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Gesellschaft

Warum Deutschland über Wasser streitet

6. August 2019

Immer da, immer klar: Das ist das Bild, das viele Deutsche von ihrem Trinkwasser haben. Eine Ressource, die nicht versiegen kann. Eine Vorstellung, von der sich Deutschland womöglich verabschieden muss.

Symbolbild Tropfender Wasserhahn
Bild: picture-alliance/dpa/C. Schmidt

Die Warnung kam über das Handy. Die Trinkwasservorräte seien "besorgniserregend", meldete Ende Juni die Warn-App NINA des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Betroffen war mit Herford vor allem eine Region in Nordrhein-Westfalen.

Auch ein paar Kilometer weiter nördlich zeigte sich ein ähnliches Bild. Einige Bewohner der Kleinstadt Lohne in Niedersachsen saßen auf dem Trockenen. Aus dem Wasserhahn kam vor allem abends kaum noch Wasser. Beide Beispiele zeigen, woran niemand in Deutschland gewöhnt ist: Wasser ist eine Ressource. Und sie ist endlich.

Im wasserreichen Deutschland eigentlich undenkbar. Im Jahr 2013 wurden laut Umweltbundesamt (UBA) 25 Milliarden Kubikmeter Wasser entnommen. Damit nutzte Deutschland nur 13 Prozent des verfügbaren Süßwassers. Seitdem haben aber der Hitzerekordsommer 2018, ein Winter mit wenig Niederschlag und die heißen, trockenen Tage in diesem Sommer vor allem einer Wasserquelle zugesetzt: dem Grundwasser.

Eine umkämpfte Ressource

Lutz Neubauer vom Naturschutzbund (NABU) Niedersachsen geht davon aus, dass allein in seinem Bundesland der "Grundwasserspiegel zwischen 1,5 und 2 cm jährlich sinkt." Das bedeutet weniger verfügbares Wasser, während gleichzeitig trockene Hitzephasen dafür sorgen, dass kaum neues Wasser nachkommt.

Die Hitze sorgt gleichzeitig aber für eine höhere Nachfrage. Der Rasen im Garten wird trocken, jeder sehnt sich nach einer Abkühlung im Pool. Das allein setzt schon den Wasserversorgern zu. Im Nordosten Nordrhein-Westfalens wurden in diesem Sommer sogar Bußgelder verteilt, wenn Bürger mit Frischwasser ihre Pools befüllt oder Autos gewaschen haben.

Die jüngsten Hitzewellen haben viele Felder in Deutschland staubtrocken zurück gelassenBild: picture-alliance/dpa/S. Hoppe

Konkurrenz aus ungewohnter Richtung

Doch in den letzten Jahren ist noch eine weitere Gruppe dazu gekommen, die immer dringender Grundwasser braucht: Landwirte. "Es bahnt sich eine Konkurrenzsituation ums Wasser an. Wir sollten uns rechtzeitig Gedanken über eine effiziente Verteilung machen", sagt Jörg Rechenberg, Wasserexperte beim UBA. Bisher brauchten Landwirte das Grundwasser nicht. Der Regen hat ausgereicht, um ihre Felder zu bewässern. Das hat sich geändert. Die Hitzewellen haben ihre Felder staubtrocken hinterlassen. Die Folge: Die Bauern brauchen Wasser aus anderen Quellen. "Die Anzahl der Anträge, die Landwirte stellen, um Grundwasser entnehmen zu dürfen, ist deutlich gestiegen", sagt Neubauer vom NABU-Niedersachsen über seine Region.

Es sind Leute wie Tobias Gerdesmeyer, die die Auswirkungen dieser Entwicklung zuerst bemerken. Er ist Bürgermeister der Stadt, der im Juni das Wasser ausging: Lohne in Niedersachsen. Schuld war aber nicht zu wenig Grundwasser, sondern alte Leitungen, die die Menge an Wasser nicht mehr vertragen können. Eine neue Leitung ab September soll Abhilfe schaffen. Dann wird es wieder für alle Bürger zu jeder Tageszeit Wasser aus dem Hahn geben.

Wasser bei Starkregen auffangen

Aber dennoch, Gerdesmeyer macht keinen Hehl daraus, dass Wasser in seiner Stadt ein großes Thema ist: "Wir können hier einen Wettstreit um Wasser beobachten und sind uns dieser Thematik sehr bewusst." Auch er habe die gesteigerte Nachfrage von Landwirten nach Grundwasser beobachtet. Gleichzeitig verbraucht ein großer Schlachtbetrieb in der Region große Mengen Wasser. "Wir brauchen innovative Konzepte, wie wir Wasser effizient nutzen können", sagt Gerdesmeyer.

Tobias Gerdesmeyer, Bürgermeister von Lohne, muss den Streit um Wasser in seiner Stadt schlichtenBild: Stadt Lohne

Wichtig sei dabei auch, frisches Wasser nicht zu verschwenden. Bisher ist es so, dass das meiste Wasser bei starkem Regenfall versickert und nicht aufgefangen wird. Das will die Stadt Lohne ändern. "Aktuell denken wir darüber nach, Wasser bei Starkregen unter Sportplätzen in Kammern aufzufangen, um es dann später benutzen zu können", erklärt der Bürgermeister.

Wasserverbrauch so hoch wie noch nie

Am Ende sind sie es, die die umkämpfte Ressource Grundwasser verteilen: Wasserversorger wie der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband (OOWV). Rund eine Million Kunden beliefert der OOWV, die Hälfte davon privatwirtschaftliche Bezieher von Grundwasser, also Landwirte oder Industriebetriebe.

Axel Frerichs, stellvertretender Geschäftsführer, ist sich der Situation bewusst: seine 15 Wasserwerke befänden sich in Phase "Wachstum Plus". Das bedeutet, die Nachfrage nach Grundwasser ist sehr hoch. Mitte Juli war der Wasserverbrauch so hoch wie noch nie in der 71-jährigen Verbandsgeschichte. Der Verband appellierte an die Verbraucher, sparsamer zu sein und senkte den Wasserdruck. Frerichs rechnet aber mit weiteren Maßnahmen: "In 50 Jahren könnten wir hier in der Region Kunden haben, die in einem Klima leben, wie das heute in Toulouse der Fall ist. Wir müssen unsere Wasserwerke aufrüsten, damit wir mehr Wasser gewinnen können."

In Wasserwerken wie diesem im Kreis Osnabrück wird Grundwasser aufbereitetBild: picture-alliance/dpa/I. Wagner

Noch gibt es in Deutschland keinen Wassermangel. Darin sind sich fast alle Experten wie Rechenberg vom UBA einig. Tatsächlich leidet Deutschland nicht unter sogenanntem Wasserstress, was laut UBA "ein steigendes Risiko für Umweltprobleme und wirtschaftliche Schwierigkeiten" bedeuten würde. "Es besteht kein Grund zur Panik oder Radikalmaßnahmen", sagt Rechenberg. "Aber es ist höchste Zeit, dass wir beginnen, Konzepte umzusetzen, damit wir auch in Zukunft den Wasserhahn aufdrehen können und es kommt gutes Wasser hinaus."

Seit zehn Monaten gibt es in regelmäßigen Abständen unter Leitung des Bundesumweltministerium den "Nationalen Wasserdialog" mit Vertretern verschiedener Gruppen, wie Landwirten und Industrieverbänden. Bis Herbst 2020 soll das erarbeitet werden, was derzeit dringend notwendig erscheint: eine längerfristige Wasserstrategie, die den vielversprechenden Namen "Zukunft Wasser" trägt.

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