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"Die Leute kaufen nicht aus Mitleid"

Brigitta Moll11. Dezember 2012

Florian Hammerstein ist Geschäftsführer der Firma Original Food, die klimafreundliche Produkte vermarktet, wie Wildkaffee aus Äthiopien. Im Interview spricht er über unternehmerische Verantwortung.

Ein Mann trägt einen Korb frisch geernteter Kaffeebohnen auf seiner Schulter (Foto: ddp images/AP Photo/Moises Castillo)
Waldschutz soll sich für die Kaffeebauern lohnenBild: AP

Deutsche Welle: Ihr Unternehmen wurde zur Vermarktung des äthiopischen Wildkaffees gegründet. Gerade bauen Sie Projekte auf, auch Kakao aus Ecuador und Tee aus Nepal zu verkaufen. Was wollen Sie erreichen?

Florian Hammerstein: Wir wollen Produkte und Produktion von Kleinbauern so unterstützen, dass gleichzeitig die Natur geschützt wird. Es geht immer um den Zusammenhang zwischen Waldschutz und Waldnutzung. Ein Beispiel: Die Kakaopflanzen in Ecuador sind sehr alte Edelkakaopflanzen, die immer mehr verdrängt werden von den Pflanzen der großen Industrie-Kakaoplantagen. Die haben wesentlich mehr Ertrag aber wenig Geschmack. Die alten Sorten wachsen dagegen zwingend unter Wald, den brauchen sie als Schutz. Der Wildkaffee ist schwierig zu ernten; er muss von Hand im Wald gepflückt werden. Und die Erträge sind geringer. Dadurch, dass wir und der Verbraucher für diese Produkte einen hohen Preis bezahlen, lohnt sich das überhaupt für die Bauern.

Florian Hammerstein (li.) ist Geschäftsführer von Original FoodBild: Original Food GmbH

Welche Rolle spielt denn überhaupt die Vermarktung beim Zusammenspiel von Waldschutz und Waldnutzung?

Die Früchte des Waldes zu vermarkten, also dem Handel zuzuführen und einen hohen Preis dafür zu erzielen, ist natürlich bestechend – wenn es funktioniert. Der Schlüssel für erfolgreichen Waldschutz liegt ausschließlich beim Verkauf. Dafür brauchten wir erst einmal einen Markt. Das setzt also voraus, dass es Verbraucher gibt, die sich für solche Dinge interessieren, die wissen wollen, wo ihre Produkte herkommen, und die bereit sind, Geld dafür hinzulegen. Wenn wir die Produkte nicht verkaufen, geht die ganze Waldschutz-Idee baden, so gut sie auch gemeint ist.

Birgt der Waldschutz-Aspekt für ein Unternehmen besondere Herausforderungen?

Man muss als Unternehmer und Gesellschafter bereit sein, auf den Gewinn zu warten. Und zwar viel länger, als bei einer normalen Investition. Es gibt ein altes betriebswirtschaftliches Sprichwort, das heißt "Der Gewinn liegt im Einkauf", und das kann man auch herumdrehen: Der Verlust liegt im Einkauf. Wenn ich von Anfang an den Erzeugern einen hohen Preis zahle, damit sie eine hohe Motivation haben, die gemeinsamen Ziele zu verfolgen, dann muss ich erst einmal viel Geld für das Produkt zahlen. Das schiebt den Gewinn auf die lange Bank.

Teurer Kaffeegenuss: Wurde für sein Getränk Urwald gerodet?Bild: AP

Warum nehmen Sie das Warten in Kauf?

Ich sehe die Unternehmen in einer Verantwortung, die über bloßen Preis und Qualität hinausgeht. Der Einkauf hat immer auch eine moralische Seite, nämlich die Bedingungen der Menschen in den Erzeugerländern.

Es gibt nicht viele Unternehmen, die ihre Aufgabe auch im Waldschutz sehen. Wie haben Sie Ihre Geschäftsidee dennoch durchsetzen und Investoren überzeugen können?

Nur mit langem Atem und viel Energie. Vor eineinhalb Jahren hat eine unserer Banken gesagt: "Wir wollen Sie nicht mehr unterstützen. Wir haben das intern diskutiert, wir verstehen Ihr Geschäftskonzept nicht". Es ist vielleicht auch schwierig zu verstehen, dass wir nicht auf maximalen Gewinn innerhalb kürzester Zeit aus sind. Aber wenn ich die Erzeuger mitnehmen will, dann dauert es länger. Weil ich ihnen sofort die Möglichkeit geben muss, mehr Geld zu verdienen, sonst hätten wir den Waldabbau nicht so schnell bremsen können.

Bisher vermarkten Sie in Deutschland und der Schweiz – planen Sie, zu expandieren?

Ja, das planen wir. Grundsätzlich haben die klimafreundlichen Produkte in allen Industrieländern gute Chancen, weil dort das Einkommen höher ist. Dort kann man sich den Luxus leisten, auf etwas anderes als die Grundernährung zu schauen. Denn es ist ja eine Luxusdiskussion, wenn ich beim Kaffeekauf darauf achten kann, ob der "bio" oder klimafreundlich ist. Das kann ich mir nur leisten, wenn ich in einem gewissen Überfluss lebe. Ein sehr starker Markt dafür ist Großbritannien, die USA oder auch Schweden. Die sind da viel weiter als Deutschland. Deutschland ist in dieser Hinsicht ein Entwicklungsland, es gibt nur einen kleinen Markt für solche Produkte, der große Markt besteht aus Discount und Sonderangeboten.

Original Food will klimafreundlichen Kaffee und Tee an den Verbraucher bringenBild: AP

Welche Schwierigkeiten sehen Sie bei der Ausweitung auf andere Länder?

Die Produktionsmengen waren für uns in der Vergangenheit oft schwer einschätzbar. Wir brauchen vor allem kontinuierliche, verlässliche Lieferungen. Nur dann können wir eine größere Nachfrage durch neue Märkte tatsächlich bedienen. Im Moment können wir das, was wir bekommen, auch absetzen. Wir hatten jetzt eine schlechte Ernte, die uns zum ersten Mal in Lieferprobleme gebracht hat. Allerdings gibt es da auch ein natürliches Ende, denn grundsätzlich ist unser Kaffee, Tee, Kakao ja kein Massenprodukt. Ich schätze, wir können das Fünffache von der heutigen Menge erreichen, aber dann ist Schluss.

Kann Ihr Konzept für klimafreundliche Produkte ein Beispiel für andere Lebensmittel sein?

Ja, für andere, aber nicht für alle. Denn die Idee funktioniert so bestechend nur mit den qualitativ besten Ausgangsprodukten. Produkte verkaufen sich nicht dauerhaft über Mitleid, der Markt hier ist sozusagen kalt. Wenn wir keinen zusätzlichen Vorteil für den Verbraucher hier bieten, nämlich einen Geschmacksvorteil, dann wird der langfristig nicht bei dem Produkt bleiben. Sicher wird sich das bei dem einen oder anderen Projekt machen lassen. Aber Wald- und Klimaschutz verteuern die Produkte, und ohne die entsprechende Qualität zahlt keiner auf Dauer hohe Preise. Deshalb ist unsere Lösung nicht automatisch auch die Lösung für alle anderen.