1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Der gefährliche Siegeszug der Stablecoins

Nicolas Martin
25. Juni 2021

Wenn Bitcoin und Co an Wert verlieren, parken Krypto-Anleger ihr Geld in sogenannten Stablecoins. Doch die Fassade der vermeintlich stabilen Digitalwährungen bekommt erste Risse.

Bitcoin Illustration I Dollar USD Banknoten
Bild: Nicolas Economou/NurPhoto/picture-alliance

Für die Kryptogemeinde läuft es derzeit nicht besonders gut. Nachdem Bitcoin-Anhänger in diesem Jahr ihre Einlagen auf wundersame Weise vervielfachen konnten, schmilzt der Kurs nun wieder langsam dahin. China will den Handel stärker regulieren und Mining-Farmen schließen. Das scheint den Kurs zu drücken - daran konnte auch die Meldung nichts ändern, dass El Salvador den Bitcoin nun als Zahlungsmittel akzeptiert.

Wer schon immer an der von Bitcoin-Ultras häufig beschworenen Finanzrevolution zweifelte, der wird momentan wieder bestärkt. Denn am Markt könnte sich etwas zusammenbrauen, dass für Anleger vielleicht größer und gefährlicher ist als das sowieso schon heftige Auf und Ab des Bitcoins.

Wenn die Bank gestürmt wird

Doch einen Schritt zurück: Vor Kurzem legte die verhältnismäßig kleine Kryptowährung Titanium eine so herbe Bauchlandung hin, dass alle Einlagen innerhalb von kürzester Zeit 100 Prozent an Wert verloren. Davon überrascht wurden auch der bekannte Milliardär und Besitzer des NBA-Klubs Dallas Maveriks, Mark Cuban. Ein Crash - nichts Neues im Kryptoland.

Die Titanium-Erfinder interpretieren die Entwicklung so: "Wir haben den ersten Banken-Run der Krypto-Geschichte erlebt”, schreiben sie auf ihrer Seite. Der Kurseinbruch von Titanium zog auch den vermeintlich sicheren Stablecoin Iron mit in den Abgrund, weil dieser einen Teil seiner Sicherheiten in Titanium anlegte. Knapp ein Viertel des Wertes löste sich in Luft auf.

Doch Stablecoins sollen Kryptohändlern eigentlich Sicherheiten geben. Sie sind meistens mit stabilen Währungen hinterlegt - ermöglichen Händlern Werte aus spekulativen Digitalwährungen zu parken, ohne sie in echte Devisen zu tauschen. Doch nach diesem Vorfall stellt sich nun die Frage: Sind die anderen milliardenschweren Stablecoin-Einlagen wirklich sicher?

Der rasante Aufstieg der Stablecoins

"2017 waren die Stablecoins noch klein. Doch heute sind sie ein wichtiger Teil des Krypto-Ecosystems”, sagt der Blockchain-Experte Joseph Edwards, der bei Enigma Securities die Analyse-Abteilung leitet. Laut Edwards hat sich rund um die Stablecoins ein ganzes System von dezentralen Finanzprodukten entwickelt.

Wann immer der Kurs von Kryptowährungen sinkt, steigen die Einlagen bei den vermeintlich stabilen Coins. So haben seit dem jüngsten Kurseinbruch bei Bitcoin und Co immer mehr Menschen ihre Gelder aus Kryptospekulationen in Tether geparkt - insgesamt mehr als 50 Milliarden Euro. Damit liegt Tether bei der Marktkapitalisierung auf dem dritten Platz aller Kryptowährungen nach Bitcoin und Ethereum. Auch der zweitgrößte Stablecoin Circle - oder auch USD-Coin genannt - ist unter den Top Ten der Digitalwährungen - dort wird ein Wert von mehr als 20 Milliarden Euro gelagert. 

Die Gründer und Entwickler dieser Stablecoins lassen derzeit wohl die Sektkorken knallen. Sie verwalten riesige Vermögenswerte. Doch mit der Größe kommt die Verantwortung. Dieser wurden beispielsweise die Entwickler von Tether nicht gerecht: Lange behaupteten sie, dass jeder eingelegte Dollar mit Cash-Beständen gedeckt sei.

Doch das stellte sich als falsch heraus. Die New Yorker Generalstaatsanwaltschaft hat das Unternehmen wegen Falschaussagen deshalb bereits zu einer Millionenstrafe verdonnert und Tether den Handel in New York verboten. Außerdem muss das Unternehmen vierteljährlich darüber Auskunft geben, wie die Gelder angelegt sind.

Absicherung ist "Schall und Rauch”

Auf Druck der Behörden veröffentlichte das Unternehmen zwei Grafiken. Demnach liegen fast 30 Milliarden Dollar in sogenannten Geldmarktpapieren. Bei dieser Anlageklasse spielt Tether somit in einer Liga mit den größten Vermögensverwaltern oder Google und Apple. Auch unterzog sich das Unternehmen im Märzeiner Wirtschaftsprüfung von einer Firma mit Sitz auf den Cayman Islands. Diese hatte nichts zu beanstanden.

Die Webseite von Tether: Global, schnell und sicher - so das VersprechenBild: tether.to

Die kanadische Kryptojournalistin Amy Castor verfolgt den Siegeszug von Tether schon länger. Für ein Unternehmen mit Einlagen von 60 Milliarden Dollar seien die zwei Kuchengrafiken "ein Witz”. Die Absicherung von Tether sei "Schall und Rauch”,schreibt Castor auf ihrem Blog und verweist auf deren kleingedruckte Service-Bedingungen. Dort heißt es, dass sich das Unternehmen das Recht vorbehalte, die Auszahlung der Coins zu verzögern, falls es zu einem Mangel an Liquidität oder sogar Verlust der Reserven kommt. Weiter heißt es: "Tether gibt keine Gewährleistung darüber ab, ob Tether Coins, die auf der Website gehandelt werden können, zu irgendeinem Zeitpunkt in der Zukunft auf der Website gehandelt werden können.” Hundertprozentige Sicherheit klingt anders.

Stablecoins und die Systemfrage

Auch der deutsche Kryptoexperte Philipp Sandner von der Frankfurt School of Finance & Management sieht den Stablecoin skeptisch. Tether sei dennoch solider als das hochregulierte Finanzunternehmen Wirecard, das vor einem Jahr pleite gegangen ist, sagt Sandner im DW-Gespräch. Derzeit sei das Vertrauen in das Angebot von Tether da, weshalb niemand sein Geld dort abziehe.

Glaubt an die Technologie hinter Bitcoin und Co - Philipp Sandner von der Frankfurt School of Finance & ManagementBild: Frankfurt School of Finance & Management

Der Krytpoanalyst Joseph Edwards von Enigma Securities geht davon aus, dass Tether durchaus sehr liquide ist und auch die Gelder schnell mobilisieren könnte. Allerdings sei die entscheidende Frage, ob das Unternehmen bei seinen Angaben ehrlich gewesen sei, so Edwards im Interview mit der DW.

Analysten und auch die Behörden werden bei dieser Frage wohl nun etwas genauer auf Tether schauen, denn die Geschichte der Kryptosphäre ist auch eine von Betrug und Diebstahl. Sollte ein derart großer Spieler wie Tether sich als Betrugsfall herausstellen, dann würde erst mal viel Vertrauen verloren gehen, sagt Blockchain-Experte Sandner.

Er ist aber dennoch von der Technologie hinter Krptowährungen wie Bitcoin und Ethereum überzeugt. Deshalb erhofft er sich, dass auch Staaten Kryptowährungen und Stablecoins ernster nehmen. Derzeit seien in Europa die Hürden aber so groß, dass er sich nicht vorstellen könne, dass "jemals ein halbwegs systemrelevanter Euro-Stablecoin geschaffen werden kann”. Es könnten also in Zukunft noch viele Milliarden in Tether und Co fließen - auch wenn deren Transparenz weiter zweifelhaft bleibt.

 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen