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Warum die Grexit-Debatte schadet

Andreas Becker21. Juli 2015

Gerade erst haben die Griechen frisches Geld bekommen, da ist es schon wieder weg. Das Land braucht neben Reformen vor allem Investoren, eine Sanierung der Banken - und ein Ende der Grexit-Debatte.

Griechenland Athen Schuldenkrise
Bild: Getty Images/AFP/A. Messinis

Die vergangenen Tage waren beispielhaft für den bisherigen Umgang mit der Krise in Griechenland. Ein eilig zusammengestellter Zwischenkredit der Europäischen Union über 7,2 Milliarden Euro sollte die Zeit bis zum nächsten Hilfsprogramm überbrücken. Das Geld traf am Montag in Griechenland ein – und war sofort wieder weg, weil Griechenland insgesamt 6,5 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) und den Internationalen Währungsfonds (IWF) überweisen musste.

Es ist das alte Muster: Geldgeber leihen dem Land Geld, damit weitere Geldgeber ihr Geld zurückbekommen. Wenn es schlecht läuft, wird das so weitergehen. Bald wird über ein drittes Hilfsprogramm verhandelt, das wieder zunächst den Gläubigern helfen soll. Gesamtvolumen nach bisherigen Schätzungen: 86 Milliarden Euro.

"Das Geld wird vor allem dazu eingesetzt, die griechischen Schulden zu refinanzieren. Damit werden die Fehler aus dem ersten Programm wiederholt", sagt Panos Tsakloglou, Professor an der Athener Wirtschaftshochschule, gegenüber DW. Beim ersten Programm waren es vor allem europäische Banken, die von den Milliardenkrediten für Griechenland profitierten.

Investoren gesucht

Tsakloglou, der schon als Berater für drei Vorgänger des jetzigen Premierministers Alexis Tsipras tätig war, ist nicht gegen Reformauflagen, ganz im Gegenteil. Reformen, die zu mehr Wettbewerb und unternehmerischer Tätigkeit führen, seien absolut notwendig. Reines Sparen würde dagegen nicht helfen. "Jetzt werden wieder Sparprogramme verordnet, die die griechische Wirtschaft nicht beleben. Das geht nur durch Investitionen."

Doch woher soll das Geld dafür kommen? Nach Berechnungen des grünen Europa-Abgeordneten Sven Giegold sehen die bisherigen Pläne für das dritte Programm nur 3,5 Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln für Investitionen vor.

"Den 3,5 Milliarden mehr Geld für die griechische Wirtschaft stehen viel mehr Milliarden an Rentenkürzungen, Mehrwertsteuererhöhung und anderen Kaputtsparmaßnahmen gegenüber", schreibt Giegold auf seiner Webseite. "Deshalb macht der Deal ökonomisch wenig Sinn."

"Was wir brauchen, ist Kapital. Das fehlt uns für den Produktionsprozess in Griechenland", sagt der Ökonom Tsakloglou. Wenn durch Reformen ein unternehmerfreundliches Umfeld geschaffen würde, könnten Mittel aus den europäischen Fördertöpfen oder dem Investitionsplan von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ein Startsignal geben. Das Gros der Investitionen müsse allerdings aus der Privatwirtschaft kommen.

Griechische Bank: Kapitalkontrollen bleiben in KraftBild: Getty Images/M. Bicanski

Faule Kredite

Doch selbst große Konzerne haben derzeit Schwierigkeiten, an Geld zu kommen. "Wenn die sich für drei bis fünf Jahre Geld leihen wollen, müssen sie zwischen acht und mehr als neun Prozent Zinsen zahlen", sagt Tsagloglou.

Lohnkosten seien längst nicht mehr das Problem, denn die Löhne in Griechenland seien wieder auf dem Stand der späten 1990er Jahre. "Aber alle Wettbewerbsvorteile, die wir durch niedrige Löhne haben, verlieren wir wieder durch gestiegene Kapitalkosten."

Griechische Banken sind derzeit aber kaum in der Lage, Unternehmen Kredite für Investitionen zu geben. Nach Schätzungen war schon zu Anfang des Jahres jeder dritte Kredit in ihren Büchern notleidend, wird also nicht mehr regelmäßig bedient.

"Inzwischen dürfte der Anteil notleidender Kredite sogar deutlich höher sein", sagt Jürgen Pfister, früher Chefvolkswirt der Bayerischen Landesbank und heute selbstständiger Ökonom. "Denn seit Beginn des Jahres hat sich die wirtschaftliche Lage des Landes deutlich eingetrübt. Vermutlich bleibt sie auch für den Rest des Jahres sehr ungünstig."

Sanierung der Banken

Neben weiteren Reformmaßnahmen soll das Parlament in Athen am Mittwoch (22.07.2015) auch die EU-Richtlinien zur Sanierung und Abwicklung von Banken verabschieden. "Damit wäre der Weg frei für das sogenannte Bail-in, also dass für eine Sanierung auch die Eigentümer und Gläubiger der Banken herangezogen werden, und nicht in erster Linie die Steuerzahler."

Wobei hier die Grenzen fließend sind. Seit Beginn der Krise ist der griechische Staat an allen vier Großbanken des Landes beteiligt und wäre somit auch von den Kosten einer Sanierung betroffen.

Die Frage ist, ob die geplanten Maßnahmen ausreichen, um die griechischen Banken wieder fit zu machen für ihre Hauptaufgabe: Unternehmen Kredite für Investitionen zu geben. Selbst wenn die Konjunktur langsam anziehen sollte, werde es sicher noch bis 2018 oder 2019 dauern, "bis die Banken aus dem Gröbsten raus sind", schätzt Pfister.

Umso wichtiger seien daher Investitionen ausländischer Firmen. Auch deshalb drängen die Geldgeber auf die Privatisierung griechischer Staatsbetriebe. Die Syriza-Regierung hat sich bisher heftig dagegen gewehrt mit dem Argument, ein Verkauf zu niedrigen Preisen mitten in der Krise gleiche einer Verschleuderung von Staatsbesitz.

Ein freiwilliges Ausscheiden "wäre für Griechenland der bessere Weg", sagte Schäuble dem Magazin Der Spiegel.Bild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Grexit-Diskussion schadet Investitionen

Seit dieser Woche sind die griechischen Banken wieder geöffnet, aber Kapitalverkehrskontrollen bleiben bestehen. Kunden können maximal 420 Euro pro Woche abheben, Überweisungen ins Ausland müssen genehmigt werden. Er gehe davon aus, dass die Kontrollen "noch mindestens bis zum Jahresende" in Kraft bleiben, sagt Jürgen Pfister. Voraussetzung für eine Aufhebung sei "das Vertrauen in die Stabilität des griechischen Staates und des Bankensystems".

Es sei daher wichtig, die endlose Diskussion über den Grexit, also das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone, zu beenden, glaubt der Athener Ökonom Tsakloglou. "Warum haben die Leute ihr Geld von der Bank abgehoben? Warum gibt es derzeit keine wirtschaftliche Aktivitiät im Land?", fragt er und gibt die Antwort gleich selbst: "Wegen der Angst vor einem Grexit." Jeder Investor stelle sich die Frage, warum er heute Geld in eine Fabrik oder ein Hotel stecken soll, wenn nach einem Grexit alles um die Hälfte billiger ist.

Vor allem der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat auch nach der Einigung der Eurogruppe mit Griechenland am 13. Juni 2015 nicht aufgehört, über einen möglichen Grexit zu spekulieren. Ein freiwilliges Ausscheiden aus der Eurozone "wäre für Griechenland der bessere Weg", sagte er dem Magazin Der Spiegel.

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