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Politik

Wann legt die ELN die Waffen nieder?

27. Oktober 2016

Sie ist radikal und schlagkräftig: Kolumbiens zweitgrößte Guerilla ELN. Am 27. Oktober will die Regierung in Bogotá auch mit ihr Friedensgespräche aufnehmen. Bringt dies Bewegung in den stockenden Friedensprozess?

Kolumbien ELN
Bild: picture alliance/dpa/C. E. Mora

"Wenn es gelingt, einen Vertrag mit beiden Guerillas abzuschließen, reduziert sich die Gewalt im Land auf kriminelle Banden und auf paramilitärische Einheiten, die noch in vielen Regionen des Landes aktiv sind", kommentiert die spanische Tageszeitung "El Pais" begeistert die Ankündigung von neuen Friedensgesprächen in Kolumbien.

Doch politische Beobachter gehen davon aus, dass die Verhandlungen mit der zweitgrößten Nationalen Befreiungsarmee ELN (Ejército de Liberación Nacional) sich schwieriger gestalten als die Gespräche mit der Farc. Schon acht Präsidenten Kolumbiens haben versucht, mit der 1964 gegründeten Rebellenbewegung Frieden zu schließen - vergeblich.

Christliche Krieger?

Noch rund 2000 Mann soll die ELN noch unter Waffen haben. Die von dem kolumbianischen Befreiungstheologen und Priester Camilo Torres gegründete Guerilla versteht sich als eine Mischung aus Marxismus, Christentum und Nationalismus. Sie sieht sich als "Sprachrohr der unterdrückten Landbevölkerung".

Von der ELN im Mai entführt und mittlerweile freigelassen: die spanische Journalistin Salud Hernandez Bild: picture-alliance/dpa/J. Arevalo

Ursprünglich gingen Befürworter der Friedensverhandlungen davon aus, dass es sinnvoll wäre, gleichzeitig mit beiden Rebellengruppen, Farc und ELN, zu verhandeln, um am Ende zu einem einzigen großen Friedensvertrag zu kommen. Damit sollte verhindert werden, dass die ELN nach der Demobilisierung der Farc die Kontrolle in deren ehemaligen Gebieten übernehmen würde.

Doch seit dem Volksentscheid am 2. Oktober, als eine knappe Mehrheit der kolumbianischen Bevölkerung den Friedensvertrag mit der Farc ablehnte, scheint dieser Plan obsolet. Denn nicht nur die Differenzen zwischen Regierung und ELN werden immer deutlicher, auch die Unterschiede zwischen den beiden Guerillas selbst.

"Festhalten von Zivilisten"

"Während die Farc die politische Teilhabe als normale Partei anstrebt, lehnt die ELN die repräsentative Demokratie mit Wahlen und Parteien ab", erklärt Friedrich Kircher, Mitarbeiter von Caritas International in Bogotá. Sie verurteile das System als "Instrument für den Machterhalt der Oligarchie". Die ELN "will sich nicht in eine Partei verwandeln, sondern sieht sich als Avantgarde der Zivilgesellschaft".

Außerdem habe die ELN ein "grundsätzliches Problem mit Entführungen". "Noch vor einem Monat hat sie im Fernsehen Geiselnahmen von Zivilisten verteidigt", erinnert sich Kircher. "Sie nennt das schlicht 'Festhalten von Zivilisten', die eine Kriegssteuer bezahlen müssen, weil sie reich oder korrupt sind, oder weil sie zur Oligarchie gehören und deshalb einen finanziellen Beitrag zum Guerillakrieg leisten müssen." 

Mit der Waffe aufgewachsen: In den Reihen von Farc und ELN befanden sich viele Kindersoldaten Bild: picture-alliance/dpa/M. Duenas

Der Verhandlungsführer aufseiten der kolumbianischen Regierung, Juan Camilo Restrepo, machte deshalb unmittelbar vor dem Treffen am 27. Oktober in Quito unmissverständlich klar, dass nur verhandelt würde, wenn bis dahin alle Geiseln freigelassen seien. "Alle Aktivitäten, die Menschenrechte verletzen, müssen eingestellt werden", stellte der Ex-Minister und Schwager von Präsident Juan Manuel Santos klar.

Bischöfe bieten Vermittlung an

Die ELN wiederum hat die kolumbianische Bischofskonferenz um Unterstützung bei den Verhandlungen gebeten. Fünf Bischöfe aus den Konfliktregionen haben sich für eine eventuelle Vermittlung bereit erklärt. 

Nach Angaben der Stiftung "Fundación Paz y Reconciliación" hat die Zahl der Gewalttaten der ELN in den vergangenen Jahren erneut zugenommen. 2014 wurden 386 Gewalttaten registriert, zehn Prozent mehr als 2013. Neben regelmäßigen Entführungen zeigte die ELN ihre Schlagkraft durch Attacken auf die Energieversorgung und Überfälle auf Polizeistationen.

Obwohl die Guerilla in den vergangenen zehn Jahren 50 Prozent ihrer Soldaten verlor, blieb sie als Organisation erhalten. "Die ELN ist radikaler und ideologischer als die Farc, sie erscheint mir unberechenbar und weltfremd", bilanziert Caritas-Vertreter Kircher. "Es würde mich nicht wundern, wenn es vor den Präsidentschaftswahlen 2018 kein Friedensabkommen mit der ELN gibt."

Unter Zeitdruck 

Wie geht es weiter mit dem Friedensprozess in Kolumbien? Seit dem Referendum gegen den Friedensvertrag mit der Farc am 2. Oktober herrscht eine angespannte Stille. Zwar wurde der Waffenstillstand bis zum Jahresende verlängert und die Nachverhandlungen zum Friedensvertrag zwischen Regierung und Farc haben ebenfalls begonnen.

Am 10. Oktober kündigten die ELN und Kolumbiens Regierung die Aufnahme von Friedensverhandlungen anBild: picture-alliance/EFE/C. Hernandez

Doch ob bis zum Ende des Waffenstillstandes die Nachbesserungen am Friedensvertrag ausgehandelt sind, ist nicht sicher. Sicher ist hingegen, dass die politischen Handlungsspielräume für beide Seiten schrumpfen, je mehr Zeit verstreicht.

Schon jetzt verfügt die Regierung von Präsident Santos über Zustimmungswerte von gerade einmal 35 Prozent. Angesichts der von ihm angekündigten Steuerreform, mit der die sinkenden Erdöleinnahmen im Staatshaushalt ausgeglichen werden sollen, werden die Werte wohl noch weiter sinken.

Während Santos auf Verhandlungen mit der Guerilla setzt, würde sein politischer Gegenspieler Ex-Präsident Álvaro Uribe diese am liebsten militärisch besiegen. "Uribe hätte den Krieg 2012 weitergeführt, dann wären die Farc jetzt wahrscheinlich auf rund 1800 Männer zusammengeschrumpft", meint Günter Knieß, ehemaliger deutscher Botschafter in Bogotá. Doch vom Erfolg dieser Militärstrategie ist der Diplomat nicht überzeugt: "1800 Mann ist in etwa die Größe der ELN, doch die ELN ist auch nicht besiegt."

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