten wie El Ejido in Andalusien schon jetzt mithilfe von Firmen wie Syngenta an Lösungen gearbeitet, wie zukünftig unter Plastikfolien, in Gewächshäusern und mit Hydroponik (Pflanzenzucht ohne Boden), Gurken, Tomaten und Salat angebaut werden könnten. Die Pflanzen sollen vor dem immer wechselhafteren und wärmeren Wetter geschützt sein. Syngenta richtete dafür dort ein Entwicklungs-Zentrum ein.

Teurer Sonnenschutz beim Obstanbau in der katalonischen Provinz LleidaBild: Stefanie Claudia Müller

Technologisierung der Landwirtschaft

In Spanien ist Indoor-Farming noch eine Neuheit, obwohl es gerade hier sinnvoll sein könnte. "Überall gibt es Probleme mit schädlichen Umwelteinflüssen und sinkenden Erntevolumen, was die Preise verschiedener Basis-Produkte immer wieder kurzfristig in die Höhe treibt", erklärt Sagrario. Der Preis für Olivenöl liegt derzeit bei rund zehn Euro die Literflasche. Bei Orangen gab es in diesem Jahr ebenfalls Ausschläge.

Zwar habe es im ersten Halbjahr 2024 mehr geregnet als im Vorjahr, "aber es haben noch nicht alle Konsumenten und Bauern verstanden, dass die Vorhersehbarkeit des Wetters und klare Jahreszeiten zur Vergangenheit gehören. Wir müssen uns auf konstante Schwankungen einstellen und unseren Anbau dementsprechend anpassen", sagt Juan Antonio Polo, Technologieexperte des in Madrid ansässigen International Olive Council (IOC).

Keimfreie Aufzucht: Schweinezucht im Tech Hof der Vall Companys im katalonischen LleidaBild: Stefanie Claudia Müller

Schweinezucht der Zukunft

Der katalanische Lebensmittelproduzent Vall Companys versucht, aus der Not eine Tugend zu machen. Die Katalanen sind mit einem Umsatz von über vier Miliarden Euro in 2023 inzwischen europaweit Branchenprimus. Sie haben sich schon vor 20 Jahren für ein integratives Modell entschieden, bei dem der Bauer nur noch ein Angestellter des Konzerns ist.

Wie bei Ekonoke ist der Besuch ihres sogenannten Hofes 5.0 in Lleida wie ein Blick in die Zukunft. In Gruppen von neun Tieren pro Stalleinheit werden hier insgesamt 3300 Schweine gehalten, umgeben von sehr viel Technik: "Viel Platz haben sie nicht", gibt der Technologie-Verantwortliche Joaquín Terés zu.

Ihr Gewicht wird beim Fressen automatisch gemessen, ihre Atmung per Sensor kontrolliert. "Von der Besamung bis zum Verkauf haben wir bei der Schweinefleischproduktion alles in der Hand. Der Bauer bekommt unsere Technik und arbeitet gegen Gehalt für uns", erklärt Terés im Gespräch mit DW.

Das eigens hergestellte Futter sorge dafür, dass die Schweine weniger Nitrate ausscheiden würden, die giftig für den Boden und das Grundwasser sind. Auf den ersten Blick ist hier alles sauber auf dem "Hof 5.0". Nicht alle Höfe der Gruppe sind wie dieser in Lleida, aber alle sollen irgendwann dort hinkommen.

Was Vall Companys macht, machen andere spanische Wettbewerber wie Campofrío oder El Pozo längst. Auch deswegen ist Spanien innerhalb weniger Jahre zu einem der weltweit führenden Schweinefleisch-Produzenten geworden und kann Fleisch durch die Effizienz der kontrollierten Produktionsketten billiger anbieten.

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Wasser - das ewige Problem

Auch wenn der spanische Agrar-Ökonom Francesc Reguant glaubt, dass neue Bewässerungstechniken, unter anderem mit wiederaufbereitetem Wasser, sich für fast alle Anbauarten durchsetzen wird, werde Wasser ein Problem für die Spanier bleiben, wie er in einer Studie schreibt. Denn wo es herkommen soll, ist nicht klar, da Entsalzungsanlagen immer noch zu teuer sind, Regenfälle immer unvorhersehbarer werden und gleichzeitig der Grundwasserspiegel sinkt.

Nachhaltiges Indoor-Farming hält der spanische Agronom Rafael Álvarez in großem Umfang nicht für wirtschaftlich: "Es macht derzeit nur Sinn bei knappen Produkten wie Hopfen oder Kakao. Es muss dahinter eine Industrie stehen, welche die Anfangsinvestitionen trägt, sonst kann es sich nicht amortisieren", sagt er im Gespräch mit der DW.

Ekonoke hat es geschafft. Denn mit der Brauerei Hijos de Rivera, die auch das Bier Estrella Galicia braut, haben sie bereits einen finanzkräftigen Kunden an der Seite: "Sie haben von Anfang an an uns geglaubt," sagt Inés Sagrario. Auf die Zukunft des Agrarsektors im Allgemeinen sieht sie aber mit einiger Skepsis: "Die spanische Landwirtschaft und die Konsumenten haben noch gar nicht verstanden, was da auf uns zukommt mit dem Klimawandel."

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