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Politik

Warum Afrika bei der Mindeststeuer zögert

29. Oktober 2021

Die globale Mindeststeuer sollte etwas Steuergerechtigkeit bringen. Doch nicht einmal jedes zweite afrikanische Land ist an Bord. Zuletzt sind Kenia und Nigeria abgesprungen - denn die Reform hat ihre Tücken.

Skyline Nairobi
Finanzzentrum Nairobi: Kenia OECD-Reformplänen nicht mehr dabeiBild: Thomas Imo/picture alliance/photothek

Kenia und Nigeria sind in letzter Minute abgesprungen: Die beiden wirtschaftlichen Schwergewichte am Horn von Afrika beziehungsweise am Golf von Guinea haben lange abgewogen, ob sie mitmachen wollen bei den globalen Steuerreformen, die zum Ziel haben, dass multinationale Konzerne ihre Gewinne nicht mehr ohne Weiteres in Niedrigsteuerländer verschieben können. Das Reformprojekt sieht vor, unter dem Dach der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine weltweite Mindeststeuer einzuführen und jene Länder teilweise an den Steuereinnahmen zu beteiligen, in denen die Gewinne tatsächlich erzielt werden.

Doch nach der Absage von Kenia und Nigeria sind nur noch 23 afrikanische Staaten unter den 136 Ländern weltweit, die das Großprojekt mittragen, darunter etwa Südafrika, der Senegal und Ägypten. Anders gesagt: Gut die Hälfte der afrikanischen Länder ist nicht dabei - und kurz bevor das Projekt finalisiert wird, mehren sich die Rufe nach einer für Afrika günstigeren Alternative.

Der "Deal der Reichen"

"Es gibt einen Grund, warum dieser Deal als 'Deal der Reichen' bezeichnet wird", sagt Tove Ryding vom Europäischen Netzwerk Schulden und Entwicklung (Eurodad). "Es bevorzugt sehr klar die Heimatländer, in denen multinationale Konzerne ihren Hauptsitz haben. Es ist aus internationaler Sicht sehr ungesund, dass das Heimatland den Löwenanteil der international anfallenden Steuern erhalten soll. Und es herrscht weitgehende Einigkeit, dass für Entwicklungsländer kaum Geld aus dem Deal herausspringt", sagt Ryding, die die Steuerreformen der OECD seit Jahren begleitet, im DW-Interview.

Die Grundidee der Steuerreformen, die in diesem Monat finalisiert wurden und beim G20-Treffen an diesem Wochenende noch einmal Thema sein werden, lässt sich gut am Beispiel Facebook erklären: Wenn sich jemand in Südafrika in das Netzwerk einloggt und zwischen den Posts in seiner Timeline auch bezahlte Werbeanzeigen sieht, dann musste das Unternehmen die Gewinne daraus bislang an seinem für Afrika zuständigen Firmensitz in Irland versteuern. Dort galt bislang ein Satz von 12,5 Prozent - dazu kamen zahlreiche Ausnahmeregeln. Ab 2023 - so der OECD-Plan - soll laut der sogenannten ersten Säule der Reformen ein Teil der Steuereinnahmen unter den Ländern aufgeteilt werden, in denen die Gewinne erzielt wurden - also würde auch Südafrika von den Werbeeinnahmen profitieren.

Eine zweite Säule der Reform soll sicherstellen, dass die größten Konzerne auch effektiv 15 Prozent zahlen. Verlangt ein Land weniger, so soll der Rest am Hauptsitz des Unternehmens fällig werden. Dass es nicht "mindestens" 15 Prozent sind, war ein Zugeständnis an das OECD- und EU-Mitglied Irland, das als Standort für Konzerne weiter attraktiv bleiben will - und seinen eigenen Steuersatz für die größten Konzerne nun auf 15 Prozent angleicht. Die OECD verspricht sich allein von der Mindeststeuer jährliche Mehreinnahmen von 130 Milliarden Euro.

Der Teufel steckt im Detail

"Die generelle Sicht ist, dass eine Mindeststeuer gut ist, aber der Steuersatz ist aus unserer Sicht zu niedrig", sagt Alvin Mosioma, Geschäftsführer des in Nairobi ansässigen Tax Justice Network Africa. "Wir sind überzeugt, dass das dazu führt, dass die Hauptbegünstigten Staaten in Europa und Amerika sein werden. Nur wenig davon fließt in Entwicklungsländer, ganz zu schweigen von afrikanischen Staaten", so Mosioma im DW-Interview.

Lieferfahrzeug des nigerianischen Online-Händlers Jumia in Abidjan: 20 bis 30 Prozent Unternehmenssteuern in AfrikaBild: Issouf Sanogo/AFP

Denn es gibt zahlreiche Einschränkungen: Die Mindeststeuer gilt nur für Unternehmen mit mindestens 750 Millionen Euro Jahresumsatz. Der Umverteilungsmechanismus soll sogar nur bei den rund 100 größten Unternehmen der Welt greifen - und nur ein Teil der Steuereinnahmen soll zu einem Viertel umverteilt werden. Dadurch dürfte das Steuer-Plus in Afrika höchst überschaubar ausfallen.

"Ich glaube, dass die von der OECD präsentierten Lösungen für viele afrikanische Länder und für Entwicklungsländer generell nicht funktionieren werden", sagt Mosioma. Zudem befürchtet er, dass nun viele Länder unter Druck geraten, ihren Unternehmens-Steuersatz auf 15 Prozent abzusenken. Keine guten Aussichten für afrikanische Staaten, die meist zwischen 20 und 30 Prozent verlangen.

Verbote und Druckmittel

Seit Beginn der Pandemie haben digitale Dienstleistungen stark an Bedeutungen gewonnen, und so haben schon einige afrikanische Länder Wege gefunden, hierfür Steuern einzutreiben: Zum Beispiel Kenia, Nigeria und Simbabwe erheben diese oder stehen kurz davor. Doch ausgerechnet diese neue Einnahmequelle würde mit den OECD-Steuerreformen versiegen, ist sich Eurodad-Expertin Ryding sicher: "Sie würden sich dazu verpflichten, keine Digitalsteuer zu erheben. Und es sieht so aus, als würden sie mit der Zeit riskieren, einem bindenden Streitlösungsmechanismus zu unterliegen. Das heißt, sie könnten ihre Souveränität in manchen Steuerfragen verlieren, wenn sie teilnehmen."

Facebook-Zentrale in Dublin: Firmensitz in Irland für ganz Afrika zuständigBild: David Ehl

Nigeria und Kenia hatten deshalb schon frühzeitig ihre Skepsis deutlich gemacht - aber anders als im Falle von Irland habe es keine Nebenverhandlungen gegeben, um ihre Bedenken zu berücksichtigen, kritisiert Tove Ryding. Und sie wirft den mächtigen Industrienationen vor, ärmere Teilnehmerstaaten unter Druck gesetzt zu haben - etwa Namibia, das von 2016 bis 2018 auf einer "EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke" stand.

Der Grund: Namibia sei damals nicht auf die OECD-Vorschriften eingegangen. Erst als sich das änderte, wurde das südafrikanische Land wieder von der schwarzen Liste gestrichen. "Es gab sehr offenen und klaren Druck gegenüber Entwicklungsländern, die jene OECD-Regeln nicht unterzeichnet hatten, zu deren Verhandlungen sie nicht einmal am Tisch saßen", sagt Ryding in ihrem Brüsseler Büro.

Der bessere Ort für die Reformen?

In einigen afrikanischen Regierungen scheint der Unmut hierüber zu wachsen: Sie fordern, eine solche Steuerreform unter dem Dach der UN durchzuführen, und zwar in einem verbindlichen Abkommen. Ein der DW vorliegender Resolutionsentwurf, den Guinea im Namen von 134 ärmeren Ländern in die UN-Generalversammlung einbringen will, lädt dazu ein, "die Wichtigkeit des Kampfs gegen illegitime Finanzströme angemessen zu berücksichtigen".

Plenum der Vereinten Nationen in New York: Besserer Rahmen für globale Steuerreform?Bild: Eskinder Debebe/UN Photo/Xinhua/picture alliance

Auch Eurodad-Expertin Tove Ryding sieht einen großen Vorteil darin, die Steuerreformen bei den Vereinten Nationen anzusiedeln: "In einem UN-Kontext können Entwicklungsländer gleichberechtigt teilnehmen. Und wir haben immer wieder festgestellt, dass das bei der OECD nicht der Fall ist."

Für Alvin Mosioma vom Tax Justice Network Africa wäre ebenfalls eine UN-Lösung ein geeigneterer Rahmen für die Steuerreform: "Wir haben bereits einen Konsens, dass Steuern nicht mehr nur ein nationales Thema sind, das jeder für sich souverän bearbeiten kann. Und wenn das Konsens ist, heißt das automatisch, dass es einen globalen Rahmen für diese grenzüberschreitende Thematik geben sollte." Die OECD sei auf dem Gebiet zwar dominant, habe aber nicht das Mandat, in diesem Prozess federführend zu sein.

Korrekturhinweis: In einer älteren Version des Texts wurde die Schwelle der Mindeststeuer fälschlicherweise mit 750 Milliarden statt 750 Millionen Euro Jahresumsatz angegeben. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

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