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PolitikSlowakei

Warum Bären im slowakischen Wahlkampf mitmischen

3. August 2023

In der Slowakei greifen Bären immer wieder Menschen an. Nun hat das Thema den Wahlkampf erreicht. Politiker und Experten streiten darüber, wie gravierend die Problematik tatsächlich ist.

Ein Braunbär steht auf einer Wiese und schaut in die Kamera
Braunbär in der SlowakeiBild: Jakub Mrocek/Zoonar/picture alliance

Die Slowakei hat viele gravierende politische und gesellschaftliche Probleme. Der Krieg gegen die Ukraine spaltet das Land in ein prowestliches und ein prorussisches Lager. Auch wirtschaftlich und sozial ist die Slowakei geteilt - in einen vergleichsweise reichen, gut entwickelten Westen und einen armen Osten. Und: Die nach der Wahl im Februar 2020 angetretene liberal-konservative Koalition hat viele Reformversprechen nicht erfüllt.

Doch kurz vor der Parlamentswahl im September, die nach vielen Regierungskrisen vorgezogen wurde, scheint es im Land kein größeres Problem zu geben als: Bären. Tatsächlich sorgen die Raubtiere in der Slowakei immer wieder für Schlagzeilen. In den vergangenen Monaten und Jahren gab es mehrfach Bärenangriffe auf Menschen, die jüngsten, bei denen Menschen teils schwer verletzt wurden, erst vor wenigen Wochen.

Berglandschaft in der Hohen Tatra im Norden der SlowakeiBild: Rui Vale de Sousa/PantherMedia/IMAGO

Doch nun, so scheint es, müssen die Bären stellvertretend für alle anderen Probleme herhalten. Die Raubtiere sind zu einem großen Wahlkampfthema geworden - fast alle Politiker äußerten sich in den vergangenen Wochen zu den Tieren und den Problemen mit ihnen.

Tödlicher Angriff im Juni 2021

Zuletzt wurden im Juli mehrere Bärenangriffe auf Menschen gemeldet, unter anderem auf den 20-jährigen Landwirt Kristian Sedlak, der im mittelslowakischen Dorf Haj nordwestlich der Kreisstadt Banska Bystrica einen Bauernhof hat. Mitte Juli griff ein Bär den jungen Mann direkt auf seinem Hof an. Der an Armen und Beinen verletzte Sedlak wurde von seiner Mutter Michaela gerettet, die den Bären mit einer Mistgabel verjagte. "Ein Bär sprang aus dem Gras auf mich zu. Er stellte sich auf seine Hinterpfoten und griff mich an. Er fing an, mich zu beißen und mit seinen Krallen zu kratzen", beschrieb der 20-Jährige den Angriff in slowakischen Medien.

Braunbär in der Hohen Tatra in der Slowakei nahe dem Ort Tatranska Javorina, Aufnahme aus dem Jahr 2017Bild: Milan Kapusta/dpa/picture alliance

Nicht immer spielen sich so dramatische Szenen ab. Gelegentlich spaziert ein Bär durch eine Wohnsiedlung oder erschreckt Wanderer auf einem markierten Wanderweg in den Bergen. Die Gesamtzahl der Bärenangriffe auf Menschen in der Slowakei lag bisher bei weniger als zehn pro Jahr. Allerdings gab es auch schon einen Todesfall, der jedoch mehr als zwei Jahre zurückliegt: 2021 wurde im mittelslowakischen Liptovska Luzna die Leiche eines Mannes gefunden, der wohl von einem Bären zerfleischt wurde.

Bären werden angelockt

Obwohl die jüngsten Angriffe längst nicht so schwerwiegend waren, hat die Opposition das Thema im Wahlkampf hochgezogen. Es geht um Mensch versus Tier, den Schutz oder den kontrollierten Abschuss und die Reduzierung von Bären. "Der gesetzliche Schutz für Bären ist aus dem Ruder gelaufen, und auch die Politiker sollten anfangen, gesunden Menschenverstand zu gebrauchen und Regeln aufzustellen", sagt der Oppositionspolitiker Richard Takac in einem Webvideo. Er ist stellvertretender Vorsitzender von SMER, der größten Oppositionspartei, nominell sozialdemokratisch, die aber rechtsnationalistische, prorussische Positionen vertritt. SMER und ihr Chef Robert Fico stehen Ungarns Premier Viktor Orban und seiner Partei Fidesz nahe.

Der slowakische Ex-Regierungschef und Vorsitzende der Partei SMER, Robert FicoBild: Jaroslav Novák/TASR/dpa/picture alliance

Tatsächlich wurden in der Slowakei 2010 noch 46 und 2017 immerhin noch 22 Bären mit behördlicher Genehmigung geschossen. Seit 2019 waren es nur noch zehn. Doch nach Angaben von Experten hat die Bärenpopulation in den vergangenen Jahren nicht dramatisch zugenommen. Derzeit leben in den Gebirgs- und Waldgebieten der Slowakei geschätzt 1300 Bären. Begegnungen mit Menschen sind unvermeidbar. Naturschützer sehen das größte Problem dabei in ungesicherten Mülltonnen in Städten und Dörfern im Vorgebirgsland. Dort, wo es reichlich Essensreste gibt, werden Bären in besiedelte Gebiete gelockt.

Langfristige Lösung

Dass die Opposition dem Regierungslager indirekt vorwirft, den Schutz der Bären über die Sicherheit der Menschen zu stellen, ist weit hergeholt. Dennoch fühlen sich Regierungspolitiker unter Druck. Der Parlamentspräsident Boris Kollar von der Partei Unsere Familie, die der im Frühjahr 2023 endgültig zerbrochenen Regierungskoalition angehörte, sagte, der Bär solle von der Liste der geschützten Tiere in der Slowakei gestrichen werden. Der parteilose Umweltminister Milan Chrenko der derzeit amtierenden Interimsregierung räumte ebenfalls Probleme ein. "Einige Menschen haben Angst, wegen der Bären zur Arbeit zu gehen, Sportler meiden den Wald, und auch für die Landwirte ist das ein Problem", sagte er in slowakischen Medien.

Die slowakische Staatspräsidentin Zuzana CaputovaBild: Radovan Stoklasa/REUTERS

Die liberale Präsidentin Zuzana Caputova schaltete sich vermittelnd in die Debatte ein. "Ich halte die Ängste der Bewohner der Berg- und Vorgebirgsregionen für berechtigt, denn Begegnungen mit Bären enden manchmal mit schweren Verletzungen", sagte sie. Auf ihr Ersuchen wurden inzwischen Polizei- und Naturschutzteams zusammengestellt, um Bären, die gezielt Menschen angreifen, umzusetzen oder notfalls zu töten.

Experten sehen das jedoch nicht als langfristige Lösung an. Jaroslav Slastan, ein Bärenexperte, der im Interventionsteam des Umweltministeriums arbeitet, sagte dem slowakischen Portal Postoj, es müsse verhindert werden, dass die Tiere in menschliche Siedlungen gelockt würden, etwa, indem man Mülltonnen sichere. Es gebe auch Jäger, die Bären bewusst mit Futter anlocken würden, um hinterher ihren Abschuss als Problemtiere durchsetzen zu können. "Den Bären kein Futter mehr anzubieten", so Slastan, "ist die einzige Möglichkeit, Probleme zu vermeiden."

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Lubos Palata Korrespondent für Tschechien und die Slowakei, wohnhaft in Prag