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ErnährungssicherheitEuropa

Warum kauft die EU immer noch russischen Dünger?

Arthur Sullivan
9. Juni 2025

Russischer Dünger ist in den letzten Jahren trotz des Krieges in der Ukraine für die europäischen Bauern wichtiger geworden. Brüssel scheint sich schließlich mit dem Thema zu befassen - doch nicht alle sind überzeugt.

Ein Traktor bringt Kunstdünger aufs Feld
Ohne Dünger geht es nicht in der Landwirtschaft - aber woher soll er kommen?Bild: A. Hartl/blickwinkel/picture alliance

Wenn es in den letzten Jahren in der Europäischen Union (EU) um russische Importe ging und wie sie reduziert werden können, war der Fokus immer auf Gas und Öl gerichtet. Doch Russland ist auch ein großer Produzent und Exporteur von Düngemitteln. Landwirte und Lebensmittelproduzenten verwenden sie, um Pflanzen und Kulturen mit Nährstoffen zu versorgen.

Während die EU russisches Öl und Gas weitgehend von ihrer Importliste gestrichen hat, hat sie seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine im Februar 2022 ihre Düngemittelkäufe aus Russland erhöht. Der Anteil Russlands an den Düngemittelimporten der EU ist von 17 Prozent im Jahr 2022 auf etwa 30 Prozent gestiegen. Allein im Jahr 2024 stiegen die Importe um mehr als 33 Prozent auf rund 1,75 Milliarden Euro.

Import von russischem Dünger steigt und steigt und steigt

Laut dem MIT Observatory of Economic Complexity - einer Plattform für detaillierte Handelsdaten - ist Russland der größte Dünger-Exporteur weltweit. Während die Hauptabnehmer Indien und Brasilien sind, machten russische Exporte in die EU im Jahr 2023 rund 13 Prozent aus.

Die Produktion von anorganischem Dünger erfordert viel Energie Bild: Erik Romanenko/TASS/dpa/picture alliance

Anfang dieses Monats unterstützte das Europäische Parlament den Vorschlag der EU-Kommission, Zölle von 6,5 Prozent auf Düngemittelimporte aus Russland und Belarus zu erheben. Der Plan sieht zudem vor, die Zölle bis 2028 schrittweise auf 50 Prozent zu erhöhen.

Was macht russischen Dünger so günstig?

Viele EU-Staaten benötigen stickstoffbasierte Düngemittel, da sie nicht nur reich an Stickstoff, sondern auch an wichtigen Nährstoffen wie Phosphor und Kalium sind. Russland ist genau auf diese Düngemittel spezialisiert, ihre Herstellung erfordert große Mengen Erdgas als Rohstoff und Energiequelle.

Der Geografie-Professor William Moseley ist Mitglied des UN-Expertengremiums für Ernährungssicherheit. Er sagte der DW, dass Russland diese Nachfrage besonders gut bedienen könne, da es billiges Gas zur Herstellung von Dünger nutzen könne - zu deutlich niedrigeren Preisen als europäische Wettbewerber.

Bei Deutschlands größtem Stickstoff- und Ammoniakhersteller wurde die Produktion von Düngemitteln reduziertBild: Sebastian Willnow/dpa/picture alliance

Die europäische Düngemittelbranche kritisiert, dass Russland mit diesem billigen Dünger den EU-Markt "überschwemme". Als die Energiepreise in Europa infolge der Ukraine-Invasion stark stiegen, mussten viele europäische Hersteller von stickstoffbasierten Düngemitteln die Produktion einstellen oder reduzieren. Nun haben sie Marktanteile an Russland verloren und kämpfen ums Überleben.

Welche Alternativen gibt es zu russischem Dünger

Laut William Moseley zeigen die Zollpläne der EU, dass sie es ernst meint mit dem Ziel, sich bis 2028 von russischem Dünger unabhängig zu machen. "Das wird die EU-Länder zwingen, anorganischen Dünger aus anderen Quellen zu beziehen", sagte er gegenüber der DW. Als mögliche Alternativen nannte er China, Oman, Marokko, Kanada oder die USA.

Weitere Optionen für die EU seien laut Moseley die Nutzung eigener Quellen für stickstoffbasierten Dünger - was jedoch wegen des hohen Gasbedarfs sehr teuer wäre - oder der verstärkte Einsatz von organischem Dünger aus Mist und kompostierten Abfällen. Diese Option sei "nachhaltiger und besser für den Boden", fügte er hinzu.

Riecht nicht immer gut, hilft aber der Landwirtschaft, erhöht die Artenvielfalt und stabilisiert den Boden: KuhmistBild: FRP/Countrypixel/picture alliance

Auch die EU will in diese Richtung gehen - hin zu Düngemitteln, die aus tierischen Exkrementen verarbeitet werden. Christophe Hansen, EU-Kommissar für Landwirtschaft und Ernährung, sagte im Februar, dass der Viehsektor "einen positiven Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten" könne, da organischer Dünger "im Inland erzeugt wird, nicht importiert werden muss und nicht auf hohen Energiepreisen wie Gas basiert".

Drei Jahre Zeit, um die Dünger-Abhängigkeit zu beenden

Moseley glaubt, dass die geplanten EU-Zölle auf Düngemittel russische Importe schrittweise vom EU-Markt verdrängen werden. "Bis 2028 werden die Zölle so hoch sein, dass es wirtschaftlich nicht mehr rentabel ist, anorganischen Dünger aus Russland und Belarus in die EU zu importieren."

Mit der schrittweisen Erhöhung der Zölle über drei Jahre soll den EU-Landwirten Zeit gegeben werden, Alternativen zu finden - insbesondere, wenn sie bereits stark von russischem Dünger abhängig sind.

Skepsis und Hoffnungen bei den Landwirten

In einer Stellungnahme zum EU-Zollplan sagte Leo Alders, Präsident des Branchenverbands Fertilizers Europe, dass die steigenden Importe russischer Düngemittel nach Europa zu lange "den fairen Wettbewerb untergraben und Druck auf heimische Produzenten ausgeübt" hätten. Er ist überzeugt, "dass europäische Produzenten europäische Landwirte auch in Zukunft mit hochwertigen, nachhaltigen Düngemitteln versorgen können".

Die Landwirte hingegen sind skeptisch, weil sie das Gefühl haben, dass die EU keine realistischen, bezahlbaren Alternativen zu russischem Dünger entwickelt hat. "Wir können es uns nicht leisten, die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Landwirtschaft oder die Ernährungssicherheit von Millionen Menschen in der EU weiter zu gefährden", heißt es von Copa und Cogeca, den beiden großen landwirtschaftlichen Dachverbänden in der EU.