Frauen-Bundesliga: Immer mehr Fusionen
4. September 2020Eintracht Frankfurt gegen Werder Bremen. SC Freiburg gegen Bayer Leverkusen. Zwei der sechs Begegnungen, die an diesem Wochenende zum Auftakt der Frauen-Bundesliga-Saison 2020/21 auf dem Spielplan stehen, sind selbst jenen vertraut, die sich nur für die Männer-Bundesliga interessieren. Mit dem Champions-League-Finalisten VfL Wolfsburg und dem Viertelfinalisten FC Bayern München kommen zwei weitere "alte Bekannte" dazu. Der FC Bayern ist der einzige Verein der zwölf Erstligisten, der schon in der ersten Saison der Frauen-Bundesliga - 1990/91 - unter dem aktuellen Namen dabei war. Mehrere Klubs schlossen sich mit anderen zusammen oder änderten ihren Vereinsnamen, oft als Folge der Angliederung an Vereine der Männer-Bundesliga.
Jüngstes Beispiel dafür ist eine Mannschaft, die den Frauenfußball in Deutschland lange Zeit dominiert hat: Der 1. FFC Frankfurt wurde siebenmal deutscher Meister und holte neunmal den DFB Pokal. Dazu gewannen die Frankfurterinnen viermal den Titel der besten Frauen-Mannschaft Europas. Seit dem 1. Juli gehört das Team zu Eintracht Frankfurt. Am 27. August wurde der alte 1. FFC auf einer Mitgliederversammlung als Verein offiziell aufgelöst. In den vergangenen Jahren hatten die Frankfurterinnen zunehmend den Anschluss an die aktuell besten Mannschaften Deutschlands, Wolfsburg und Bayern, verloren - sowohl finanziell als auch sportlich. Da lag es beinahe schon auf der Hand, sich dem Männer-Bundesligisten Eintracht Frankfurt anzuschließen und dafür die Kröte zu schlucken, die eigene Identität aufzugeben.
"Spätestens mit dem Anpfiff im Champions-League-Finale 2015 in Berlin, dem vierten in der Vereinsgeschichte, wusste ich, das kann eigentlich nur der letzte eines reinen Frauenfußball-Vereins gewesen sein, weil der Wettbewerb in Deutschland und in Europa hat immense Fahrt aufgenommen. Wir alle haben das in der Vergangenheit immer gewollt. Und der 1. FFC Frankfurt war mit seinem Geschäftsmodell sicherlich ein besonderes. Aber gegenüber den Maßnahmen, die dann in England, in Frankreich oder auch in Spanien in die Wege geleitet wurden, hat man kaum noch eine Chance gehabt, auf internationaler Bühne sich dann auch zu behaupten", sagt Siegfried Dietrich, Manager des Frankfurter Frauen-Teams, der DW.
Fusion mit Männerteams liegt im Trend
Rückendeckung gab es dafür von oberster Stelle im Deutschen Fußball-Bund (DFB). "Es ist ein starkes Zeichen nicht nur für den Fußball in Frankfurt, sondern in ganz Deutschland", sagte DFB-Präsident Fritz Keller. "Ich hoffe, dass weitere Clubs dem Vorzeigemodell der beiden Frankfurter Vereine folgen und dadurch den Frauenfußball sportlich, gesellschaftlich und wirtschaftlich voranbringen."
Die Frankfurter Fusion liegt auch im europäischen Trend. Die zwölf Mannschaften der Women's Super League in England haben allesamt Pendants in den beiden obersten Ligen der Männer. Auch in der Serie A Femminile in Italien, der Primera Division in Spanien und der Division 1 Feminine in Frankreich ist die überwiegende Mehrheit der Mannschaften mit starken Männer-Teams verbunden. Die Vorteile liegen auf der Hand: mehr finanzielle Unterstützung und damit auch mehr Spielraum bei Neuverpflichtungen, Nutzung erstklassiger Infrastruktur und eine breit aufgestellte Fanszene.
Tatsächlich verfügen fast alle der 16 besten Männer-Teams in Europa auch über eine Frauenmannschaft: Nach der Entscheidung des spanischen Renommierklubs Real Madrid im vergangenen Jahr, das Frauen-Team Deportivo Tacon in den Verein zu integrieren, bleibt Borussia Dortmund die Ausnahme. Doch auch beim BVB gibt es Überlegungen, in den Frauenfußball einzusteigen. Seit Anfang des Jahres läuft eine Umfrage unter den Vereinsmitgliedern, wie sie dazu stehen. Zu den Optionen gehören - nach dem Vorbild Eintracht Frankfurts - die Übernahme einer bestehenden Mannschaft, die enge Zusammenarbeit mit einem Frauenteam - wie im Falle von Hertha BSC und Turbine Potsdam - oder aber die Gründung eines komplett neuen Teams.
Schalker Sonderweg
Einen anderen Weg geht der Erzrivale der Dortmunder, der FC Schalke 04. Bei den Königsblauen liegt der Fokus zunächst auf dem Jugend- und Amateurfußball der Frauen. Mehr als 300 Mädchen und Frauen, die meisten von ihnen Schalke-Fans, nahmen vor einigen Wochen an einer Art Casting teil. 46 Fußballerinnen wurden ausgewählt. Sie sollen demnächst in der Kreisliga starten. Unter den Kandidatinnen, die zur Schalker Talentsichtung erschienen, waren auch Spielerinnen aus England, Frankreich und den Niederlanden. Einige waren bereit, ihre Vereine in der zweiten englischen Liga zu verlassen, um eine Chance in der Bundesliga zu erhalten. Doch darum ging es bei der Aktion gar nicht, sagt Boris Liebing, designierter Trainer der neuen Mannschaft: "Unser Ziel war es, dem Frauenfußball in unserer Region einen Schub zu geben. Wir wollten keine Spielerinnen von anderen Vereinen abwerben. Unser Projekt wird nur in der Umgebung der Stadt Gelsenkirchen angesiedelt sein. Und genau dort wollten wir unsere Spielerinnen finden."
Die neu formierten Schalker Frauen-Mannschaften sollen in der Glücklauf-Kampfbahn spielen. In dem legendären Stadion, das 11.000 Zuschauer fasst, trug die erste Mannschaft der Männer bis 1973 ihre Heimspiele aus. Das wird in starkem Kontrast zum Umfeld der gegnerischen Mannschaften stehen. Doch Liebing hofft, dass das Schalker Versprechen, keine Talente von anderen abzuwerben, die Gemüter beruhigt hat: "Wir wollen nicht, dass sich die Vereine Sorgen machen, dass alle für den großen Namen Schalke spielen wollen. Wir wollen auch Partner für die kleineren Klubs sein." Liebing beharrt darauf, dass "wir im Moment keine Sekunde über die Bundesliga sprechen oder an sie denken". Dennoch dürfte klar sein, dass die Schalker Frauen mehr als jedes andere Team auf diesem Niveau für öffentliches Interesse sorgen und damit Fans und in der Folge auch bessere Spielerinnen anlocken werden.
Angerer: "Zusammenschluss ist legitim"
Die Konzentration des Gelsenkirchener Vereins auf Identität und Bodenständigkeit dürfte dennoch ein Sonderweg bleiben. Zu verlockend sind die Vorteile, die sich aus den finanziellen Möglichkeiten und den professionellen Strukturen der Männer-Klubs ergeben. "Wenn man in der Lage ist, unabhängig zu sein, finde ich das sehr, sehr gut", sagte die ehemalige deutsche Nationaltorhüterin Nadine Angerer kürzlich der DW. "Aber wenn man es nicht ist und eine Liga gewinnen will, finde ich es legitim, sich mit einer Männermannschaft zusammenzuschließen, um den Spielerinnen alles zu geben, was sie brauchen, um erfolgreiche und gute Profis sein zu können." Der Blick auf die Königsklasse des europäischen Fußballs zeigt, was Angerer meint: Olympique Lyon gewann am vergangenen Sonntag zum fünften Mal in Serie die Champions League, nach Siegen im Finalturnier gegen den FC Bayern, Paris St. Germain und im Endspiel gegen den VfL Wolfsburg. Alle diese Partien hätte es auch im Männerfußball geben können.
Adaption: Stefan Nestler