Warum beharrt der Iran auf seinem Atomprogramm?
5. Juli 2025
Irans Präsident Massud Peseschkian unterzeichnete am 2. Juli ein Gesetz, das die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) aussetzt. Der Schritt war bereits zuvor vom iranischen Parlament beschlossen und vom Wächterrat, einem wichtigen Kontrollgremium, gebilligt worden.
"Solange die Sicherheit der iranischen Atomanlagen nicht gewährleistet ist, wird die iranische Atomenergieorganisation ihre Zusammenarbeit mit der IAEA aussetzen", kündigte Parlamentspräsident Mohammad Bagher Ghalibaf am 26. Juni im Staatsfernsehen an.
Was diese Entscheidung für die IAEA-Inspektoren bedeutet, die noch vor Ort sind, ist unklar. Laut der Nachrichtenagentur AFP wartet die Behörde in Wien auf eine offizielle Mitteilung aus Teheran, um zu verstehen, was die Aussetzung konkret bedeutet. Die IAEA will wissen, in welchem Zustand sich die drei wichtigen Atomanlagen in Fordo, Isfahan und Natans befinden, die von Israel und den USA bombardiert wurden.
"Die Tatsache, dass iranische Anlagen unter Aufsicht der IAEA angegriffen wurden, obwohl es keine Beweise dafür gab, dass sie zur Bewaffnung genutzt wurden, entfacht im Iran auch die Debatte darüber, ob der Atomwaffensperrvertrag noch irgendeinen Sicherheitswert bietet", sagt Kelsey Davenport, Direktorin für Nichtverbreitungspolitik bei der Arms Control Association, im Gespräch mit der DW. Davenport ist Expertin für die Atom- und Raketenprogramme des Iran und Nordkoreas und leitet das Projekt der Arms Control Association zur Bewertung der Wirksamkeit multilateraler freiwilliger Initiativen zur Nichtverbreitung.
Vor den israelischen und amerikanischen Angriffen auf iranische Atomanlagen hatte die IAEA gewarnt. Iran sei der einzige Nicht-Atomwaffenstaat, der Uran fast auf waffenfähiges Niveau anreichern würde und genug Material angesammelt habe, um mehrere Bomben zu bauen. Die IAEA betonte aber gleichzeitig, keine konkreten Belege dafür zu haben, dass der Iran tatsächlich eine Bombe baue.
Ein Prestigeprojekt für die Modernisierung
Das iranische Atomprogramm hat eine lange und immer kompliziertere Geschichte, die in den 1950er-Jahren unter dem Schah – persisch für "König" – begann. Im Rahmen seiner Modernisierungspläne trat der Schah dem amerikanischen "Atoms for Peace"-Programm bei.
Das Programm war eine US-Initiative, die 1953 von Präsident Dwight D. Eisenhower ins Leben gerufen wurde, um die friedliche Nutzung der Nukleartechnologie, insbesondere in Entwicklungsländern, zu fördern. Auch der Iran profitierte davon und erhielt Unterstützung bei Forschung und Technologie im Nuklearbereich. Diese Hilfe legte den Grundstein für das iranische Atomprogramm.
Ein Jahr nach der Gründung der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) im Juli 1957 mit Sitz in Wien wurde der Iran Mitglied der Organisation.
Für das Land war das Atomprogramm ein Hightech- und Prestigeprojekt, das bis zu 23.000 Megawatt Atomstrom für die wachsende Wirtschaft liefern sollte. Das Land wollte außerdem unabhängig von westlichen Brennstofflieferungen werden und seine Kernbrennstoffe selbst herstellen. Langfristig wollte man auch den Verbrauch von Öl und Gas reduzieren, betonte der Leiter des Programms, Akbar Etemad, in mehreren Interviews.
Der Iran unterzeichnete 1970 den Atomwaffensperrvertrag (NPT). Dieser 1968 ausgehandelte Vertrag bildet die Grundlage der globalen Rüstungskontrolle. Er ermöglicht die friedliche Nutzung der Kernenergie, wobei die IAEA die Einhaltung überwacht.
"Ein weiterer Aspekt war, dass er die fünf Staaten, die vor den Verhandlungen Atomwaffen getestet hatten – China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA – zur Abrüstung verpflichtete", sagt Kelsey Davenport. Sie fügt hinzu: "Doch dazu kam es nicht."
Abgesehen von diesen fünf Staaten testete 1974 Indien eine Atombombe. Israel soll ebenfalls über ein Atomwaffenarsenal verfügen, auch wenn dies nie offiziell bestätigt wurde.
Nicht veränderte Ambitionen zu "Dual Use"
Die Tatsache, dass der Iran auch in Lage sein wollte im Notfall ein militärisches Atomprogramm starten zu können, leugneten die iranischen Experten nicht. Als Vater der iranischen Nukleartechnologie war Akbar Etemad vor und nach der Revolution 1979 der Meinung, dass kein Land das Recht habe, einem anderen seine Nuklearpolitik vorzuschreiben.
Akbar Etemad war einer der wenigen – wenn nicht der einzige – Funktionär des Schahs, dessen Leichnam nach seinem Tod im April 2025 im Pariser Exil in den Iran zurückgebracht und in einer staatlichen Trauerzeremonie unter Anwesenheit von Vertretern der iranischen Atomenergiebehörde in seiner Heimatstadt beerdigt wurde.
Nach der Revolution
Nach der Islamischen Revolution 1979 herrschte zunächst Chaos im Iran. Die USA stoppten die Lieferung von Brennstoff für den Forschungsreaktor in Teheran. Im Herbst 1980 griff der Irak den Iran an, um Ölgebiete im Süden zu besetzen. Es folgte ein achtjähriger Krieg, der große Teile der iranischen Infrastruktur zerstörte. Westliche Firmen, darunter auch deutsche, stiegen aus dem iranischen Atomprogramm aus.
Anfang der 1980er-Jahre kamen Gerüchte auf, dass der Irak den Bau einer Atombombe plane. Israel, das das Regime Saddam Husseins als größere Bedrohung ansah als die Mullahs in Teheran und damals noch mit dem Iran kooperierte, bombardierte 1981 mit der Nutzung von Informationen des iranischen Geheimdienstes den irakischen Atomreaktor Osirak und warf das Programm um Jahre zurück.
Der Wettlauf um den Besitz der Atombombe setzte sich an der iranischen Ostgrenze fort: Pakistan testete Atomwaffen. Nach dem Krieg begann der Iran, Technologie aus Pakistan, China und Russland zu importieren, um Uran anzureichern und Teile des Brennstoffkreislaufs eigenständig zu entwickeln.
Das Land wollte Energiequellen diversifizieren und die iranische Führung wollte beweisen, dass der Iran in der Lage ist, Hightech zu entwickeln. Das Atomprogramm wurde so zu einem Symbol nationaler Stärke.
2003 lieferten Satellitenaufnahmen und IAEA-Untersuchungen Hinweise auf ein geheimes militärisches Atomprogramm. Daraufhin überzeugte der damalige deutsche Außenminister Joschka Fischer seine Amtskollegen aus Großbritannien und Frankreich, Verhandlungen mit Teheran aufzunehmen.
In ihrer "Europäischen Sicherheitsstrategie" von 2003 definierte die EU die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen als größte Bedrohung für ihre Sicherheit. Die Initiative zielte auf eine strengere Kontrolle des iranischen Atomprogramms durch die IAEA.
Nach zwölf Jahren diplomatischem Marathon wurde schließlich ein Atomabkommen mit dem Iran geschlossen.
2018 stiegen die USA unter Präsident Trump aus dem JCPOA aus, um einen besseren "Deal" zu erreichen. Der Iran reduzierte daraufhin schrittweise seine Verpflichtungen und begann 2019 wieder mit höherer Urananreicherung.
Heute verfügt der Iran über umfangreiche Lagerbestände hoch angereicherten Urans – rund 400 Kilogramm – und viele fortschrittliche Zentrifugen.
Atomtechnologie als strategischer Schutz?
"Die Iraner verfügen weiterhin über erhebliche Möglichkeiten, ihr Atomprogramm wiederaufzunehmen und eine Atomwaffe zu bauen, wenn sie es wollen", sagt Jeffrey Lewis, Experte für Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle am Middlebury Institute of International Studies in Monterey, Kalifornien, nach den israelischen und amerikanischen Angriffen auf drei wichtige Atomanlagen im Iran. "Viele Anlagen wurden nicht getroffen."
Fereydoun Abbasi, der ehemalige Leiter der iranischen Atomenergieorganisation, der bei den jüngsten israelischen Angriffen im so genannten Zwölftagekrieg getötet wurde, hatte bereits davor deutlich gemacht, dass der Iran in der Lage sein müsse - falls der politische Wille vorhanden sei - in kurzer Zeit das militärische Niveau erreichen zu können.
Und gerade jetzt werde der Iran keine Kompromisse machen, glaubt der Iran-Experte Mehrdad Farahmand: "Der Iran betrachtet den Rückzug in einer Kriegssituation als Schwäche" – und diese Wahrnehmung ist womöglich das größte Hindernis für eine Wiederbelebung der Diplomatie in naher Zukunft.
Das Beispiel Libyens unter Muammar al-Gaddafi präge die iranische Perspektive, sagt Kelsey Davenport. "Gaddafi hatte in den 2000er-Jahren sein Atomprogramm freiwillig aufgegeben und sich dem Westen angenähert, in der Hoffnung auf wirtschaftliche Vorteile und politische Stabilität. Doch 2011 wurde sein Regime durch eine NATO-Intervention gestürzt. Im Gegensatz dazu hat Nordkorea den NPT verlassen, sein Atomprogramm konsequent weiterentwickelt – und ist immer noch an der Macht."