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Warum das Remake von "Honig im Kopf" in den USA floppte

Torsten Landsberg
21. März 2019

US-Medien haben Til Schweigers "Honig im Kopf"-Remake verrissen. Nun kommt "Head Full of Honey" ins deutsche Kino. Wieso finden deutsche Komödien nur Deutsche lustig? Amerikanistik-Professor Christof Decker nennt Gründe.

Filmstill Head Full of Honey US-Remake 2018
Bild: imago/Cinema Publishers Collection

Sieben Millionen Zuschauer strömten in Deutschland in Til Schweigers Tragikomödie "Honig im Kopf". Grund genug für den Produzenten und Regisseur, in seiner ehemaligen Wahlheimat ein Remake zu drehen: "Head Full of Honey", besetzt mit Nick Nolte, Matt Dillon und Emily Mortimer. Die "New York Times" schrieb von einer "bizarren Handlung" und nannte den Film "desaströs", der britische "Observer" sah das "Fiasko" eines "fehlgeleiteten Regisseurs".

DW: Herr Decker, "Honig im Kopf" ist in Deutschland sehr erfolgreich gelaufen, das Remake wurde in den USA und England vernichtend besprochen. Ist das Humorverständnis in Deutschland ein anderes als im Rest der Welt?

Christof Decker: Ja, zumindest hat es andere Traditionslinien als in den angelsächsischen Ländern. Ich unterrichte gerade einen Kurs, der sich mit komischen Formen beschäftigt. Wir haben angefangen mit der Stummfilmzeit: Charlie Chaplin, Buster Keaton, Laurel & Hardy. Da gibt es einen permanenten Dialog mit dem Publikum, das etwas weiß, was die Figur noch nicht weiß. Daraus ergibt sich häufig etwas Komisches. Die Stummfilm-Komik wurde in den USA relativ bald auf einen globalen Markt ausgerichtet und immer mit der Frage verbunden: Wer ist das Publikum, um das es geht, an wen wendet sich die Produktion? Es ging immer darum, den Gag auf die Spitze zu treiben, das heißt, um maximale Komik.

Christof Decker, Professor an der LMU MünchenBild: Privat

Ist diese Ausrichtung mit deutscher Komik schwieriger?

Seit den Zeiten des Tonfilms ist dies ja zunächst ein Sprachproblem. Die Frage ist also weniger, ob die deutsche Komik nicht exportierbar ist, sondern: Lässt sich die deutsche Komik in eine Form übertragen, die anschlussfähig ist mit dem, was ein anderes Publikum erwarten würde?

Das Klischee über Deutsche besagt, sie seien zu verbissen und hätten keinen Humor.

Ich glaube nicht, dass diese Vorstellung, die kulturwissenschaftlich als Essentialismus bezeichnet wird und ein quasi angeborener Defekt wäre, zutrifft. Menschen in Deutschland haben durchaus Humor. In Film und Fernsehen fehlt es eher an einem professionellen Umfeld, das die Leute antreibt, wirklich innovativ zu sein, einen Schritt weiterzugehen und sich nicht mit dem zufrieden zu geben, das mehr oder weniger erfolgreich ist.

Weil man weiß, was funktioniert und ausreicht, um ein bestimmtes Publikum und eine bestimmte Zuschauerzahl zu erreichen?

Ja, diese weitergehende Professionalität erreicht man natürlich nur, wenn man nicht nur das bekannte Publikum anspricht, sondern sich vornimmt: Das soll noch ein viel größeres Publikum interessieren und von ihm verstanden werden. Diese Anschlussfähigkeit für ein heterogen und vielfältig gedachtes Publikum fehlt sehr häufig im deutschen Kontext.

Hemmungslos sich selbst gegenüber: Stand-up-Comedian und Schauspielerin Amy SchumerBild: picture-alliance/AP Photo/C. Pizzello

Warum funktioniert es anders herum, warum sehen wir uns US-Komödien an, die aus purem Slapstick bestehen?

Zu funktionierender Komik gehört ein perfektes Timing, aber auch eine gewisse Leichtigkeit. Slapstick ist harte Arbeit, sie sieht aber im besten Fall unangestrengt aus. Deutsche Komödien wirken dagegen oft schwerfällig und bemüht. Selbst in eigentlich sehr formelhaft angelegten US-Formaten wie der Romantic Comedy findet man eine Hemmungslosigkeit der Charaktere sich selbst gegenüber: etwa die Komikerin Amy Schumer, die klassische Genres aufbricht. Auch die Entdeckung des Alters als Quelle einer morbiden, aber auch amüsanten Komik ist dem amerikanischen System mit der Netflix-Sitcom "Grace & Frankie" gelungen.

Sind Stereotype das größte Problem der deutschen Komödie?

Nicht unbedingt. Jede Komik arbeitet mit stereotypen Figuren und diese sind immer auch mit Schärfe verbunden. Deutschen Komödien fehlt es im Umgang mit Stereotypen aber an einer gewissen Radikalität und Schonungslosigkeit. Stereotype sind für die Ästhetik der Komödie ein ganz zentrales Element. Die Frage ist: Wie weit kann man mit dieser Darstellung gehen? Und da sind die angloamerikanischen Formen der Komödie angesichts ihrer Überbietungslogik häufig viel radikaler. Sie gehen eher über Grenzen hinaus. Der Leitspruch für die Gag-Schreiber um Stan Laurel war: "Can you top this?"

Das Original: Dieter Hallervorden als Amandus Rosenbach in Til Schweigers Kinoerfolg "Honig im Kopf"Bild: picture-alliance/dpa/Warner Bros

Ist das historisch begründet?

Ja, das Komische ist auch ein Modus, um kulturelle Konflikte zu verhandeln. In der deutschen Komödie gibt es im Prinzip immer eine Hemmung, jemandem weh zu tun. In den USA bildete sich in der Populärkultur um die Jahrhundertwende ein Publikum heraus, das nicht als homogen gedacht werden konnte. Es bezog immer auch marginale Gruppen ein. In gewissem Sinn hat das amerikanische Publikum in den Anfängen der Massen- und Populärkultur quasi schon in kleinen Formen ein globales repräsentiert: eine unterschiedliche religiöse, kulturelle und ethnische Herkunft. Ein berühmter Kurzfilm von Chaplin heißt bezeichnenderweise "The Immigrant". Diese Gruppierungen galt es auf irgendeine Art und Weise mit einzubeziehen.

Und allen gemein war die Ausgrenzungserfahrung?

In gewisser Weise, ja. In Amerika gibt es eine ganz andere kulturelle Antriebsfeder, die aus der sehr heterogenen und dynamischen Gesellschaft entsteht. Die jüdische oder afroamerikanische Komik kommt aus einer historischen Position der Diskriminierung, zum Beispiel aus einer langen Vorgeschichte der Sklaverei. Die Stereotypen müssen dann radikal sein, weil Komik für Minderheiten häufig das einzige Mittel ist, sich zu wehren. Dabei bezieht sie sich oft nicht nur auf den "Gegner" der Mehrheitsgesellschaft, sondern auch auf die eigene Gruppe, die mit ihren Minderwertigkeitskomplexen zur Zielscheibe der Komik wird.

Der deutsche Film ist also für ein zu homogenes Publikum angelegt?

Der implizite Adressat ist häufig eine weiße, homogene Mittelschicht, die ihren Lebensstil durch die Komik bestätigt sehen möchte und das Schräge, Intellektuelle, Unangepasste maßregelt. Dadurch bleiben viele Bereiche von Komik ungenutzt, und ein globales Publikum wird damit nicht erreicht. Wenn ich die Situation mit anderen Kulturbereichen vergleiche, fällt mir nur die Volksmusik ein - ein Genre, das nur im deutschsprachigen Raum funktioniert und nicht exportiert wird, weil die Leute woanders gar nicht verstehen, was daran reizvoll sein könnte.

Übersetzt auf das Remake von "Honig im Kopf" bedeutet das, statt herablassend zu behaupten, dieser Film sei zu anspruchsvoll fürs US-Publikum, müsste es umgekehrt heißen: Wir Deutschen sind zu anspruchslos in dem, was wir uns im eigenen Kino ansehen.

Für die Komödie trifft das wohl tatsächlich zu, da scheint die Erwartungshaltung relativ gering zu sein. Ich sehe hier ein echtes Dilemma des deutschen Kinos: Die Komödie ist mit Abstand das erfolgreichste Genre, das in den letzten Jahren in Deutschland produziert wurde, etwa die "Fack Ju Göhte"-Reihe. Gleichzeitig scheint die deutsche Filmkomödie nur dann so erfolgreich zu sein, wenn sie ihren provinziellen Charakter beibehält und gerade nicht kosmopolitisch angelegt ist. Der Film "Willkommen bei den Hartmanns", eine der finanziell erfolgreichsten jüngeren Komödien, verdeutlicht ein Grundproblem der deutschen Filmkomödie: Sie kommt nicht ohne die Tendenz aus, das Komische mit moralischen Ansichten oder Lehrsätzen zu verknüpfen, um am Ende den Status Quo aus Sicht der Mehrheitsgesellschaft und gerade nicht von den Rändern her zu bestätigen.

Loriot und Evelyn Hamann machen Nonsens in "Pappa ante Portas"Bild: picture alliance/dpa/W.Jahnke

Ihnen fällt kein positives Beispiel für eine deutsche Komödie ein?

Ein positives Gegenbeispiel - und sicherlich nicht das einzige - ist Loriot, der in der Inszenierung ein Perfektionist war und auf präzises Timing geachtet hat. Er hat sich zudem von Monty Python inspirieren lassen, indem er Nonsens kultivierte und seine Komik eben nicht auf eine einfache moralische Formel reduzieren wollte. Zudem hatte er einen ausgeprägten Hang zur Körperkomik, und er hat sein Publikum immer als intelligentes angesprochen. Interessanterweise konnte er sein Sendeformat im Fernsehen entwickeln und nur bedingt in die späteren Filme übertragen.

Den Witz raubt also die moralische Formel, der erhobene Zeigefinger?

Das ist ohne Zweifel ein Grundproblem der deutschen Komödie, das man bis in die frühen Dekaden des Tonfilms zu den UFA-Filmen zurückverfolgen kann und in den 1950er Jahre fortgeführt wurde. Es war schon damals nicht exportierbar, hat sich aber als einzige erfolgreiche Tradition innerhalb Deutschlands erhalten.

Liegt die Ursache dafür in der Geschichte: die Sehnsucht nach guter Laune und heiler Welt nach dem Krieg?

Nach dem Krieg war die Ausgangslage für Komik sicherlich nicht auf Innovationen ausgerichtet. Aber wenn wir dem Filmhistoriker Thomas Brandlmeier folgen, müssen wir für eine Erklärung bis ins 18. Jahrhundert zum Aufstieg der bürgerlichen Gesellschaft zurückgehen. Er spricht von einem deutschen Sonderweg der Komik, verschiedene Bühnentraditionen wurden damals auf eine moralische Funktion eingeschworen. Für die Komik war damit fortan die Dominanz des Wortwitzes und die Vertreibung des Grotesk-Harlekinesken von der Bühne verbunden. An seine Stelle trat das Gefällige und Gewöhnliche. In den USA hingegen entwickelte sich zu diesem Zeitpunkt eine demokratische Kultur heraus, für die Komik zu einer gleichermaßen unterhaltsamen wie scharfen Waffe im allgegenwärtigen Kampf um Anerkennung und Rechte wurde. Beide Traditionslinien wirken nach.

Christof Decker ist Amerikanistik-Professor mit Forschungsschwerpunkt Film und Cultural Studies an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Das Gespräch führte Torsten Landsberg.

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