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Staudämme für die Energie- und Wasserversorgung sind umstritten

16. November 2011

Ob für Wasser-, Nahrungs- oder Energiesicherheit: Staudämme sind in vielen Ländern ein Schlüssel für Entwicklung. Trotz sauberer CO2-Bilanz in der Energieversorgung sind sie jedoch umstritten.

Proteste von Bürgern aus Brasilien vor der brasilianischen Entwicklungsbank in London am 2.3.2011 (Foto AP Photo/Matt Dunham)
Indigener Protest in London gegen Staudammprojekt im AmazonasBild: AP

Sie können Überschwemmungen verhindern, Trockenzeiten in der Landwirtschaft überbrücken und gleichzeitig klimafreundliche Energie produzieren: Staudämme werden weltweit als Schlüssel für Entwicklung gehandelt. Steigender Energiebedarf und unsichere Wasserversorgung für die Landwirtschaft haben weltweit Staudämme entstehen lassen. Mittlerweile gibt es mehr als 45.000 Großprojekte, fast die Hälfte davon in China, so die Internationale Kommission für Großstaudämme, ICOLD, mit Sitz in Paris.

Gigantisch und problematisch: Der Drei-Schluchten-Damm in ChinaBild: AP

China ist Vorreiter

Wie kein anderes Land setzt China auf Staudammprojekte, um den steigenden Energiebedarf zu decken und als Wasserreserve für die Landwirtschaft, die immer mehr Menschen ernähren muss.

Der Drei-Schluchten-Damm ist dabei das Paradebeispiel. Hauptargument für den Bau des Jahrhundertprojektes waren die Überschwemmungen mit Tausenden von Todesopfern, die der Fluss Jangtsekiang regelmäßig verursachte. Die Energieversorgung stand angeblich erst an zweiter Stelle. Mittlerweile wurde jedoch festgestellt, dass die Energiemaximierung und der Hochwasserschutz konkurrieren. Wenn die Stromversorgung optimal sein soll, muss der Stausee voll sein, um Überschwemmungen zu verhindern jedoch leer.

Entstanden ist nach 17 Jahren Bauzeit der leistungsfähigste Staudamm der Welt mit einer Leistung von 18.200 Megawatt. Die Wasserkraft produziert jährlich in etwa so viel Strom wie rund 9 Atomkraftwerke und spart schätzungsweise über 160 Millionen Tonnen Kohle im Jahr – und entsprechenden CO2-Emissionen. Die riesigen Schleusenkammern lassen auch Fracht- und Kreuzfahrtschiffe durch, die Voraussetzung einer Wirtschaftsentwicklung Flussaufwärts. Der aufgestaute See hinter die Staumauer erstreckt sich über 600 Kilometer.

Umweltflüchtlinge

Doch auf der Minus-Seite der Bilanz stehen zwischen 1,3 und zwei Millionen Menschen, die umgesiedelt werden mussten. Mehr als 2.500 Pflanzenarten und 330 Fischarten sind durch den Verlust des Lebensraumes bedroht, dazu noch 22 Tierarten, die bereits auf der Roten Liste stehen. Die Umweltschäden sind ungewiss und werden sich erst noch im Laufe der Zeit zeigen. Bis heute weiß keiner, ob die Flusssedimente, die sonst unterhalb der Anlage die Felder regelmäßig überschwemmten, nicht als Dünger fehlen werden. Die Selbstreinigung des Flusses beim wechselnden Wasserstand werde wegfallen, warnen viele Experten. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die Anlagen versanden, weil die Sedimente an der Staumauer abgelagert werden.

Probleme wurden nicht berücksichtigt

Der Müll ist für den Staudamm ein weiteres Problem: Flussaufwärts werfen rund 150 Millionen Menschen mangels Alternativen einen Großteils des Mülls in den Fluss. Auch neu entstandene Fabriken kippen zum Teil giftige Abfälle hinein. Die chinesische Regierung gab jetzt zu, dass die ökologischen und wirtschaftlichen Folgen nicht ausreichend von den Planern berücksichtigt wurden.

Weltweite Proteste stoppen Großprojekte

Protest gegen Staudammprojekt in der chilenischen Regionalhauptstadt CoyhaiqueBild: eldivisadero.cl

Der Drei-Schluchten-Damm Chinas zeigt beispielhaft, welche Probleme die klimafreundliche Stromerzeugung bei Mega-Projekten mit sich führen können. Die USA haben bereits angekündigt, dass sie keine Großstaudämme mehr bauen werden: Die ökologische Kosten sind zu hoch, heißt es.

Die Erfahrungen mit den Mega-Dämmen haben die Euphorie über saubere Energie und sichere Wasserreserven gedämpft. Weltweit rufen solche Großprojekte Proteste hervor. In Brasilien verhängte ein Gericht einen Baustopp für den Staudamm Belo Monte. Hier sollte am XIngu-Fluss im Amazonasgebiet das drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt entstehen.

Auch im südostasiatischen Burma (Myanmar) hat die Regierung die Planungen für ein Großkraftwerk am Irrawaddy gestoppt. Das Projekt, sei „gegen den Willen des Volkes“, sagte Präsident Thein in einer Erklärung. In Chile sind inzwischen 70 Prozent der Bevölkerung gegen das riesige Staudammprojekt Hidroaysen in Patagonien, das mit einer 2000 Kilometer langen Hochspannungstrasse Strom nach Santiago führen soll.

Langfristige Schäden

Bei Ägyptens Assuan-Damm – einst als Hochleistung der Ingenieurskunst gepriesen – sind die weiterreichenden Folgen heute sichtbar. Der Damm wurde 1971 fertig gestellt. Heute sind die Böden unterhalb des Staudamms versalzen, weil die jährlichen Überschwemmungen ausbleiben und weil sich im Delta das Grundwasser mit dem Meerwasser vermischt.

Umdenken: Klein statt groß?

Mit dieser Fotomontage protestieren Chilenen gegen die geplante 2000 km lange Stromleitung zwischen Patagonien und SantiagoBild: Patagonia sin represa

Bereits Ende 2000 warnte die eigens eingesetzte Weltkommission für Staudämme in seinem Bericht, dass der Preis für Großstaudämme zu hoch sei. Weltweit, so der Bericht, sind 40 bis 80 Millionen Menschen durch den Bau von Dämmen aus ihrer Heimat vertrieben worden, Umweltflüchtlinge dieser Technologie. Auch seien die Folgen für Umwelt und Klima zu wenig berücksichtigt. Jedoch, so auch der Bericht, können Staudämme ein wesentlicher Faktor sein, um Wasser- und Nahrungssicherheit, sauberen Strom und Katastrophenvorbeugung sicher zu stellen.

Allerdings, so der Bericht, müssen ökologische und soziale Folgen stärker als bisher berücksichtigt werden und der Lokalbevölkerung eine Möglichkeit gegeben werden, über Großprojekte mit zu entscheiden. Der Bericht empfiehlt außerdem, dass auch kleine, lokale Projekte geprüft werden. Projekte, die eben nicht so gravierende Folgen für Menschen und Umwelt haben und dennoch zur Energie- und Wasserversorgung auf lokaler Ebene beitragen können.

Autorin: Helle Jeppesen
Redaktion: Gero Rueter

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