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Warum die 50+1-Regel Fußball in Deutschland besonders macht

17. Juni 2025

In Deutschland schützt die 50+1-Regel Profifußballklubs vor kompletter Kontrolle durch Investoren - ein Alleinstellungsmerkmal in Europa und der Welt. Sie hat international viele Anhänger, sorgt aber auch für Kritik.

Ultras des VfB Stuttgart auf der Tribüne mit 50+1-Spruchbändern: "Die Macht gehört dem Verein, 50+1 muss für immer sein"
Viele deutsche Fußballfans sehen in der 50+1-Regel das zentrale Instrument gegen Kommerzialisierung Bild: Robin Rudel/Pressefoto Rudel/picture alliance

Was ist die 50+1-Regel?

Die 50+1-Regel ist eine zentrale Vorschrift im deutschen Profifußball, mit der sichergestellt werden soll, dass innerhalb eines Fußballvereins die Vereinsmitglieder die Kontrolle über dessen Profiabteilung behalten.

Die Regel, die es seit 1999 gibt, schreibt daher vor, dass der Mutterverein, beispielsweise der FC Bayern München, mindestens 50 Prozent plus eine Stimme an seiner ausgegliederten Profifußballgesellschaft halten muss - in diesem Fall an der FC Bayern München Fußball AG. Dadurch ist gewährleistet, dass die Mehrheit der Stimmrechte stets beim Verein und seinen Mitgliedern liegt.

Die Einhaltung der Regel im deutschen Profifußball wird hauptsächlich von der Deutschen Fußball Liga (DFL) überwacht. Die DFL ist der Ligaverband, der für Organisation und Regulierung der Bundesliga und 2. Bundesliga zuständig ist.

Daneben spielt das Bundeskartellamt, die zentrale Wettbewerbsbehörde in Deutschland, eine wichtige Rolle. Seit 2018 prüft das Amt die 50+1-Regel auf mögliche Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht. 

Was ist der Sinn der Regel?

Anders als in anderen Ländern sollen Profifußballvereine vor der Übernahme durch externe Investoren geschützt werden. Aufgrund der Regel kann kein Investor einen Klub vollständig unter seine Kontrolle bringen und - möglicherweise an den Interessen der Fans vorbei - ausschließlich nach wirtschaftlichen Aspekten leiten.

In Deutschland - hier beim FC Bayern München - entscheiden die Fans als Vereinsmitglieder mit, was in ihrem Klub passiertBild: Sampics Photographie/picture alliance

Die Regel sorgt somit auch für eine gewisse Chancengleichheit, da es nicht möglich ist, dass ein Verein dank seines potenten Investors unverhältnismäßig viel mehr Geld investiert als andere Vereine.

Zudem schützt die Regel die Fankultur, die in Deutschland stark ausgeprägt ist. Fans sind hier nicht nur zahlende Zuschauer, sondern aktive Vereinsmitglieder, die zum Beispiel im Rahmen der Jahreshauptversammlung über wichtige Vereinsentscheidungen mitbestimmen können. Die überwiegende Mehrheit der organisierten Fans in Deutschland sind gegen die Kommerzialisierung des Fußballs. Die 50+1-Regel hat für sie daher einen hohen Stellenwert.

Gibt es Ausnahmen von der Regel?

Eine Sonderregel erlaubt es Investoren, nach 20 Jahren Investment die Mehrheit an einer Profifußballabteilung zu übernehmen. Aktuell dürfen daher die Bundesligaklubs Bayer 04 Leverkusen und VfL Wolfsburg von Unternehmen kontrolliert werden, weil sie von diesen seit über 20 Jahren ununterbrochen und maßgeblich unterstützt werden. 

Die Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH gehört zu 100 Prozent dem Chemiekonzern Bayer AG, die VfL Wolfsburg-Fußball GmbH zu 100 Prozent dem Volkswagen-Konzern.

Chemiekonzern gegen Autofabrik? Die Profiabteilungen von Leverkusen und Wolfsburg gehören der Bayer AG und VolkswagenBild: Martin Meissner/AP Photo/picture alliance

Bis 2023 galt die Ausnahmeregelung auch für die TSG Hoffenheim, die von Mäzen Dietmar Hopp, einem der Mitbegründer der Softwarefirma SAP, finanziell unterstützt wurde und der die Mehrheit an den Stimmrechten der TSG 1899 Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH besaß.

Allerdings verzichtete Hopp im Juni 2023 auf sein Mehrheitsrecht und gab die Stimmrechte zurück an den Mutterverein. Damit ist die TSG wieder ein normaler 50+1-Verein.

Einen Sonderfall bildet RB Leipzig. Zwar hält der Verein die Regel formal ein, steht aber in der Kritik, weil es insgesamt nur 23 stimmberechtigte Mitglieder gibt, von denen die meisten eine starke Nähe zum Sponsor Red Bull besitzen. Kritiker werfen dem Klub daher vor, die Regel zu unterlaufen, ohne sie direkt zu brechen.

Das Bundeskartellamt fordert hier aktuell Nachbesserungen und einen offeneren Zugang zur Mitgliedschaft. In Bezug auf Leverkusen und Wolfsburg besteht die Empfehlung, die Ausnahmeregelung anzupassen, da sie mit der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum Sportkartellrecht nicht mehr ohne Weiteres vereinbar sei.

Gibt es auch Kritik an der Regel?

Kritiker argumentieren, dass 50+1 deutsche Fußballklubs im internationalen Vergleich finanziell benachteiligt. Während Mannschaften in England, Frankreich oder Saudi-Arabien dank ihrer Investoren über enorme Summen verfügen können, sind deutsche Vereine durch die Regel bei der Beschaffung von Kapital eingeschränkt. Potenzielle Geldgeber würden abgeschreckt, weil sie zwar (viel) Geld investierten, aber im Gegenzug nicht die Kontrolle über den Klub erhielten.

Ein weiterer Kritikpunkt ist der, dass die Regel in der Praxis umgangen werden kann (Beispiel RB Leipzig) und sie daher wirkungslos und unglaubwürdig sei. Andere, die sich mehr Investorenbeteiligung wünschen, sehen in der Regel ein Hindernis für strukturelle Reformen des Fußballs und unternehmerische Flexibilität.

Wünschen sich auch Fans aus anderen Ländern eine 50+1-Regel?

Viele Fans aus anderen Ländern wünschen sich ein Modell wie die 50+1-Regel - besonders in Reaktion auf umstrittene Investorenübernahmen und den wachsenden Einfluss großer Geldgeber. In England wurden entsprechende Stimmen laut, nachdem der saudische Staatsfond PIF 2021 den Premier-League-Klub Newcastle United übernahm.

Auch die 2021 kurzzeitig im Raum stehende Gründung einer Super League, an der ursprünglich sechs englische Vereine teilnehmen wollten, befeuerte die Diskussionen. 

Der Premier-League-Klub Newcastle United gehört seit 2021 mehrheitlich dem staatlichen Investitionsfonds Saudi-Arabiens PIFBild: Owen Humphreys/dpa/picture alliance

In Frankreich wächst die Kritik an der Dominanz von Investorenklubs wie Paris Saint-Germain, das vom katarischen Staatsfonds kontrolliert wird. Auch die Vereine OGC Nizza, Olympique Lyon, Olympique Marseille, AS Monaco und FC Toulouse gehören mehrheitlich ausländischen Investoren. Viele Fans wünschen sich mehr Mitspracherecht und eine stärkere Rückbindung der Vereine an ihre Mitgliederbasis.

In Italien haben Traditionsvereine wie AC oder Inter Mailand in den vergangenen Jahren mehrfach den Besitzer gewechselt - meist mit wenig Rücksicht auf die Interessen der Fans. Forderungen nach einer Reglementierung, die den Einfluss von Investoren begrenzt und die Identität der Vereine schützt, werden daher lauter.

In Spanien sind die Topklubs Real Madrid und FC Barcelona weiterhin Mitgliedervereine, aber einige kleinere Vereine gehören Investoren aus dem Ausland. Auch hier gibt es Bewegungen, die sich für eine Rückkehr zur mitgliedergeführten Struktur starkmachen.

Und auch in Brasilien, wo der Fußballmarkt erst 2021 für Investoren geöffnet wurde, wächst die Sorge vor einem Identitätsverlust der Vereine. Daher gibt es auch dort Initiativen aus Reihen der Fans aber auch von Sportökonomen, Juristen und Politikern, die sich dafür einsetzen, dass gesetzliche Schutzmechanismen nach deutschem Vorbild eingeführt werden.

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