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Warum gepökeltes Fleisch nicht auf den Grill gehört

11. Juli 2025

Nitrit wird oft in gepökeltem Fleisch und Wurstwaren zur Konservierung, für den Geschmack und die Farberhaltung verwendet. Bei hohen Temperaturen kann Nitrit allerdings krebserregende Nitrosamine bilden.

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In der Europäischen Union gelten erst nach der diesjährigen Grillsaison reduzierte Grenzwerte für Nitrite - aber reicht das?Bild: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/picture-alliance

Sommerzeit ist Grillzeit. Grillkäse und Gemüse sind lecker, aber für viele gehören Fleisch und Würstchen definitiv auch auf den Grill. Zwar achten Verbraucher inzwischen mehr auf die Herkunft des Fleisches. Was viele aber nicht wissen ist, dass verarbeitete Fleischprodukte aus Supermärkten und Discountern oftmals viel Nitrit enthalten. Und das ist ein Problem.

Gepökelte Fleisch- und Wurstwaren wie Würstchen, Kasseler, Speck oder Salami enthalten üblicherweise den Konservierungsstoff Nitritpökelsalz (Natriumnitrit, E 250). Für die Industrie ist dieser Zusatzstoff sehr praktisch: Er dient als Konservierungsmittel, das antibakteriell wirkt, dem Fleisch eine ansprechende rosa Farbe gibt und ihm das markante Pökelaroma verleiht.

Das Pökeln von Fleisch zählt zu den ältesten bekannten Konservierungsmethoden. Das Salz entzieht dem Fleisch die Flüssigkeit und schafft ein Milieu, in dem Bakterien schlecht wachsen können.

Warum sind Nitrat und Nitrit in Lebensmitteln problematisch?

Nitrat ist eine Stickstoffverbindung, die von Natur aus im Boden vorkommt, aber auch in Düngemitteln, um das Wachstum von Pflanzen zu fördern. Bestimmte Salate und Gemüsesorten wie Rucola, Spinat, Kohlrabi, Rote Beete und Rettich können hohe Nitratmengen enthalten.

Nitrat selbst ist zwar erstmal unbedenklich für Mensch und Tier, kann aber im Körper oder durch Bakterien in Nitrit umgewandelt werden. In hohen Konzentrationen ist Nitrit giftig, weil es den Sauerstofftransport im Körper hemmt und so zu Atemnot, Muskelschwäche und Kopfschmerzen führen kann. 

Gepökelte Fleisch- und Wurstwaren stark zu erhitzen, führt zu einem weiteren Problem. Die Hitze setzt eine chemische Reaktion von Nitrit mit den natürlich vorkommenden Aminen im Fleisch in Gang - es entstehen verstärkt gefährliche Nitrosamine.

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Gefahr durch krebserregende Nitrosamine

Die allermeisten Nitrosamine zeigten in Tierversuchen schon in niedrigen Dosierungen eine krebserregende Wirkung. Zudem sollen diese Stoffe zu Schäden an den Erbinformationen im Körper (DNA) führen.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) veröffentlichte Ende März 2023 ein Gutachten, das zehn in Lebensmitteln gefundene Nitrosamine (NDMA, NMEA, NDEA, NDPA, NDBA, NMA, NSAR, NMOR, NPIP und NPYR) als krebserregend und erbgutschädigend einstuft. Laut EFSA sei die Aufnahme von Nitrosaminen in der Europäischen Union (EU) über alle Altersgruppen hinweg so hoch, dass von einer Gesundheitsgefährdung auszugehen sei.

Die EU empfiehlt derzeit eine maximale tägliche Aufnahmemenge (ADI) von 0,07 mg Nitrit-Ion pro Kilogramm Körpergewicht. Bei einem durchschnittlichen Körpergewicht von 70 kg entspricht das 4,9 mg Nitrit pro Tag. Das wiederum entspricht 200 g Kochschinken oder vier Grillwürstchen aus dem Supermarkt. Gerade beim Grillen wird die Tageshöchstdosis also schnell überschritten, zumal ja auch andere Lebensmittel Nitrit enthalten.

Strengere Regeln für Nitrite ab Herbst 2025

In der Europäischen Union legt die EU-Verordnung 2023/2108 ab Oktober 2025 um rund 20 Prozent reduzierten Grenzwerte für Nitrite (E 249-250) und Nitrate (E 251-252) in Lebensmitteln fest, insbesondere bei verarbeitetem Fleisch. Die diesjährige Grillsaison ist dann allerdings vorbei.

Nach Ansicht der Coalition Against Nitrites reichen aber auch diese strengeren Grenzwerte nicht aus. Die internationale Initiative um den Harvard-Professor Walter Willett will Nitrite generell aus verarbeiteten Fleischprodukten verbannen: "Die strengeren Nitrit-Grenzwerte sind zwar zu begrüßen, gehen aber nicht weit genug, da Nitrite selbst - unabhängig von der zugesetzten Menge - im menschlichen Körper krebserregende Nitrosamine bilden können, insbesondere wenn verarbeitetes Fleisch bei hohen Temperaturen gegart wird", so Chris Elliott, Professor für Lebensmittelsicherheit von der Coalition Against Nitrites gegenüber der DW.

"Eine Verringerung der Menge kann also das Risiko etwas verringern, aber nicht ausschließen. Die eigentliche Lösung besteht darin, die Ursache ganz zu beseitigen. Warum sollte man eine nachweislich gefährliche Chemikalie ohne triftigen Grund in beliebiger Menge in Lebensmittel einbringen?", so Elliott.

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Alternativen zum Nitrit gibt es

Auch am Institut für Sicherheit und Qualität bei Fleisch des Max Rubner-Instituts (MRI) stellt Nitrit einen zentralen Forschungsschwerpunkt dar. Ziel ist es unter anderem, technologische Maßnahmen zu entwickeln, die die Entstehung von Nitrosaminen weiter verringern können.

Außerdem wird geprüft, inwieweit Nitrit durch Pflanzenextrakte ersetzt werden kann, die reich an Polyphenolen sind. Solche natürlichen Verbindungen sind bekannt für ihre antioxidativen und antimikrobiellen Eigenschaften. Ob diese Wirkung auch bei Fleischerzeugnissen erzielt werden kann, wird aktuell erforscht.

In mehreren europäischen Staaten wie Frankreich, dem Vereinigten Königreich oder Italien werden bereits vergleichbare Produkte ohne Nitrit hergestellt - mit gleichem Geschmack, Aussehen und Preis. Entsprechend werden die Forderungen lauter, dass die Grenzwerte weiter gesenkt und Nitrite langfristig ganz verboten werden sollten.

Auch die Coalition Against Nitrites hält den Einsatz von Nitrit für verzichtbar. "Glücklicherweise gibt es jetzt bewährte, sicherere Alternativen, die es ermöglichen, köstliche Wurstwaren wie Wiener Würstchen ohne Nitrite herzustellen - und zwar so, dass sie das gleiche Aussehen, den gleichen Geschmack und die gleichen Kosten haben", sagt Elliott.

Der Professor für Lebensmittelsicherheit meint außerdem: "Diese Clean-Label-Lösungen werden häufig aus natürlichen Fruchtextrakten gewonnen. Sie bieten dieselben Vorteile in Bezug auf Haltbarkeit und Lebensmittelsicherheit, ohne dass die Vorstufen schädlicher Verbindungen eingeführt werden. Die Wissenschaft und die Technologie sind vorhanden. Was wir jetzt brauchen, ist der Mut der Regulierungsbehörden und der Industrie, danach zu handeln."

Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit