Wintervögel beobachten macht Spaß und bringt Nutzen
8. Januar 2018
Mehr als 80.000 Hobby-Vogelkundler griffen am Wochenende zu Fernglas und Strichliste und registrierten Vögel in Gärten und Parks. Die Aktion gibt Aufschluss über die Arten und animiert zur Naturbeobachtung.
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"Gerne hätte ich im Garten Vögel gezählt", schreibt Walli. Die Enttäuschung ist ihr anzumerken, denn gleich daraufhin beklagt sie, "dass - wegen aktueller Sturmschäden - sieben Fichten kurzfristig gefällt werden mussten." Die Nadelbäume auf dem 1000 Quadratmeter großen Innenstadtgrundstück hatten Elstern, Ringeltauben, Eichelhäher und Rabenkrähen zum Übernachten genutzt. Doch Walli konnte dort auch Zaunkönige, Blaumeisen, Kohlmeisen, Amseln, Rotschwänze und andere heimische Vögel beobachten. Jetzt seien nur noch ein Zaunkönig und zwei Blaumeisen zu sehen, beschreibt die Hobby-Ornithologin die Misere.
Marius Adrion tröstet die Frau via Internet-Blog: "Diese Sturmschäden sind sicherlich erst mal ein Schock für die Vögel, aber in der Natur ist Veränderung das einzig Beständige. Die gefiederten Gartenbewohner werden sich schnell der geänderten Situation anpassen", ist sich der Vogel-Experte des NABU (Naturschutzbund Deutschland) sicher.
Er sieht in dem Schaden sogar einen Nutzen, um jetzt mehr heimische Sträucher zu pflanzen, in denen sich die Tiere wohlfühlen. Denn die Fichten wurden aus Nordeuropa eingeführt, da sie schnell wachsen. Doch wegen ihres flachen Wurzelwerks können Stürme sie geradezu aus dem Boden reißen.
Vogelliebhaberin Berit hat ein anderes Anliegen: Während ihrer Beobachtung im Park hat sie drei schneeweiße Vögel gesichtet - in der Größe von Reihern und fragt den NABU-Mitarbeiter, ob es sich um Silberreiher handeln könnte. "Silberreiher sind mittlerweile häufige Überwinterer in den geeigneten Lebensräumen, vor allem auf Wiesen und Weiden und in der Nähe von Flüssen", antwortet Marius Adrion in seinem Blog zur 'Stunde der Wintervögel'.
Im Gespräch mit der Deutschen Welle zeigt sich der NABU-Sprecher bisher voll zufrieden mit der Aktion: "Viele Teilnehmer schicken ihre Daten per Post oder tragen sie erst im Laufe der Woche ins Online-Formular ein. Seit Samstag (06.01.2018) meldeten insgesamt 80.000 Vogelfreunde 1,8 Millionen Wintervögel. Das ist rekordverdächtig.
Tradition und Meditation
Für viele ältere sowie ganz junge Naturfreunde gehört die NABU-Aktion schon zur Tradition mit meditativer Wirkung: Am ersten oder zweiten Januarwochenende beobachten die Teilnehmer auf dem eigenen Grundstück oder im öffentlichen Park - und mit Ferngläsern ausgestattet - genau eine Stunde lang - alles, was pickt, hüpft, fliegt, sich putzt.
"Immer mehr Menschen zeigen Interesse an der einfachen Art der Naturbeobachtung. Sie müssen nicht aus dem Haus gehen, sondern sitzen im Zimmer und nehmen so bewusst die Gäste im heimischen Garten wahr", freut sich Marius Adrion.
Im Online-Formular fordern die Initiatoren zusätzliche Angaben über den Ort der Datenerhebung wie Innenstadt, Stadtrand oder Dorf. Halten sich Katzen dort auf, die die Vögel verjagen oder tilgen könnten? Und werden die Vögel vom Menschen gefüttert? Wenn ja, ganzjährig oder nur im Winter, wenn die fliegenden Gartenbewohner selbst wenig Nahrung finden?
Vogelanalysten, die sich mit den Arten noch nicht auskennen, brauchen nur Kreuze hinter den Fotos von Amsel, Blaumeise und Co. zu machen, die auf dem digitalen Datenblatt aufgeführt sind. Abrufbar übers Internet unter Stunde der 'Wintervögel'.
Von Rentnern, über Familien bis hin zu ganzen Schulklassen beteiligen sich die unterschiedlichsten Gruppen an der Aktion, zählen die Wildtiere eine Stunde lang, notieren die Anzahl jeder Art und melden die Daten der zentralen Stelle der Naturschutzorganisation NABU. "Es kommt nicht darauf an, möglichst lange oder viele Vögel zu zählen, sondern darauf, an möglichst vielen Orten zu sichten und unter den gleichen Rahmenbedingungen", erklärt Adrion die Regularien.
Nach der Hälfte der Erhebung kann sein NABU-Verband vermelden, dass sich in Deutschlands Gärten und Parks derzeit 20 Prozent mehr Vögel aufhalten als im Vorjahr. Besonders Meisen, Kernbeißer, Kleiber und Buntspecht sind aufgefallen, Arten, die sich vor einem Jahr rar gemacht hatten. 270.000 Haussperlinge (Spatzen) wurden gezählt, 249.000 Kohlmeisen.
"Erst wenn der Boden zugeschneit und die Zweige mit Eis überzogen sind, werden die wärmeren Städte und die zahlreichen Vogelfütterungen in den Gärten zum Magnet für Vögel", sagt Marius Adrion. "Da der Vorjahreswinter auch im Osten und Norden Europas so mild war wie heuer in Mitteleuropa, blieben die Zugvögel in deutschen Regionen fern", fügt der Vogelfachmann hinzu.
"Damals wurden gegenüber dem langjährigen Durchschnitt 17 Prozent weniger Vögel bei der 'Stunde der Wintervögel' gezählt. Die diesjährige Wintervogelzählung wird zeigen, ob das Vorjahr nur ein extremer Ausreißer war oder ob sich ein Trend zu schwindenden Wintervogel-Zahlen in unseren Gärten abzeichnet", so Adrion.
Zuletzt registrierten Hobby-Vogelkundler sogar 3500 Kraniche, obwohl die nicht zu den Gartenvögeln zählen. Ihnen ist der Winter offenkundig zu mild, um die Kräfte raubende Reise ins südliche Winterquartier anzutreten.
Auch andere, sogenannte Kurzstreckenzieher wie Hausrotschwanz, Mönchsgrasmücke und Bachstelze haben sich für den Winteraufenthalt in Mitteleuropa entschieden. Deren stärkere Population könnte demnach eine Reaktion auf den Klimawandel sein.
Während die NABU-Organisation vor einem Jahr noch den Rückgang des Bestandes um 15 Prozent beklagt hatte, haben sich die Bestände offenbar gut erholt.
Ebenfalls erfreulich für die Regulation der Natur: Invasive Arten wie Seidenschwänze, Erlenzeisige und Bergfinken wurden nur wenig gesichtet. Und die Sichtungen beschränkten sich auf einzelne Regionen wie den Schwarzwald und das Alpenvorland.
Der Einfluss der Fütterung
Da Waldbäume und Buchen derzeit wenig Früchte tragen, suchen sogar Waldvögel Siedlungen zur Nahrungssuche auf. Und in Gärten, in denen Menschen Körner, Nüsse oder Meisenknödel auslegen, wurden im Durchschnitt 26 Prozent mehr Vögel gesichtet als an Orten ohne Futterplatz.
Doch nicht alle Arten picken ihrer Nahrung gerne aus dem Vogelhaus: Nicht Körner fressenden Drosseln, Krähen und Wintergoldhähnchen wurden häufiger in Gärten gesehen, in denen sie ihre Nahrung selbst suchen mussten.
Unter besonderer Beobachtung steht die Amsel: Nach deutlichen Verlusten im Vorjahr tauchte die Art bei den aktuellen Zählungen wieder häufiger auf. Der Singvogel steckt im Winter im Dilemma: Die Hälfte der Population stirbt. Zwar bietet der Süden mehr Nahrung, es ist wärmer. Doch der Flug ist für den Singvogel anstrengend. Viele, die hierbleiben, hoffen darauf, bald ein Nest für den Nachwuchs bauen zu können.
Wozu die ganze Farbenpracht?
Vor allem Vogelmännchen haben prächtige Farben - aber die Weibchen sind auch nicht ohne! Glamouröses Gefieder ist keine reine Männersache. Hier sind ein paar besonders hübsche Resultate der Evolution.
Bild: picture-alliance/dpa/P.Pleul
Aufgeplustert
Männliche Fregattvögel können ihren Kehlsack enorm aufblähen. Das sieht imposant aus und soll - klar - die Weibchen beeindrucken. Hat das Balzen geklappt, bleibt der Kehlsack auch während Nistplatzsuche und Nestbau leuchtend rot. Nach der Eiablage bildet er sich wieder zurück und ist dann eher orange gefärbt.
Bild: picture-alliance/dpa/Th.Weise
Auffällig wie ein Papagei
Nur männliche Vögel sind farbenprächtig? Stimmt nicht! Bei vielen Vogelarten gibt es überhaupt keinen Unterschied zwischen Männchen und Weibchen - sie sehen gleich aus. So wie diese hellroten Aras aus den tropischen Wäldern Südamerikas.
Bild: picture-alliance/dpa/P.Pleul
Geschlechtsdimorphismus
Bei anderen Vogelarten sind die Männchen tatsächlich sehr viel leuchtender als die Weibchen. Zum Beispiel beim Azurnaschvogel aus Mittelamerika. Wie leicht zu erraten ist: Der Vogel auf der rechten Seite ist das Männchen.
Bild: Bill Holsten
Komplett anders
Manchmal sehen Männchen und Weibchen gar nicht so aus, als würden sie zurselben Art gehören. Bei der Feuerrückentangare ist der Mann schwarz mit einem scharlachroten Hinterteil. Die Vogeldame hingegen hat einen grauen Kopf, einen olivfarbene Rumpf und bräunliche Flügel.
Bild: Bill Holsten
Artenabhängig
Forscher aus Deutschland und Australien haben 6000 Sperlingsvogelarten unter die Lupe genommen. Sie wollten herausfinden, warum einige Vogelweibchen im Vergleich zu den Männchen extrem farblos aussehen und andere nicht.
Bild: Bill Holsten
Harte Konkurrenz
Je größer die Vogelart desto wahrscheinlicher ist es, dass auch das Weibchen sich farblich aufschmückt. Große Vögel werden seltener Beute von Fressfeinden und können sich bunte Farben eher leisten. Außerdem sind Vogelweibchen in den ressourcenreichen Tropen im allgemeinen eher bunter. Nicht nur Männchen konkurrieren um Weibchen, sondern Weibchen untereinander auch um Männchen, sagen die Forscher.
Bild: Bill Holsten
Balztanz
Vor allem bei den Paradiesvögeln geben sich die Männer viel Mühe, mögliche Partnerinnen zu beeindrucken - nicht nur mit Farben, sondern auch mit ungewöhnlich geformten, langen Schwanzfedern. So wie dieser Königs-Paradiesvogel. Er führt wie alle Paradiesvögel einen beeindruckenden Balztanz auf, bei dem er seine Schwanzfedern schwingt und sich wie ein Watteball aufplustert.
Bild: picture-alliance/dpa/P.Schulze
Eitel wie ein Pfau
Lange Federn? Da kann der Pfau ein Lied von singen! Um seine Henne zu umwerben, stellt er seine Federn zu einem Rad auf und schwenkt sie eindrucksheischend hin und her. Ursprünglich stammen Pfaue aus Indien und Sri Lanka.
Bild: picture-alliance/dpa/U.Anspach
König über alle Geier
Der Königsgeier aus Südamerika hat eigentlich ein unauffälliges weiß-grau-schwarzes Gefieder. Sein kahler Kopf hingegen ist prächtig eingefärbt. Die Art bezog ihren Namen vermutlich aus der Angewohnheit des Vogels, andere, kleinere Geier an einem Kadaver zur Seite zu schieben und sich erst einmal selbst satt zu fressen.
Bild: picture-alliance/dpa/M.Lopez
Vögel mit Hörnern
Ja, das hier ist tatsächlich ein Vogel - ein Nashornvogel. Alle Nashornvogelarten haben ungewöhnlich geformte und gefärbte Schnäbel. Einige Arten werden wegen dieser Körperteile sogar bejagt.
Bild: picture-alliance/dpa/R.Jensen
Nur ein Star
In Deutschland sind Stare nicht unbedingt sehr farbenprächtig. Aber in anderen Teilen der Welt schon. Das hier ist ein Dreifarben-Glanzstar aus Ostafrika.
Bild: picture-alliance/dpa/G.Graudins
Bunte deutsche Vogelwelt
Bunte Vögel gibt es nur in den Tropen? Weit gefehlt! Auch in Deutschland geben sich einige Vögel Mühe, um aufzufallen. Zum Beispiel der Eisvogel. Schön, oder?
Bild: picture-alliance/dpa
Wenn das Essen rot färbt
Flamingos sind nicht unbedingt rot, um Geschlechtspartner zu beeindrucken. Es ist eine Nebenwirkung von ihrem Essen, Shrimps und Plankton, die sie aus dem Schlamm herausfiltern. Die Farbstoffe in den Meerestieren geben Flamingos ihre rötliche Farbe.
Bild: picture-alliance/dpa/M.Hiekel
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Die Überflieger
Einige Vögel fliegen höher als andere. Hier ist eine Sammlung der unerschrockenen Helden der Luftfahrt - einige von ihnen erreichen sogar fast die Flughöhen von Flugzeugen.
Bild: Imago
Sperbergeier: 11.300 Meter (37.100 Fuß)
Geier fliegen meist nicht über längere Strecken, sie steigen aber in die Höhe, um einen besseren Überblick zu haben. Weil sie sehr gute Augen haben, können die stark gefährdeten Tiere die Landschaft unter sich von oben sehr gut nach Nahrung absuchen.
Bild: Imago
Kranich: 10.000 Meter (33.000 Fuß)
Der Kranich, auch Grauer Kranich, ist ein Langstreckenflieger. Wichtige Verbreitungsorte finden sich überall zwischen Schweden, Deutschland und China. Die hier angegebene Höhe wurde über dem Himalaya aufgezeichnet.
Bild: picture-alliance/blickwinkel
Streifengans: 8.800 Meter (29.000 Fuß)
Die Vögel fliegen auch über die Gipfel des Himalayas auf ihrer Migrationsroute. Studien belegen, dass sie tiefer und effizient atmen, um in größerer Höhe genügend Sauerstoff zu bekommen.
Bild: picture-alliance/dpa
Singschwan: 8200 Meter (27.000 Fuß)
Der Singschwan ist das eurasische Gegenstück zum nordamerikanischen Trompeterschwan. Es ist der Nationalvogel von Finnland und findet sich auch auf der 1-Euro-Münze des Landes.
Bild: picture-alliance/blickwinkel
Alpendohle: 8.000 Meter (26.500 Fuß)
Diese Vögel sind in der Lage in Hochgebirgsgebieten zu brüten, weil ihre Eier verhältnismäßig wenige Poren haben und nicht so schnell austrocknen. Die Embryonen der Vögel scheinen auch genetisch bedingt, besonders viel Sauerstoff aufnehmen zu können.
Bartgeier sind ebenfalls eine gefährdete Art. Und man tut ihnen besser auch nichts, denn nach der iranischen Mythologie sind die Vögel ein Symbol für Glück. Wer sie abschießt, wird innerhalb von vierzig Tagen sterben.
Bild: imago/Hohlfeld
Rostgans: 6800 Meter (22.000 Fuß)
Dieser Entenvogel hat es gerade erst in die Liste der am höchsten fliegenden Vögel geschafft. Auch sie überqueren den Himalaya, um zu ihren Brutorten zu gelangen.