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KulturGlobal

Warum ich noch selbst schreibe in Zeiten von KI

3. Juli 2024

Es scheint so einfach: Der Computer spuckt einen Text aus, ein bisschen nachbessern und fertig. Doch es gibt ein paar Haken bei der KI, die nicht immer offensichtlich sind.

Ein Buchregal in Form eines Kopfes vor grauem Hintergrund gefüllt mit bunten Büchern
Inspiration und Reflexion: Das menschliche Gehirn kann mehr als nur Wissen ansammeln und sortierenBild: DesignIt/Zoonar/picture alliance

Woher weiß man, ob dieser Text wirklich von einem Menschen verfasst wurde? Ich weiß das, denn ich schreibe ihn gerade. Aber auch das könnte ja wiederum von einer Maschine geschrieben worden sein. Mit dieser Unsicherheit - wer oder was ist der oder die Schreibende - scheinen wir heutzutage leben zu müssen.

Schreiben als Selbstzweck

Der Unterschied zwischen Mensch und Maschine ist spätestens seit der Industriellen Revolution ein immer wiederkehrendes Thema. Und es bekommt in Zeiten, wo Roboter von sich in der Ich-Form sprechen, höchste Brisanz. Ist der Mensch ersetzbar? In manchen Bereichen bestimmt. Aber wie weit will man da gehen? Der britisch-australische Autor Alan Baxter hat eine klare Meinung dazu: "Ich kann nicht glauben, dass in einer Welt, in der Menschen noch immer Toiletten reinigen und in Minen arbeiten, Roboter unsere Kunst und Literatur erschaffen. Roboter sollten die Scheißjobs machen, damit mehr Menschen ihren Leidenschaften nachgehen können."

Die meisten Autorinnen und Autoren antworten auf die Frage, warum sie schreiben, dass es ihre Leidenschaft sei. Da geht es um den Prozess des Schreibens, der Freude macht. Um das Finden der Worte, das sich in Beziehung setzen zur Welt. So schildert es beispielsweise die Literaturübersetzerin Claudia Hamm der DW: "Das Tun selbst ist der Zweck. Wenn wir (= wir Schreibenden, Anm. d. Redaktion) nicht schreiben wollten, dann könnten wir sehr viel weniger prekär leben."

"Die textgenerative KI ist ein geklautes Auto"

Na gut, könnte man sagen. Dann schreiben halt diejenigen, die das wollen, selbst. Und den Rest kann die KI übernehmen. Thema erledigt? Bei weitem nicht, sagt Claudia Hamm. Sie hat gerade den Sammelband "Automatensprache" herausgegeben, der sich umfassend mit den verschiedenen Aspekten der künstlichen Textgeneration beschäftigt. 

Ein viel diskutiertes Thema ist dabei das Urheberrecht. Die Sprache generierenden Computer, auch LLMs (Large Language Models) genannt, funktionieren nur deshalb, weil sie - unentgeltlich - mit Millionen von bereits bestehenden Texten, die von Menschen verfasst wurden, gefüttert wurden. Diverse Bestsellerautorinnen und -autoren haben bereits Klage eingereicht

Claudia Hamm fasst es so zusammen: "Die textgenerative KI ist ein geklautes Auto. Man kann sich da hineinsetzen und mitfahren. Man kann auch nach Paris fahren und Spaß haben. Aber es ist und bleibt ein geklautes Auto."

Übersetzerin Claudia Hamm spricht von Ideenklau Bild: Michael Donath

Automatensprache versus Menschensprache

Claudia Hamm geht noch weiter. Für sie ist Automatensprache gar keine Sprache im eigentlichen Sinn, da es kein Ich gibt, das spricht, und damit auch keine Intention. "Die KI hat keine kommunikative Absicht. Wenn wir Sprache benutzen, dann versuchen wir einen Ausdruck zu finden als Mensch, einen Ausdruck für eine ganz bestimmte innere Welt." Die Maschine aber habe keine innere und äußere Welt. Darum könne sie auch keine Poesie erschaffen, so Hamm, sondern sei lediglich dazu in der Lage, ungewöhnliche Wortkombinationen zusammenzustellen. "Eine Maschine kann keine Selbstaussage machen, sie kann sich nicht in Beziehung zur Welt setzen."

Auch beim Thema Wahrheit gibt es Probleme, Stichwort "KI-Halluzinationen". Das sind quasi "erfundene" Informationen von Text generierenden KIs - oder wie die Schriftstellerin Nina George es in dem Band "Automatensprache" etwas deutlicher formuliert: Die Sache mit den "unzutreffenden Behauptungen und Ereignisverfälschungen, die die Textkotze zu einem unzuverlässigeren Auskunftgeber als Putin, BILD (Deutsche Boulevardzeitung, Anm. de. Red.) und Wikipedia zusammen machen - als ob ein verklemmter Besserwisseronkel mit witzlosem Rededurchfall angesoffen vor sich hin blubbert."

Ein vorgetäuschtes Gegenüber

Das Problem ist, sagt Claudia Hamm, dass LLMs von der Bauart darauf ausgelegt seien, Mensch und Maschine ununterscheidbar zu machen. Nutzende sollen das Gefühl bekommen, sie sprächen mit einem intelligenten Gegenüber. Die KI als Ersatz für ein menschliches Gegenüber - das sei der große Unterschied zu anderen technischen Revolutionen in der Vergangenheit. "Nie hat ein Dampfschiff sein Ding-Sein verleugnet", so Hamm. 

Darüber hinaus sei auch die Frage, wessen Realität von der KI abgebildet werde, zu wenig beleuchtet. Von den online veröffentlichten Wörtern, die als Trainigsdaten für LLMs wie ChatGPT dienen, seien die weißer Menschen überrepräsentiert, ebenso die von Männern und von Wohlhabenden. Dementsprechend nicht divers ist der Output, der am Ende herauskommt. 

Wer behält die Oberhand - Mensch oder Maschine? Bild: Bihlmayerfotografie/Imago

Wie gehen die Verlage mit KI um? 

Alles in allem geht es aber auch in der Buchbranche nicht darum, Künstliche Intelligenz zu verteufeln, denn sie kann überaus nützlich sein. Bei Penguin Random House beispielsweise ist es im Verlagsalltag inzwischen durchaus üblich, sich mit Hilfe von KI-Tools inspirieren zu lassen, sagt Beate Muschler, Vice-President Digital Development, gegenüber der DW: "Wir publizieren keine mit KI generierten Inhalte. Das bedeutet aber nicht, dass wir ein KI-freier Raum sind. Der Ansatz ist, in die Produktionsketten reinzuschauen und Felder zu definieren, an denen KI-Tools sinnvoll eingesetzt werden können: als Tool im Prozess, da, wo es urheberrechtlich unkritisch ist."

So dürften Mitarbeitende KI-Tools für ihre Arbeit nutzen, um Ideen zu generieren. Erstellt aber würden diese Inhalte - beispielsweise Buchcover - immer von einem Menschen. Das gelte auch für die Autorinnen und Autoren: Sich Inspiration zu holen sei kein Problem, aber der Text am Ende müsse aus der eigenen Feder stammen. "Wir haben in den Verträgen ganz klar drin, dass der Urheber, die Urheberin uns zusichert, dass er oder sie das Werk selbst erstellt hat", so Muschler.

KI und der Klimawandel

Ähnlich ist die Situation in den Schulen und Universitäten. Lernende sollen ihre Werke selbst verfassen, sich auseinandersetzen, in Prozesse kommen - ansonsten finde kein Lernen statt und die Welt verdumme, sagen KI-kritische Stimmen. Und das wäre sicherlich keine gute Aussicht.

Und so bin auch ich hier ein Stück weiter. Ich habe recherchiert, reflektiert, geschrieben; habe mich mit mir und der Welt auseinandersetzt - und habe sogar die Umwelt geschützt. Denn KIs verbrauchen sehr viel Energie. Ein Thema, das in Zeiten des Klimawandels ebenfalls Beachtung verdient.

Der Band "Automatensprache", hrsg. von Claudia Hamm, ist 2024 im Hanser Verlag erschienen (ISBN 978-3-446-28181-3).

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