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Klinsmann entscheidet sich gegen den VfB

4. September 2019

Jürgen Klinsmann zurück beim VfB Stuttgart? Diese Idee hat viele beim Zweitligisten begeistert. Aber nicht alle. Und deswegen sagte der Weltmeister dem VfB nun ab. Über das Scheitern einer eigentlich idealen Lösung.

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Es passt nicht: Der VfB und Jürgen Klinsmann finden vorerst nicht zusammenBild: picture-alliance/dpa

Was war geplant?

Ein Weltmeister kehrt nach langer Reise zurück zu seinen Wurzeln. Welch' schöne Geschichte. Und nicht wenige wollten sie gerne wahr werden lassen in Stuttgart: Die Rückkehr von Jürgen Klinsmann zum VfB Stuttgart ist ein lange gehegter Plan, der tatsächlich in den vergangenen Monaten konkretere Formen annahm. Klinsmann beschrieb die Gespräche zwischen ihm und dem Verein als "lockeren und informativen Meinungsaustausch". Konkret ging es dabei offenbar um das Amt des Vorstandsvorsitzenden des Gesamtvereins. Allerdings war dies nach Informationen des Fußballmagazins "Kicker" eher die Sicht des VfB. Klinsmann selbst habe wenig Interesse an einem eher repräsentativen Job gehabt, und wollte demnach lieber die Rolle des Vorstandsvorsitzenden der VfB Stuttgart AG (die Profi-Fußball-Sparte des Vereins) werden. Beide Jobs sind - nach dem Rücktritt von Präsident Wolfgang Dietrich Mitte Juli - vakant.

Der in den USA lebende ehemalige Nationaltrainer Deutschlands sowie der Vereinigten Staaten war also als neuer starker Mann beim VfB im Gespräch. Und das nicht ohne Grund: Klinsmann gilt als erfahrener Gestalter, Querdenker und verfügt über ein großes Netzwerk im Fußball. Er selbst äußerte auch schon Ansprüche, die Dinge neu ordnen zu wollen: "Wie bei anderen Traditionsklubs ist in den vergangenen Jahren viel aus der Hüfte geschossen worden. Es muss im gesamten Klub eine klare Linie her, die in den vergangenen Jahren nicht mehr zu erkennen war. Zugleich wäre es eine Rückkehr in die Heimat gewesen: Klinsmann wurde in Göppingen nahe Stuttgart geboren, begann seine Karriere bei den Stuttgarter Kickers und spielte dann fünf Jahre lang für den VfB, für den er in 182 Spielen 93 Tore erzielte. Um Klinsmanns große Strahlkraft bewusst, machte sich sogar Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann für den früheren Torjäger stark: Der Verein brauche jemanden "der von hier kommt, der zusammenführt und hinter dem sich die ganze VfB-Familie versammeln kann. Als VfB-Fan würde mir da aber schon jemand einfallen, den ich letztes Jahr in Kalifornien getroffen habe und der den Brustring definitiv im Herzen trägt.", so Kretschmann.

Ein Bild aus besseren gemeinsamen Tagen: Jürgen Klinsmann (r.) erzielte 93 Tore für den VfBBild: picture-alliance/dpa/Harry Melchert

Was sagt Jürgen Klinsmann?

Aber Jürgen Klinsmann will nicht. Zumindest unter den aktuellen Bedingungen nicht. Per Email sagte er am Mittwoch der Clubführung ab. Seine Entscheidung begründete er mit der aktuellen Führungskonstellation und dem seinem Empfinden nach mangelnden Bemühen seitens des Bundesliga-Absteigers. "Die gesamte Kommunikation und Korrespondenz sowohl mit dem Präsidialrat des VfB als auch mit einer Personal-Beratungsagentur aus München waren für mich nicht zielführend und ohne jegliche Dringlichkeit vonseiten des VfB", schrieb Klinsmann; die Stellungnahme verschickte sein Berater. Er drücke dem Zweitligisten aber "weiterhin alle Daumen und hoffe, dass er bald wieder in den Regionen spielt, wo er aufgrund seiner Möglichkeiten auch hingehört."

Was sagt der VfB Stuttgart?

Beim VfB gibt man sich überrascht von der Absage Klinsmanns. Aufsichtsratschef Bernd Gaiser bedauerte am Mittwochabend, dass nach "einem ersten konstruktiven Gespräch" nun "keine Vertiefung der Gespräche über eine mögliche Zusammenarbeit stattfinden wird". Die Aussagen Klinsmanns über die Kommunikation allerdings "haben uns überrascht und sind nicht nachvollziehbar". Das nächste Gespräch sei eigentlich für kommenden Samstag terminiert gewesen.

Warum scheitert die Zusammenarbeit wirklich?

Eigene Machtansprüche? Thomas Hitzlsperger ist Sportvorstand beim VfBBild: imago/Eibner

Beide Seiten formulieren ihre Statements eher diplomatisch, was meistens ein Indiz dafür ist, dass etwas mehr hinter den Aussagen steckt, als es der Wortlaut sagt. Fakt ist, dass Klinsmanns Rückzieher einige Aussagen vorausgingen, die für das Verständnis der aktuellen Situation bedeutsam erscheinen. Da wäre zum Beispiel Karlheinz Förster. Der 81-fache Nationalspieler ist heute Spielerberater und hat immer noch Verbindungen zu seinem ehemaligen Verein. Förster äußerte Bedenken, dass der VfB mit Sportvorstand Thomas Hitzlsperger und dem neuen Sportdirektor Sven Mislintat gut aufgestellt sei - und es keinen zusätzlichen starken Mann mehr brauche. Auch der ehemalige VfB-Präsident Erwin Staudt machte klar: "Man sollte Klinsmann jetzt nicht über alles stülpen. Sozusagen wie einen Guru. Es sind ja alle Aufgaben bereits in guten Händen." Gewichtiger könnte aber der Widerstand innerhalb der aktuellen VfB-Führung gewesen sein. Sportvorstand Thomas Hitzlsperger, der gemeinsam mit Stefan Heim (Finanzen, Verwaltung und Operations) und Jochen Röttgermann (Marketing und Vertrieb) die Führung der VfB Stuttgart 1893 AG bildet, werden selbst Ambitionen auf den Gesamtvorstandsposten nachgesagt. Medienberichte über einen von Klinsmann geplanten Umbau der sportlichen Leitung könnten die Vorbehalte beim VfB bestärkt haben. 

Zu guter Letzt dürfte das Engagement auch an Klinsmanns eigenen Vorstellungen gescheitert sein: Klinsmann gilt als Gestalter und Lenker, der viel Macht an sich zieht. Nur, wenn alles passt und er seine Vorstellungen umsetzen kann, steigt er in ein Projekt ein. Diese Ausgangslage sah der 55-Jährige beim VfB Stuttgart ganz offensichtlich nicht gegeben. Und vielleicht kam er so sogar einer Absage des VfB Stuttgart an ihn nur zuvor.

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