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Warum der US-Ölboom den normalen Menschen nicht hilft

Amanda Coulson-Drasner
13. März 2025

Die Ölindustrie behauptet, dass eine erhöhte Produktion niedrigere Preise für die Steuerzahler, Energieunabhängigkeit und gute Jobs für Amerikaner bedeutet. Ist das wirklich so? Perspektiven aus Texas.

USA Deer Park | Öltürme ragen in den Himmel, an einem ist eine Flamme sichtbar
Der US-Bundesstaat Texas fördert viel Öl, aber auch erneuerbare Energien sind auf dem Vormarsch Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Wenn man durch die riesigen, staubigen Weiten von West-Texas fährt,  ist die Ölindustrie überall zu sehen. Die Landschaft ist übersät mit Ölpumpen, die sich rhythmisch heben und senken, während sie das schwarze Gold, auf dem die Wirtschaft der Region beruht, aus der Tiefe holen.

Die USA sind der weltweit führende Öl-Produzent und alle US-Regierungen der vergangenen Jahre haben sich für mehr Bohrungen im ganzen Land eingesetzt. Eine erhöhte Förderung, so das Argument, würde zu niedrigeren Preisen an der Tankstelle, zur Schaffung vieler guter Arbeitsplätze und zur Energieunabhängigkeit  des Landes führen. So wurde auch in Texas viel gebohrt. Fast die Hälfte des US-Öls stammt aus dem südlichen Bundestaat.

Allein im August 2024 förderte Texas rund fünf Millionen Barrel pro Tag und deckte damit fast fünf Prozent der weltweiten Nachfrage. 

Wo sind all die Arbeitsplätze?

Von den Versprechungen, die im Zusammenhang mit Ölbohrungen gemacht werden, sind Arbeitsplätze vielleicht die emotionalste. Die Branche wird oft als Rettungsanker für hart arbeitende Amerikaner dargestellt, der hohe Löhne und einen Weg zum Wohlstand bietet. Das war es auch, was den jungen Ingenieur Hollis Eubanks motivierte, in der Ölindustrie zu arbeiten.

"Der große Anreiz war das Geld. Es ist eine Menge Geld. Ich kenne Leute, die nicht einmal einen Highschool-Abschluss haben und sechsstellig im Jahr verdienen", sagt er.

Eubanks lebt im Bundesstaat Mississippi. Aber er fährt immer wieder für ein paar Wochen die elf Stunden nach Midland in Westtexas, um zu sehen, ob er gebraucht wird, wenn etwa eine Bohranlage blockiert ist oder Bohrlöcher gewartet werden müssen.

"Man gewöhnt sich daran, dieses Geld zu verdienen, und es ist sehr schwer, sich davon abzuwenden. Es ist schwer, zu einem normalen Leben zurückzukehren, denn wenn man es erst einmal im Blut hat, macht es süchtig", erzählt er der DW.

Auch Hollis Eubanks schätzt das hohe Einkommen, das die Arbeit in der texanischen Ölindustrie versprichtBild: Ryan Downling/DW

Nach fast einem Jahrzehnt in der Branche hat Eubanks jedoch gesehen, wie unbeständig die Arbeit sein kann. Massive Entlassungen, oft ausgelöst durch Überproduktion oder Marktabschwünge, sind keine Seltenheit. Und der technologische Fortschritt ermöglicht es den Unternehmen, mit weniger Arbeitskräften ein hohes Produktionsniveau zu halten.

Hinzu kommt, dass die texanischen Sommer leicht 40 Grad Celsius oder mehr erreichen können, während Ölarbeiter in anderen Staaten wie North Dakota eisiger Kälte und Schneestürmen ausgesetzt sind. "Diese Leute arbeiten bei Regen, Schnee, Hitze, Kälte. Alles. Das muss man aushalten können", sagte Eubanks. "Ich glaube viele Leute zögern, so zu arbeiten".

Die harten Arbeitsbedingungen und die Tatsache, dass sie viel Zeit weit weg von zuhause verbringen müssen, reicht aus, um einige aus der Branche zu vertreiben. Trotz aller Versprechen ist die Zahl der Beschäftigten in der Öl- und Gasindustrie so niedrig wie seit den späten 1990er-Jahren nicht mehr. Und Eubanks hat beobachtet, dass mehr Menschen die Branche verlassen als früher.

"Viele Leute sind einfach nach Hause gegangen und arbeiten dort, wo sie etwas finden konnten", sagte er. "Viele die ich kenne haben die Branche verlassen und betreiben jetzt Kräne für Windturbinen oder Solaranlagen."

Auch Eubanks denkt über einen Wechsel nach. Weil Texas inzwischen auch die meisten erneuerbaren Energien im ganzen Land produziert, bietet der Sektor viele Beschäftigungsmöglichkeiten. Tatsächlich wachsen die Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien landesweit doppelt so schnell wie im übrigen Energiesektor und in der US-Wirtschaft insgesamt.

Die Windenergie wächst in Texas, und einige Ölarbeiter wechseln in den Sektor der erneuerbaren Energien Bild: Ryan Downling/DW

Drill, baby, drill: Vermehrte Bohrungen für Energieunabhängigkeit

Eine weitere politisch aufgeladene Behauptung der Ölindustrie lautet, dass die USA durch verstärkte Bohrungen nicht mehr von der Gnade ausländischer Ölproduzenten abhängig sind. Die Realität ist jedoch vielschichtiger. Das gilt auch für das Öl selbst, das es als leichtes und schweres Rohöl gibt.

Vor dem Fracking-Boom förderten die USA vor allem schweres Öl, für dessen Verarbeitung ihre Raffinerien ausgelegt waren. Doch seit dem Aufkommen des weit verbreiteten Frackings produzieren die USA nur noch leichtes Rohöl. Dieses Missverhältnis führt dazu, dass die USA ihr Fracking-Öl oft nach Übersee verkaufen und andere Ölsorten für den heimischen Bedarf importieren.

Das meiste US-Öl geht nach China und Europa, während die Importe hauptsächlich aus Kanada stammen. Auch wenn die Steigerung der heimischen Produktion die Abhängigkeit von ausländischem Öl bis zu einem gewissen Grad verringert hat, werden die USA nicht in der Lage sein, sich vollständig von Importen unabhänig zu machen.

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Was ist mit dem Versprechen niedrigerer Kosten?

Oberflächlich betrachtet scheint es folgerichtig, dass ein größeres Angebot auch niedrigere Kosten bedeutet. Doch in der Praxis funktioniert der Ölmarkt nicht so. "Je mehr man exportiert, desto mehr sind die Preise im Inland auch den internationalen Preisen ausgesetzt", sagt Baird Langenbrunner von Global Energy Monitor.

Die Ölgesellschaften haben auch wenig Anreiz, den Markt mit billigem Öl zu überschwemmen, weil höhere Preise auch höhere Gewinne bedeuten. Für den normalen Amerikaner bedeutet dies, dass selbst bei gesteigerter Produktion die Einsparungen an der Zapfsäule oft nur minimal sind.

Versteckte Kosten der Ölindustrie für die Steuerzahler

Dazu kommen versteckte Kosten in Form von nicht angeschlossenen oder nicht fachgerecht verschlossenen alten Bohrlöchern. Sobald ein Unternehmen die Bohrungen an einem bestimmten Standort beendet hat, sollte das Bohrloch versiegelt werden, um zu verhindern, dass schädliche Chemikalien das Grundwasser verunreinigen und Methan, ein starkes Treibhausgas, weiter entweicht.

Hawk Dunlaps Grundstück ist mit vielen unzureichend oder gar nicht verschlossenen Bohrlöchern übersätBild: Ryan Downling/DW

Aber das ist nicht immer der Fall. Eine Stunde außerhalb von Midland leben Hawk Dunlap, Spezialist für die Kontrolle von Ölbohrungen, und Sarah Stogner, Anwältin für Öl und Gas, auf einer Ranch, auf der die Ölindustrie ihre Spuren hinterlassen hat. Vor zwei Jahren begannen sie, alte Bohrlöcher freizulegen.

"Die ersten sieben, die wir ausgegraben haben, waren undicht. Sie sahen so aus", sagt Dunlap und zeigt auf ein abgesägtes Rohr, aus dem Rohöl sprudelt. "Seitdem haben wir auf dieser Ranch 100 ausgegraben, und ich würde sagen, 95 von ihnen sind undicht "

Messungen haben ergeben dass einige solcher nicht gestopften Bohrungslöcher so viel Methan ausstoßen können wie 4.000 Autos in einem einzigen Jahr. Und die einzige Möglichkeit, dies zu verhindern, besteht laut Stogner darin, eine stillgelegte Bohrung "fachgerecht zu versiegeln".

"Wenn man sie zur Ruhe legen will, muss man auch für die Beerdigung bezahlen."

Stillgelegte Bohrlöcher, die nicht fachgerecht versiegelt werden, können auslaufen und zu einer Gefahr für die menschliche Gesundheit werdenBild: Ryan Downling/DW

Aber das passiert nicht, sagt sie. Offiziell sind in Texas 8.375 unverschlossene Bohrlöcher registriert, weitere 783.000 im ganzen Bundesstaat gelten als inaktiv. Untersuchungen haben ergeben, dass es im ganzen Land bis zu 2,6 Millionen nicht mehr genutzte Bohrlöcher geben könnte, deren fachgerechte Versiegelung 280 Milliarden Dollar kosten könnte.

Darin nicht enthalten sind undokumentierte und unsachgemäß verschlossene Ölquellen, wie die auf dem Grundstück, wo Dunlap und Stogner leben. Obwohl es einige nationale und bundesstaatliche Sanierungsprogramme gibt, ist weniger als ein Prozent der Finanzierung gesichert. Das lege die Last auf die falschen Schultern, findet Stogner.

"Wir subventionieren die Sanierung", sagte sie. "Das Geld, das die Industrie an Steuern zahlt, wird umgedreht und dazu verwendet, ihren Dreck zu beseitigen."

Aus dem Englischen adaptiert von Anke Rasper.

Redaktion: Tamsin Walker

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