Ende der Geduld
12. Oktober 2013Die Wolken hängen tief über dem Domberg. Kein Lüftchen weht. Touristen strömen wie jeden Tag die gepflasterte Straße hinauf. Kameras klicken. Doch anders als sonst richten sich die Objektive nicht auf die siebentürmige, zwischen Spätromanik und Gotik schwankende Kathedrale, die sich doch so gebieterisch über die Altstadt von Limburg erhebt. Die Attraktion ist der neue Bischofsitz.
Mindestens 31 Millionen Euro soll der Bau verschlungen haben. "Unvorstellbar" findet das Ortwin Schäfer. Er ist Rentner und kommt aus Lebach im Saarland. Mehr als 28 Jahre hat er als Pfarrverwaltungsrat die Finanzen seiner kleinen katholischen Gemeinde überwacht. So etwas wie in Limburg hat er noch nicht erlebt. "Wir mussten mit jedem Pfennig knausern", erinnert er sich und zeigt auf den Limburger Bischofsitz: "Das ist dem kleinen Mann ins Gesicht geschlagen. So eine Verschwendung. Ich finde das ganz grausam!" Der Rentner wundert sich, woher das viele Geld stammt. Vermutlich kam der dickste Batzen der Bausumme aus dem Privatbesitz des Bischofsstuhls, über den allein der Bischof verfügt: "Das muss von höchster Ebene geändert werden", verlangt Schäfer.
Mehr Kirchenaustritte als sonst
Fröhliches Lachen weht herüber. Vor dem stählernen Rolltor der Bischofsresidenz, das natürlich verschlossen ist, haben Elvira Löhr und Jutta Hetzel Aufstellung genommen. Ein Bekannter knipst die Frauen für das Familienalbum. "Manchen fällt es schon schwer, die Kirchensteuer zu zahlen", sagt Elvira Löhr."Wenn dann einer so das Geld zum Fenster rauswirft, kann ich schon verstehen, wenn die Leute aus der Kirche austreten." Was sie nicht weiß: Allein an diesem Donnerstag sind nach Angaben des Limburger Amtsgerichts 20 Katholiken ausgetreten. Üblich sei ein Austritt alle zwei Tage.
Er ist schon vor längerer Zeit ausgetreten: Christian Zimmer hat sich auf ein Mäuerchen zu Füßen des Doms gesetzt. Vor ihm steht der Kinderwagen mit seinem schlafenden Baby. Soll der Bischof abtreten? Der junge Mann lacht: "Wenn das denn so kommt, macht es Sinn", sagt er."Wenn es denn eine glaubwürdige Kirche sein soll, wäre das wohl der richtige Schritt!" Für Leute, die in der Kirche engagiert sind und die christliche Werte vertreten, brauche es Demut und nicht Prasserei wie in diesem Fall. "Hoffentlich", fügt er schmunzelnd hinzu, "fliegt der Bischof erste Klasse!"
Bischof Tebartz-van Elst ist nach Rom geflogen , um Gespräche im Vatikan zu führen. Auf einen Brief an die Gläubigen, den er an diesem Wochenende veröffentlichen wollte, verzichtete er, auf einen öffentlichen Gottesdienst ebenso. Am Sonntag wurde auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, in Rom erwartet. Zuvor ist Zollitsch auf Distanz zu Tebartz gegangen. Er könne "die Enttäuschung der Menschen im Bistum Limburg gut verstehen". Die Staatsanwaltschaft Limburg prüft derweil einen Untreueverdacht gegen den Limburger Bischof. Immer mehr Vertreter von Kirche und Politik legen Tebartz den Rücktritt nahe. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, nannte Tebartz in einem Zeitungsinterview eine "Belastung für die katholische Kirche in ganz Deutschland". Es wird eng für den Limburger Bischof.
Geld hätte auch in Weltkulturerbe investiert werden können
Unentwegt kreist ein Kleinflugzeug über dem Domberg. Vermutlich ist es ein Fernsehteam, das aus der Vogelperspektive filmt. Fritz Keil, der aus Halle in Sachsen-Anhalt kommt, bleibt unbeeindruckt. "Ein Ding der Unmöglichkeit", findet er, dass die Bausumme des Bischofsitzes um ein Vielfaches überschritten wurde, während der benachbarte Dom, das Weltkulturerbe, dringend saniert werden müsste. "So ein Anstieg der Kosten kommt doch nicht überraschend", weiß Keil, der aus der Baubranche kommt und Erfahrung mit Bauprojekten hat. "Da muss ein Bauherr, wenn zusätzliche Leistungen erforderlich sind, noch mal zustimmen. Da müssen Kontrollgremien beraten: Ist das überhaupt nötig? Ist das Geld sinnvoll angelegt?" Fritz Keil tun die Katholiken von Limburg leid, über die sich jetzt Spott ergieße.
Mehr als 60 Wohnhäuser für Bedürftige hätte man für 31 Millionen Euro errichten können, hat Heide-Marie Eisenmengers Mann errechnet. Sie ist gebürtige Limburgerin und über die Amtsführung des Bischofs zutiefst empört. Tebartz-van Elst führe sich auf wie ein Fürstbischof im Mittelalter: "Ich bin das Oberhaupt, ich bin näher an Gott. Und Ihr seid alle im Staub." Doch da habe sich der Bischof getäuscht: "So ist es nicht. Wir sind keine Kriecher mehr, die im Staub hängen. Das Kirchenvolk ist heute selbstbewusst!" Die Kirche verlassen möchte Heide-Marie Eisenmenger auch deshalb nicht: "Ich glaube ja nicht an unseren Bischof, sondern an meinen Herrgott, sonst wäre ich längst weg!"
Noch ist es windstill in Limburg. Noch ist der frische Wind, für den Papst Franziskus im Vatikan gesorgt hat, nicht in der hessischen Bischofstadt angekommen. Ilona Biegel stemmt die Fäuste in die Hüfte. Sie erwartet ein Machtwort vom neuen Hoffnungsträger der Katholiken. "Papst Franziskus lebt uns ja vor, dass er bescheiden ist. Er muss jetzt reagieren. Sonst macht er sich unglaubwürdig!"