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Warum Bayer auch in Chile Ärger hat

Sophia Boddenberg Santiago de Chile
28. Mai 2019

Chile ist der wichtigste Saatgut-Exporteur der Südhalbkugel. Bayer baut jetzt die Fabriken für die Herstellung von genetisch verändertem Saatgut seiner Tochter Monsanto aus. Umweltorganisationen sind alarmiert.

Gefährdungszeichen im Kornfeld, Einsatz von Giftstoffen in der Landwirtschaft
Bild: picture-alliance/chromorange/C. Ohde

"Fuera Bayer-Monsanto de Chile" (Bayer-Monsanto raus aus Chile) steht auf den bunt bemalten Plakaten der Menschen, die in den Straßen von Chiles Hauptstadt protestieren. Santiago ist eine von 30 Städten weltweit, in denen sich am 19. Mai tausende Demonstranten dem internationalen "March Against Monsanto" angeschlossen hatten, um eine Landwirtschaft ohne giftige Pestizide und genmanipuliertes Saatgut zu fordern. Nur wenige Tage zuvor ist der Pharmakonzern Bayer zu einem Schadenersatz in Höhe von mehr als zwei Milliarden US-Dollar verurteilt worden, weil ein Ehepaar aus den USA das von Bayers Tochter-Firma Monsanto entwickelte Unkrautvernichtungsmittel Roundup für seine Krebserkrankungen verantwortlich macht. Chile ist ein wichtiger Standort für Bayer, aber auch hier werden kritische Stimmen immer lauter.

Bayer-Monsanto-Fabrik in PaineBild: DW/S. Boddenberg

Bayer Crop Science vergrößert Fabrik für die Verarbeitung von Gemüse-Saatgut

Etwa 50 Kilometer südlich von Santiago befinden sich die zwei größten Fabriken für die Herstellung von Saatgut in Chile. Im September 2018, kurz nach der Übernahme von Monsanto, kündigte Bayer Crop Science die Modernisierung der Fabrik in Viluco an, die einzige Fabrik für die Herstellung von Gemüse-Saatgut in Südamerika und eine der drei wichtigsten Fabriken des Unternehmens weltweit.

"Wir wollen die Technologie und die Prozesse modernisieren, damit die Fabrik den Standard der Fabriken in den Niederlanden und in den Vereinigten Staaten erreicht", sagte Yuri Charme von Bayer Crop Science bei der Vorstellung der Pläne gegenüber der chilenischen Presse. Das Projekt mit dem Namen "Demand Fulfillment" soll die Produktion von Saatgut um 20 Prozent steigern, damit Chile in naher Zukunft 70 Prozent der Nachfrage in der Region abdecken könne. "Deses Projekt ist wichtig für das Unternehmen und für das Land, da Chile sich so in der Avantgarde der Innovation in der Agroindustrie positioniert", so Charme weiter .

Chile ist bereits jetzt das Land auf der Südhalbkugel, das am meisten Saatgut exportiert. Zahlen des Unternehmerverbands der Saatgutproduzenten (ChileBio) zufolge, exportierte das Land in der Saison 2016/2017 Saatgut im Wert von 338,5 Millionen US-Dollar, ein Fünftel davon war genetisch verändertes Saatgut. Ein Vorteil für das Saatgutgeschäft in Chile sind die zu Europa entgegen gesetzten Jahreszeiten. 

Pollen von genetisch veränderten Pflanzen können lokales Saatgut verunreinigen

Das Gemüse-Saatgut, das in der Fabrik in Viluco verarbeitet wird, macht bisher nur einen kleinen Anteil der Saatgut-Exporte aus. Viel wichtiger ist hingegen Mais-, Soja- und Raps-Saatgut. Das wird in einer anderen Fabrik verarbeitet, wenige Kilometer weiter südlich von Viluco, in der ländlichen Gemeinde Paine. Der Großteil der Bevölkerung hier lebt von der Landwirtschaft. 2016 hatte Monsanto - noch vor der Fusion mit Bayer - die Vergrößerung der Fabrik angekündigt. Um sich dagegen zu wehren, gründete eine Gruppe von Bürgern in Paine das Comité por la Defensa de Paine (Komitee für die Verteidigung von Paine).

Camila Olavarria vom Komitee für die Verteidigung von PaineBild: DW/S. Boddenberg

Camila Olavarría ist Sprecherin des Komitees und kritisiert: "Hier entsteht gerade die größte Fabrik für die Verarbeitung von Saatgut in Lateinamerika. Es gibt keine Studien über die Auswirkungen auf die Umwelt. Die Politiker haben dem Projekt zugestimmt, ohne die Meinung der Bevölkerung einzuholen." Die Mitglieder des Komitees fürchten die Verunreinigungen des lokalen Saatguts durch Kreuzbestäubung, wenn Pollen von Feldern mit genetisch veränderten Pflanzen auf benachbarte Felder fliegen. Bei Raps geht das besonders leicht, weil dessen Pollen bis zu drei Kilometer weit fliegen.

"Die meisten Saatbetten hier sind genetisch verändert"

In den EU-Ländern ist der Anbau von gentechnisch veränderten Rapspflanzen deshalb verboten. In Chile ist der Anbau erlaubt für Forschungszwecke und für den Export. Zahlen von ChileBio zufolge waren in der Saison 2017/2018 rund 13.900 Hektar mit genetisch verändertem Saatgut bepflanzt, davon 56 Prozent mit Mais, 27 Prozent mit Raps und 17 Prozent mit Soja. Die einzige Möglichkeit, Kreuzbestäubung zu verhindern, wäre ein ausreichender Isolationsabstand zwischen den Feldern. In Chile ist aber kein Abstand vorgeschrieben.

Olavarría glaubt, dass das Saatgut in Paine bereits verunreinigt ist: "Die meisten Saatbetten hier sind genetisch verändert. Bayer-Monsanto gibt den lokalen Bauern Saatgut, das sie auf ihrem Land aussähen und dann müssen sie einige Samen wieder zurückgeben, die dann in den Fabriken in Paine und Viluco verarbeitet und exportiert werden", erklärt sie. "Die Bauern bekommen das Saatgut zusammen mit einem Produkt-Paket von giftigen Pestiziden wie Roundup."

"Es gibt immer mehr Krebserkrankungen"

Roundup ist der Markenname des Pflanzenschutzmittels Glyphosat - in Chile das am meisten verkaufte Herbizid. Die Internationale Agentur für Krebsforschung stufte Glyphosat im März 2015 als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Camila Navarro, ebenfalls Mitglied des Komitees für die Verteidigung von Paine, hat Veränderungen in Paine beobachtet: "Es gibt immer mehr Krebserkrankungen. Nicht nur unter den Bauern, sondern auch unter den Saisonarbeitern und Menschen, die in der Nähe der Felder leben." Kinder von Saisonarbeiterinnen hätten oft Sprachstörungen und kognitive Beeinträchtigungen. Sie berichtet zudem von Schwangeren, die auf den Feldern arbeiten, mit häufigen Fehlgeburten oder fatalen Fehlbildungen bei Neugeborenen. Offizielle Studien über den Zusammenhang zwischen den Pestiziden und den Krankheiten gibt es nicht.

Pestizid-Aktionsnetzwerk fordert ein Verbot von Glyphosat in Chile

Krebs ist die zweithäufigste Todesursache in Chile. Jedes Jahr gibt es 45.000 neue Krebserkrankungen, wie das chilenische Gesundheitsministerium Anfang dieses Jahres mitteilte. Ein chilenisches Pestizid-Aktionsnetzwerk fordert nun ein Verbot von Glyphosat in Chile. "Bayer und Monsanto sind in Chile nicht willkommen. Der Anbau von genmanipulierten Pflanzen und die giftigen Pflanzenschutzmittel schaden der Umwelt und der Gesundheit der Bevölkerung", sagt Lucía Sepúlveda, Mitglied des Netzwerks. Sie ist außerdem Sprecherin einer Bürgerbewegung gegen Freihandelsabkommen.

Das Freihandelsabkommen, das Chile mit der Europäischen Union verhandelt sowie die Transpazifische Partnerschaft TPP, die momentan im chilenischen Senat diskutiert wird, würden verlangen, dass Chile das sogenannte UPOV-91-Abkommen unterschreibt, welches zum Ziel habe, mehr Saatgut zu privatisieren. "Wir versuchen, ein Bewusstsein unter den Menschen für diese Themen zu schaffen, damit wir Unternehmen wie Bayer und Monsanto irgendwann aus unserem Land verbannen können", sagt Sepúlveda.

Viele Bauern befinden sich in einer Abhängigkeitssituation

Das ist keine einfache Aufgabe, denn viele Bewohner in der Umgebung der Saatgut-Fabriken von Bayer-Monsanto haben Angst, sich kritisch gegenüber dem Unternehmen zu äußern. So auch Margarita Celis. Sie betreibt ökologischen Landbau und verkauft ihre Produkte auf dem lokalen Markt. Das Bio-Siegel der Regierung kann sie sich nicht leisten. Obwohl sie keine Pestizide verwendet und lokales Saatgut aussäht, ist es möglich, dass ihre Produkte bereits genetisch verunreinigt sind, weil sie nur wenige Kilometer entfernt von den Feldern mit genetisch veränderten Pflanzen wachsen.

Margarita Celis vor ihren OrangenbäumenBild: DW/S. Boddenberg

"Hier geht es um Geld", empört sie sich. "Die meisten Bauern befinden sich in einer Abhängigkeitssituation. Das Unternehmen verkauft ihnen das ganze Paket, Saatgut und Pflanzenschutzmittel. Sie wurden gelockt mit dem Versprechen von mehr Gewinn. Aber erst jetzt merken sie, welchen Schaden sie angerichtet haben."

Bayer Chile wollte sich auf Anfrage der DW nicht zu den Vorwürfen der Bürger in Paine äußern. Das Unternehmen schickte lediglich eine Erklärung über eine externe Agentur, die darauf hinweist, dass die Anwendung von Glyphosat keinerlei Auswirkungen auf die Gesundheit habe.

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