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Warum ist die Linke in Deutschland so schwach?

24. Juni 2022

Sozialisten regieren Portugal, Spanien und Kolumbien. In Frankreich sind sie auf dem Vormarsch. Von solchen Erfolgen können Sie in Deutschland nur träumen...

Zwei rote Fahnen mit dem Schriftzug "Die Linke" und eine schwarz-rot-goldene Deutschlandfahne wehen im Wind
Rückenwind für die Linke gibt es bei Wahlen in Deutschland eher seltenBild: Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa/picture alliance

Neidisch blicken die deutschen Sozialisten dieser Tage auf das Nachbarland Frankreich. Dort ist das von Jean-Luc Mélenchon geschmiedete Linksbündnis bei der Parlamentswahl zweitstärkste Kraft geworden und bringt damit Präsident Emmanuel Macron in Verlegenheit. Weiter südlich in Europa regieren Sozialisten sogar - und das schon seit Jahren: Pedro Sánchez in Spanien, António Costa in Portugal. Und dann ist da noch Gustavo Pedro, der kürzlich in Kolumbien zum Präsidenten gewählt worden ist.

Linke können also noch erfolgreich sein - in Deutschland allerdings nicht. Das liegt einerseits an ihrer Streitlust - und an ihrer Vergangenheit. Denn die Wurzeln der Partei liegen in der kommunistischen Diktatur, die mit der friedlichen Revolution 1989/90 in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) endete.

Bis 2017 war die Linke stärkste Opposition im Bundestag

Aus der allmächtigen Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) wurde zunächst die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) und 2007 die heutige Linke. Ihr größter Erfolg: Nach der Bundestagswahl 2013 war sie vier Jahre lang die größte Oppositionspartei. Inzwischen ist sie jedoch die mit Abstand kleinste. Ihre besten Ergebnisse erzielte sie zudem nie auf Bundes-, sondern auf Landesebene im Osten Deutschlands, also auf dem Gebiet der früheren DDR.

Botschaften der Linken, mit denen sie bei der Bundestagswahl und bei Landtagswahlen keinen Erfolg hattenBild: Sebastian Gabsch/Geisler-Fotopress/picture alliance

Als die von 1998 bis 2005 auf Bundesebene regierende Koalition aus Sozialdemokraten (SPD) und Grünen mit ihrer Agenda 2010 den Arbeits- und Sozialmarkt radikal umbaute, verbündete sich die PDS mit Enttäuschten aus SPD und Gewerkschaften. Gemeinsam gaben sie sich einen neuen Namen: Die Linke.

Unterschiedliche Reaktionen auf Russlands Krieg in der Ukraine  

Ihr Ziel: sich endlich in ganz Deutschland politisch links von der SPD zu etablieren. Im Osten sind Regierungsbeteiligungen schon lange Realität. Aber im Westen ist die neue, alte Partei aufgrund ihrer Vergangenheit für die meisten Menschen ein Fremdkörper geblieben. In bevölkerungsstarken Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz hat sie noch nie den Sprung ins Parlament geschafft. Dafür sind fünf Prozent der Stimmen nötig.

Ein wichtiger Grund für das häufige Scheitern sind die oft widersprüchlichen Positionen der Linken in der Außen- und Sicherheitspolitik. Aktuelles Beispiel sind die Reaktionen auf Russlands Krieg gegen die Ukraine. Die Mehrheit der Bundestagsfraktion unterstützte einen Antrag, in dem Wladimir Putin als "brutaler Aggressor und Eroberer" bezeichnet wird. Auch Sanktionen gegen Oligarchen und Kriegsprofiteure wurden begrüßt.

"Die NATO ist böse, die USA sind böse, die Bundesregierung ist böse"

Einen anderen Akzent setzen hingegen Abgeordnete um die frühere Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht. Zwar verurteilen auch sie den russischen Präsidenten Putin, kritisieren aber zugleich die Osterweiterung des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses (NATO). Entsetzt reagierte darauf der außenpolitische Sprecher und frühere Parteichef Gregor Gysi. Sein Vorwurf: "völlige Emotionslosigkeit hinsichtlich des Angriffskrieges, der Toten, der Verletzten und dem Leid".

Die Gruppe um Wagenknecht sei nur daran interessiert, ihre "alte Ideologie" in jeder Hinsicht zu retten: "Die NATO ist böse, die USA sind böse, die Bundesregierung ist böse", zitierte die Zeitung "Neues Deutschland" aus einem Brief Gysis an seine innerparteilichen Widersacher. Dabei habe die NATO aktuell "keinen einzigen Fehler begangen, der den Krieg Russlands rechtfertigte", meint Gysi. 

Gegen 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr

Einigkeit demonstriert die Linke hingegen, wenn es um die Aufrüstung der Bundeswehr geht. Das dafür geplante Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro lehnt sie geschlossen ab. Profitiert hat sie von dieser Haltung allerdings nicht: Bei den bislang drei Landtagswahlen 2022 in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und im Saarland verfehlten die Sozialisten den Sprung ins Parlament.

Die Haltung zur Nato und zur Bundeswehr ist in der Linken seit jeher umstritten (Archivbild)Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

In diesen trüben Zeiten kann sich die Linke nur damit trösten, immerhin in vier von 16 Bundesländern mitzuregieren: Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen. Ihr Aushängeschild ist Bodo Ramelow als erster und einziger linker Ministerpräsident. Der mahnt schon lange zu mehr Geschlossenheit: "Eine Partei, die sich nur für ihre ideologischen Konflikte interessiert, die außerhalb keinerlei Relevanz haben, kann ganz schnell von der Bildfläche verschwinden."

Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow warnt seine Partei

Eine Sorge, die den Pragmatiker Ramelow seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs noch stärker umtreibt. Putin ist in seinen Augen ein "Diktator". Und an die Adresse der NATO-Kritiker in den eigenen Reihen sagt der Chef einer rot-rot-grünen Koalition in Thüringen: "Einfach nur NATO-Bashing löst da ja gar kein Problem."

Janine Wissler hält Themen der Linken für zeitgemäß: "Warum schöpfen wir dieses Potenzial nicht annähernd aus?"Bild: Wolfgang Kumm/dpa/picture alliance

Auf dem Bundesparteitag der Linken in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt sollte ein neuer Vorstand gewählt werden. Von der im Februar 2021 gewählten Doppelspitze amtiert nur noch Janine Wissler, nachdem Susanne Hennig-Wellsow im April 2022 wegen parteiinterner Querelen zurückgetreten ist. Über den Zustand der Partei machte sich die übriggebliebene Vorsitzende keine Illusionen: Die Lage sei ernst. "Aber ich glaube, sie ist nicht aussichtslos."

Fast jeder Fünfte könnte sich vorstellen, die Linke zu wählen

Hoffnung schöpft Janine Wissler aus einer aktuellen Studie der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung. Demnach können sich 18 Prozent vorstellen, die Linke zu wählen. Das sei immerhin fast ein Fünftel. "Aber wir müssen uns fragen: Warum schöpfen wir dieses Potenzial nicht annähernd aus?" Ihre Antwort fällt ernüchternd aus: Die Linke habe sich bei zentralen Themen wie Corona, Flüchtlinge oder Klimaschutz mehr mit sich selbst beschäftigt "als mit dem politischen Gegner".  

 

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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