Warum ein Kirchentreffen vor 1700 Jahren heute wichtig ist
24. Mai 2025
Es ist ein Gedenken mit einer ungewöhnlich weiten Dimension. In diesen Tagen vor 1700 Jahren fand das Konzil von Nizäa statt. Dieses große Kirchentreffen im Römischen Reich unter Kaiser Konstantin im Jahr 325 gilt als wesentliche Etappe der kirchlichen Entwicklung. Es prägte wesentliche Teile des heutigen christlichen Glaubens. Und auch 1700 Jahre danach beten Christen in aller Welt ein Glaubensbekenntnis, das gut 200 Bischöfe in Nizäa formulierten und festlegten.
"Nizäa war das einzige Konzil, also die einzige Versammlung im Grunde aller damals in der antiken Kirche maßgeblichen Autoritäten unter der Leitung des Kaisers", erläutert der Paderborner katholische Theologe Christian Stoll im Gespräch mit der DW.
"Im Unterschied zu allen späteren Konzilien wird es bis heute von allen existierenden christlichen Konfessionen anerkannt." Damit sei es vorbildhaft und werde als Jubiläum auch "gerne erinnert", betont Stoll. Das zeigt auch ein Blick auf die Programme kirchlicher Akademien und Bildungshäuser - nicht nur in Deutschland - und auf Tagungen internationaler Theologen-Netzwerke: Fast überall taucht, mit unterschiedlichen Akzentsetzungen, das Konzil von Nizäa in diesem Jahr auf.
Sehnsucht nach Einheit
Stoll (42) ist auch Leitender Direktor des auf Seiten der katholischen Kirche wichtigen Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik. Nach seiner Einschätzung blicken heute "viele Christinnen und Christen weltweit auf dieses Konzil", auch mit der Hoffnung oder in der Absicht, die Einheit nicht nur in der Kirche, sondern auch in der politischen Welt gestärkt zu sehen. Denn 325 sei es letztlich auch um die Einheit der Kirchen und die Einheit des Reiches gegangen. Heute seien Kirche und Welt dagegen gespalten und zersplittert.
In zwei schwärenden grundsätzlichen Streitpunkten sorgte das Konzil von Nizäa für Klärungen. Zum einen verständigten sich die Teilnehmer nach langem Streit auf einen gemeinsamen Oster-Termin. Damit wurde das zentrale christliche Fest in der damaligen Welt von allen Christen am selben Tag gefeiert.
Beim anderen Punkt verständigten sich die Konzilteilnehmer auf eine Entscheidung dazu, wie die Person Jesu von Nazareth zu verstehen sei. "Schon das Neue Testament kennt da verschiedene Ansichten", sagt Stoll. Deshalb habe es in der antiken Welt "eine Reihe von theologischen Kontroversen" gegeben. "In Nizäa hat man sich darauf verständigt, dass Christus Gott genannt werden kann. In demselben Sinne, wie gläubige Christen das von Gott, dem Vater, aussagen." Das werde bis heute von allen christlichen Konfessionen hochgehalten. Im Glaubensbekenntnis heißt es, Jesus Christus als Sohn Gottes sei "...wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater...“
Das Spannende war der historische Kontext. Denn die große Versammlung der Kirchenvertreter wurde vom weltlichen Herrscher einberufen. Konstantin (geboren zwischen 270 und 288; gestorben 337) war seit 306 römischer Kaiser und seit 324 sogar Herrscher sowohl im westlichen Römischen Reich als auch im östlichen Byzantinischen Reich. Spätestens seit 324 bekannte er sich eindeutig zum Christentum.
"Der Kaiser als Motor"
Stoll bewertet Konstantin als "Motor" des Konzils. Dabei habe die weltliche Autorität durchaus primär politische Motive verfolgt, nämlich Konflikte im Reich beizulegen. Der Kaiser habe "Streit zwischen den Bischöfen vermeiden, seine eigene Verwaltung von theologischem Zwist freihalten" wollen. Und die Konzilteilnehmer hätten sich trotz Sprachprobleme und ganz unterschiedlicher Herkünfte verständigt - was heutzutage bei religiösen Konflikten ein Vorbild sein könne, meint Stoll.
So gehört dieses Ereignis von Ende Mai (der genaue Eröffnungstag ist nicht gesichert) bis zum 25. Juli 325 tatsächlich - das ist selten - zur gemeinsamen Geschichte aller heute existierenden Kirchen. Dort entstand als Ankerpunkt das gemeinsame Glaubensbekenntnis. Einen Ort Nizäa gibt es heute nicht mehr. Aber die Ruinen finden sich im Städtchen Iznik, gut 120 Kilometer südöstlich von Istanbul.
Die Sehnsucht des Franziskus
Seit Jahren lebte der kürzlich verstorbene Papst Franziskus beim Thema Ökumene auf dieses Jahr 2025 hin. Das lag zum einen an dem einheitlichen Termin, zu dem in diesem Jahr alle Kirchen gleichzeitig Ostern feierten – das kommt nur alle paar Jahre vor, weil sich im Laufe der Geschichte die Kalender von West- und Ostreich wieder auseinander entwickelten. Zum anderen, und das ist wesentlicher, wollte Franziskus unbedingt den Blick auf das Nizäa-Gedenken und das gemeinsame Erbe aller Christen lenken. Ein Besuch anlässlich des Jubiläums war für Ende Mai fest eingeplant. Es kam anders.
Dabei war das am 21. April im Alter von 88 Jahren verstorbene katholische Kirchenoberhaupt regelrecht befreundet mit dem ökumenischen Patriarchen Bartholomaios (85), den er 2014 an seinem Amtssitz in Istanbul besucht und 2015 in Lesbos wiedergetroffen hatte.
Und Bartholomaios, der schon zur Amtseinführung des Franziskus 2013 in den Vatikan kam, reiste nun zwei Mal kurz hintereinander nach Rom: zur Beisetzung von Franziskus und zur Amtseinführung von Papst Leo. Was so selbstverständlich wirken mag, ist es nicht. Nach über 500 Jahren waren der Papst von Rom und der Patriarch von Konstantinopel 1964 erstmals wieder zusammengekommen.
Leo, seit dem 8. Mai Bischof von Rom und damit Papst, und Bartholomaios, seit 1991 Patriarch, trafen sich nun am 18. Mai im Vatikan. Danach beschwor Leo das Ziel der vollen Gemeinschaft aller Christen und erinnerte seinerseits an das Konzil von Nizäa. Nun wird erwartet und Leo stellte das Tage nach seinem Amtsantritt zumindest in Aussicht, dass er Ende November zur 1700-Jahr-Feier in die heutige Türkei reist und Iznik und Istanbul besucht.