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Wanderer zwischen den Welten

15. Januar 2002

Jordanien besteht fast nur aus extrem dünn besiedelten Trockengebieten: der Badia. Hier leben die Beduinen in einem extrem empfindlichen Ökosystem.

Beduinen in der jordanischen WüsteBild: AP

Die Badia, was so viel heißt wie "Am Anfang" gab den Bewohnern dieser Gebiete, den Beduinen, ihren Namen. Seit Tausenden von Jahren leben die Beduinen zwischen der arabischen Halbinsel und dem Heiligen Land mit ihren Schafen, Ziegen und Kamelen im Einklang mit der Natur. Doch die Zeiten ändern sich. Das politische Pulverfaß Naher und Mittlerer Osten, Israel und der Dauerkonflikt um Palästina, haben Hunderttausende von Menschen entwurzelt und zu Flüchtlingen gemacht. Und die meisten dieser Flüchtlinge strömten nach Jordanien. Zusammen mit einer hohen Geburtenrate führte dies binnen weniger Jahre zu einer Bevölkerungsexplosion. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Beduinen und ihren Lebensraum, die Badia.

Alternative Einkommensquellen

Bild: AP

Vor rund 30 Jahren wurden immer Menschen in der Region von Viehhaltern zu Viehhändlern. Ein Viehhalter weiß um die vorhandenen Möglichkeiten der Natur. Er kennt seine Grenzen und verhält sich dementsprechend. Aber ein Händler hat ganz andere Interessen. Er will das schnelle Geld machen. Er kauft in den benachbarten Ländern billige Lämmer und importiert sie. Das heißt, die Zahl der Schafe und Ziegen steigt, und das empfindliche Land wird überweidet. So war die Lage in den vergangenen Jahrzehnten und hat schwerwiegende Probleme verursacht. Aber in jüngster Zeit wurden Maßnahmen eingeleitet, um das Schlimmste zu verhindern.

Dazu gehörte vor allen Dingen die merkliche Verringerung der Subventionen für Futtermittel. Damit ging die Anzahl der Schafe und Ziegen fast schon automatisch zurück. Für die Beduinen bedeutete dies jedoch einen schmerzhaften Einschnitt, denn die Tiere gehören untrennbar zu Ihrer Kultur. Doch nun mussten die Beduinen lernen, dass alternative Einkommensquellen auf Dauer mehr bringen als Schafe und Ziegen. Die zukunftsträchtigen Wirtschaftszweige Jordaniens sind Umwelt und Natur. Mohammad Shahbaz vom "Jordan Badia Research and Development Programme" erläutert: "Wir wollen nicht nur die Umwelt schützen, sondern auch auf erneuerbare Weise nutzen, zum Segen des Landes und der Bewohner der Badia. Das ist unsere Philosophie."

"Traditionelle Lebensformen"

Auch Projektleiter Salim al-Oun weiß - als Beduine und westlich gebildeter Wissenschaftler - um die Schwierigkeiten der Beduinen, sich zu ändern und an die modernen Entwicklungen anzupassen: "Die Beduinen in Jordanien schicken ihre Kinder in die Schule. Sie sind bereit, sich anzupassen. Sie besitzen Fernsehgeräte und Häuser, und die meisten von ihnen sind mittlerweile sesshaft. Aber es wird noch Jahrzehnte oder gar Generationen dauern bis sich die ethischen und moralischen Wertvorstellungen ändern. So geben sie die Viehhaltung nicht auf, ganz im Gegenteil. Einige Beduinen schaffen sich wieder Kamele an, was wirtschaftlich keinen Sinn macht. Aber man muss das dahinter stehende Wertesystem verstehen und Nachsicht üben. Denn die nächste Generation wird sich sicherlich von der traditionellen Lebensform verabschieden. Vielleicht werden sie sich dem 'Sanften Tourismus' zuwenden, den wir hier einführen wollen."

Bild: AP

"Sanfter Tourismus"

Im Naturschutzgebiet Dana Reserve gibt es bereits "Sanften Tourismus". Hier ragen Felsen bis zu 1500 m Höhe in den strahlend blauen Himmel. Schluchten liegen bis zu 200 m unter dem Meeresspiegel. Diese extremen Unterschiede haben ein fast einzigartiges Ökosystem geschaffen. In Dana wurde deshalb ein Zeltlager errichtet, in dem Öko-Touristen übernachten können. Dies soll auch in dem potentiellen Touristengebiet Badia geschehen, ist aber nur möglich, wenn die Beduinen mitmachen. Schon jetzt reisen die ersten Deutschen, Briten und Touristen aus anderen Ländern an.

Bild: AP

Die meisten Beduinen sind indes noch nicht imstande, ihren Lebensstil zu ändern. So auch Abu Shafi. Eine knappe Autostunde entfernt von der Ortschaft Safawi lebt er wie seine Vorfahren mit drei anderen Familien in einem großen Zelt. Ihn hat die Moderne nur an einem einzigen Punkt erreicht: Vor seinem Zelt parkt ein Lkw. Damit karrt er Wasser und Futter heran. Und wenn notwendig, transportiert Abu Shafi damit auch seine Schafe und Ziegen. Er weiß, dass die Lebensweise in Safawi wesentlich fortschrittlicher ist. Kinder anderer Beduinenfamilien lernen dort schon mit Computern umzugehen. Ihn selbst interessiert das alles nicht. Trotz der schwierigen Lebensumstände ziehen viele Beduinen das Leben in der Badia dem Stadtleben vor.

Kampf gegen Landverödung

Sowohl in der Stadt als auch auf dem Land hat sich die Wasserversorgung in den vergangenen Jahren durch anhaltende Dürreperioden erheblich verschlechtert. Um dieses Problem in den Griff zu kriegen oder zumindest abzumildern, muss das Konsumverhalten verändert und Wasser sparende Technologien eingesetzt werden. In Schulen, Moscheen und anderen Institutionen müssen Kinder und Erwachsene lernen, mit dem knappen und teuren Gut vernünftig und sparsam umzugehen.

In Jordanien hat der eigentliche Kampf gegen Landverödung und Wüstenbildung gerade erst begonnen. Dies ist in erster Linie den Umweltschützern aus allen Bevölkerungsschichten zu verdanken. Nun hat auch die Regierung den Umweltschutz als ein wichtiges Thema akzeptiert, um die Badia, das wirtschaftliche und kulturelle Rückgrat dieser kleinen Nation, zu erhalten. Für Salim al-Oun kann dies nur gelingen, wenn die Badia in staatlicher Hand verbleibt: "Die Regierung ermöglicht es den Beduinen, Eigentümer von Grund und Boden zu werden. Ich bin strikt dagegen, weil die Beduinen das erworbene Land an reiche Leute weiterverkaufen. Die wiederum verbrauchen viel zuviel Wasser und machen den Boden kaputt, was zur Landverödung beiträgt. Deshalb ist es wichtig, das Land als Staatseigentum zu belassen, um Landkauf in der Badia zu verhindern."

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