In Dänemark wurde das Hans Christian Andersen-Museum neu eröffnet, weltweit stürmen Märchen die Kinokassen und Bestsellerlisten. Warum wir heute so märchenhungrig sind.
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Die magische Märchenwelt von Hans Christian Andersen
Seine Märchen sind auf der ganzen Welt berühmt, von der "Kleinen Meerjungfrau" bis zur "Schneekönigin". In Andersens dänischer Geburtsstadt Odense kann man auch unterirdisch in seine Geschichten eintauchen.
Bild: H.C. Andersen House
Bescheidene Anfänge
In diesem gelben Eckhaus in der dänischen Kleinstadt Odense wurde Hans-Christian Andersen im Jahr 1805 als Sohn einer Wäscherin und eines Schusters in einem der ärmsten Viertel der Stadt geboren. Die Mutter war Analphabetin, der Vater starb in jungen Jahren: Dem dänischen Autoren war der Aufstieg zum weltberühmten Märchenerzähler nicht in die Wiege gelegt.
Bild: imago images
Aufstieg zum Welt-Autor
Hans-Christian Andersen verließ sein Geburtshaus in Odense mit 14 Jahren, um sein Glück in Kopenhagen zu versuchen. Dort wollte er Schauspieler werden, fand aber schließlich zum Schreiben. Er war ungefähr 30 Jahre alt als er begann, seine Märchen zu schreiben, die ihm noch zu Lebzeiten internationalen Ruhm bescherten.
Bild: imago images/imagebroker
Ein Museum für seine Geschichten
Sieben Jahre lang wurde das Hans-Christian-Andersen-Museum, das sich in seinem Geburtshaus befand, umgebaut: Das japanische Architekturbüro Kengo Kuma, auch verantwortlich für das neue Olympia-Stadion in Tokyo, fügte seit 2014 unter der Leitung von Yuki Ikeguchi einen ganzen Bau hinzu, in dem Gäste in Andersens Märchen eintauchen können - zum Beispiel in "Die Prinzessin auf der Erbse".
Bild: Ritzau Scanpix/AFP/Getty Images
Unterirdische Märchenwelten
Die Inspiration dafür, hinter dem kleinen Geburtshaus eine ganze Welt zu eröffnen, stamme von Hans-Christian Andersen selbst, so der Architekt Kuma: "Der architektonische Entwurf folgt Andersens eigener Methode", erklärte er gegenüber der Presseagentur AFP. "Dabei wird aus einer kleinen Welt plötzlich ein ganzes Universum." Der neue Bau erstreckt sich dabei größtenteils unterirdisch.
Bild: Ritzau Scanpix/AFP/Getty Images
Ein Gesamtkunstwerk
12 Künstlerinnen und Künstler wirkten an der Gestaltung der Ausstellungsräume mit, dazu nutzten sie unter anderem Licht- und Musikinstallationen. Ein Besucher sagte gegenüber der AFP, das Museum transportiere einen "in eine ganz andere Welt". Ara Halici war aus den Niederlanden angereist, um das Museum zu besuchen. "Es ist wunderbar, dem Alltag hier entfliehen zu können", erklärte er.
Bild: H.C. Andersen House
Ein Märchengarten
Zur Neugestaltung des Museums gehört auch ein Garten, der sich beim Neubau befindet. Möglich wurde das dadurch, dass die dänische Gemeinde Odense beschloss, Autos aus ihrer Innenstadt zu verbannen.
Bild: Laerke Beck Johansen/H.C. Andersen House
Hoher Besuch
Zur Eröffnung im Sommer 2021 besuchte auch die dänische Königin Margrethe (lI.) das neugestaltete Museum. In Dänemark gilt Andersen als Nationalheld. Er schrieb bis zu seinem Tod im Jahr 1875 158 Märchen and 800 Gedichte, darunter die Klassiker "Des Kaisers Neue Kleider", "Die Schneekönigin" und "Die Kleine Meerjungfrau".
Bild: Ritzau Scanpix/AFP/Getty Images
Internationale Gäste
Nicht zuletzt die Disney-Verfilmungen seiner Märchen, darunter "Frozen", sorgten dafür, dass Hans-Christian Andersen auch über hundert Jahre nach seinem Tod noch weltweiten Ruhm genießt: Das frühere Hans Christian Andersen-Museum wurde von 100.000 Gästen im Jahr besucht, die meisten davon aus dem Ausland. Rund 20.000 davon kamen aus China, dort genießt Andersen laut AFP immense Popularität.
Bild: Ritzau Scanpix/AFP/Getty Images
Im Schatten der Pandemie
Nur wenige Monate war der neue Museumskomplex eröffnet, bevor die Corona-Pandemie auch in Dänemark die Museen im Winter 2021 zur Schließung zwang. Inzwischen ist es wieder zu besuchen und Andersens Märchenwelt erlebbar - mit Gruselfaktor bei der "Schneekönigin", nicht ohne Hoffnung beim "Hässlichen Entlein", und "Des Kaisers Neue Kleider" lädt zum Lachen ein.
Bild: Laerke Beck Johansen/H.C. Andersen House
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Noch vor sieben Jahre stand an der malerischen Straßenecke in der dänischen Kleinstadt Odense nur ein unscheinbares, einstöckiges gelbes Haus: das Geburtshaus eines der berühmtesten Märchenautoren der Welt, Hans Christian Andersen. Vor über 200 Jahren, im Jahr 1805, wurde Andersen in Odense in die Armut hineingeboren. Als Sohn eines frühverstorbenen Schusters und einer Wäscherin, die weder lesen noch schreiben konnte, war sein Aufstieg zum Weltstar der Märchenerzählenden nicht vorherzusehen.
Heute kennt jedes Kind seine Geschichten - vom "Hässlichen Entlein" über "Des Kaisers Neue Kleider" bis hin zur "Schneekönigin", der zuletzt von der Walt Disney Corporation in zwei Animationsfilmen unter dem Titel "Die Eiskönigin" (Englisch: "Frozen") zu weltweitem kommerziellen Ruhm verholfen wurde.
Das neue Andersen-Museum in Odense
04:58
Hans Christian Andersens Geburtshaus in Odense liegt inzwischen in einem wohlhabenden Viertel und dient seit 1930 als Museum. Aber seit 2014 hat es sich grundlegend verändert: Um- und neugebaut vom japanischen Architekten Kengo Kuma, dessen Büro sich auch für das neue Olympiastadion in Tokio verantwortlich zeigte, ist das historische "H. C. Andersens Hus" seit 2021 der Eingang in eine ober- und unterirdische Märchenwelt. Ein großzügiger neuer Museumsbau und -garten sind hinzugefügt worden, in den Ausstellungsräumen über und unter der Erde können die Gäste in die geliebten Geschichten aus der Kindheit eintauchen. "Wir hatten das Gefühl, dass die Gäste im alten Museum noch etwas mehr wollten als ein traditionelles Geburtshaus-Museum", erklärt die Museumsmitarbeiterin Lone Weidemann. "Die Menschen wollten seine Märchen, denn das ist das, was sie kennen. Sie brauchen seine Fantasie und Inspiration für ihren Alltag."
Die magische Märchenwelt von Hans Christian Andersen
Seine Märchen sind auf der ganzen Welt berühmt, von der "Kleinen Meerjungfrau" bis zur "Schneekönigin". In Andersens dänischer Geburtsstadt Odense kann man auch unterirdisch in seine Geschichten eintauchen.
Bild: H.C. Andersen House
Bescheidene Anfänge
In diesem gelben Eckhaus in der dänischen Kleinstadt Odense wurde Hans-Christian Andersen im Jahr 1805 als Sohn einer Wäscherin und eines Schusters in einem der ärmsten Viertel der Stadt geboren. Die Mutter war Analphabetin, der Vater starb in jungen Jahren: Dem dänischen Autoren war der Aufstieg zum weltberühmten Märchenerzähler nicht in die Wiege gelegt.
Bild: imago images
Aufstieg zum Welt-Autor
Hans-Christian Andersen verließ sein Geburtshaus in Odense mit 14 Jahren, um sein Glück in Kopenhagen zu versuchen. Dort wollte er Schauspieler werden, fand aber schließlich zum Schreiben. Er war ungefähr 30 Jahre alt als er begann, seine Märchen zu schreiben, die ihm noch zu Lebzeiten internationalen Ruhm bescherten.
Bild: imago images/imagebroker
Ein Museum für seine Geschichten
Sieben Jahre lang wurde das Hans-Christian-Andersen-Museum, das sich in seinem Geburtshaus befand, umgebaut: Das japanische Architekturbüro Kengo Kuma, auch verantwortlich für das neue Olympia-Stadion in Tokyo, fügte seit 2014 unter der Leitung von Yuki Ikeguchi einen ganzen Bau hinzu, in dem Gäste in Andersens Märchen eintauchen können - zum Beispiel in "Die Prinzessin auf der Erbse".
Bild: Ritzau Scanpix/AFP/Getty Images
Unterirdische Märchenwelten
Die Inspiration dafür, hinter dem kleinen Geburtshaus eine ganze Welt zu eröffnen, stamme von Hans-Christian Andersen selbst, so der Architekt Kuma: "Der architektonische Entwurf folgt Andersens eigener Methode", erklärte er gegenüber der Presseagentur AFP. "Dabei wird aus einer kleinen Welt plötzlich ein ganzes Universum." Der neue Bau erstreckt sich dabei größtenteils unterirdisch.
Bild: Ritzau Scanpix/AFP/Getty Images
Ein Gesamtkunstwerk
12 Künstlerinnen und Künstler wirkten an der Gestaltung der Ausstellungsräume mit, dazu nutzten sie unter anderem Licht- und Musikinstallationen. Ein Besucher sagte gegenüber der AFP, das Museum transportiere einen "in eine ganz andere Welt". Ara Halici war aus den Niederlanden angereist, um das Museum zu besuchen. "Es ist wunderbar, dem Alltag hier entfliehen zu können", erklärte er.
Bild: H.C. Andersen House
Ein Märchengarten
Zur Neugestaltung des Museums gehört auch ein Garten, der sich beim Neubau befindet. Möglich wurde das dadurch, dass die dänische Gemeinde Odense beschloss, Autos aus ihrer Innenstadt zu verbannen.
Bild: Laerke Beck Johansen/H.C. Andersen House
Hoher Besuch
Zur Eröffnung im Sommer 2021 besuchte auch die dänische Königin Margrethe (lI.) das neugestaltete Museum. In Dänemark gilt Andersen als Nationalheld. Er schrieb bis zu seinem Tod im Jahr 1875 158 Märchen and 800 Gedichte, darunter die Klassiker "Des Kaisers Neue Kleider", "Die Schneekönigin" und "Die Kleine Meerjungfrau".
Bild: Ritzau Scanpix/AFP/Getty Images
Internationale Gäste
Nicht zuletzt die Disney-Verfilmungen seiner Märchen, darunter "Frozen", sorgten dafür, dass Hans-Christian Andersen auch über hundert Jahre nach seinem Tod noch weltweiten Ruhm genießt: Das frühere Hans Christian Andersen-Museum wurde von 100.000 Gästen im Jahr besucht, die meisten davon aus dem Ausland. Rund 20.000 davon kamen aus China, dort genießt Andersen laut AFP immense Popularität.
Bild: Ritzau Scanpix/AFP/Getty Images
Im Schatten der Pandemie
Nur wenige Monate war der neue Museumskomplex eröffnet, bevor die Corona-Pandemie auch in Dänemark die Museen im Winter 2021 zur Schließung zwang. Inzwischen ist es wieder zu besuchen und Andersens Märchenwelt erlebbar - mit Gruselfaktor bei der "Schneekönigin", nicht ohne Hoffnung beim "Hässlichen Entlein", und "Des Kaisers Neue Kleider" lädt zum Lachen ein.
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Gibt es einen "Märchen-Boom"?
Man könnte aktuell von einem "Märchen-Boom" sprechen: Zahllose Filme, Videospiele und Romane sind in den letzten Jahren erschienen, die bekannte Märchen der europäischen Märchenerzähler aus dem 19. Jahrhundert neu erzählen. In Disneys "Maleficient" (2014) wurde die "Böse Fee" aus dem Grimmschen Märchen "Dornröschen" auf einmal zur Heldin, dargestellt von Hollywoodstar Angelina Jolie. Die japanisch-amerikanische Autorin Elizabeth Lim kombinierte in "Six Crimson Cranes" (2021) das Andersen-Märchen "Die Wilden Schwäne" mit ostasiatischen Märchenmotiven und erschuf einen US-amerikanischen Bestseller. Auch in Deutschland erklimmen Neuerzählungen bekannter Stoffe regelmäßig die Bestsellerlisten, so zum Beispiel die Romane der Autorin Christina Henry.
Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern
07:34
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"Boom" sei aber der falsche Ausdruck, so der deutsche Autor, Herausgeber und Märchenexperte Christian Handel im Telefongespräch mit der DW. Denn: "Märchen gehen nie weg." Schon die uns so bekannten europäischen Märchen wie "Schneewittchen" der Gebrüder Grimm, "Aschenputtel" von Charles Perrault oder "Die Prinzessin auf der Erbse" von Hans Christian Andersen beruhen auf viel älteren Quellen und Motiven, erklärt Handel - die meisten davon übrigens schriftlich. Der Mythos, dass die Gebrüder Grimm alte "deutsche" Volksmärchen, die vor allen Dingen mündlich überliefert wurden, gesammelt und aufgeschrieben hätten, ist eben das: ein Mythos.
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Der Mythos vom "Volksmärchen"
"Sie haben ihre Märchen nach außen hin als etwas anderes verkauft als das, was sie wirklich waren", erklärt Handel. Viele ihrer Quellen seien schriftlich gewesen - und vor allen Dingen internationaler Herkunft. Ein besonders eindeutiges Beispiel ist das Märchen vom "Gestiefelten Kater", das laut Handel "praktisch 1:1" aus dem Französischen stamme. Kassel, wo die Gebrüder Grimm arbeiteten, stand zu ihren Lebzeiten unter französischer Besatzung.
Auch Andersen, der sogenannte "Kunstmärchen" schrieb, also nicht vorgab, dass seine Geschichten aus volkstümlichen Quellen stammten, bediente sich kulturell vielfältigen sowie älteren Stoffen und Motiven, gestaltete sie um und passte sie an die Werte seiner Zeit an. "Der Held oder die Heldin ist der gottesfürchtige Brave, der dann belohnt wird", fasst Handel die Werteanpassung zusammen, die Autoren wie die Brüder Grimm oder Hans Christian Andersen an den alten Stoffen im 19. Jahrhundert vornahmen. "Der Witz dabei ist, dass die alten Stoffe gar keine christlichen Märchen waren, sie sind bloß dazu umgeformt worden."
Diese Vielfalt der Quellen und Motive sei den meisten heute nicht bewusst, erklärt Handel: "Wenn wir heute Schneewittchen lesen, denken wir, wir wissen schon, wie die Geschichte geht. Den meisten ist gar nicht bewusst, dass es weltweit ganz verschiedene Versionen von und Quellen für dieses Märchen gibt."
Eine Märchenwelt fürs 21. Jahrhundert
Es sei genau dieser internationale Aspekt, der im Zentrum des aktuellen Märchenbooms stünde, erklärt Christian Handel - und der die neuen Märchenerzählungen heute zu einer kontroversen kulturellen Kraft mache. "Die Erzählenden, die Märchen heute neuinterpretierten, tun dasselbe, was Andersen und die Grimms getan haben: Sie gestalten Stoffe um, um sie ihren Werten anzupassen." Dabei geht es heute vor allen Dingen darum, sich weg vom Mythos des nationalen "Volksmärchens" zu bewegen und stattdessen die interkulturelle, internationale Dimension der Motive und Stoffe in den Vordergrund zu rücken, so Handel.
Außerdem berichtet Handel, dass in vielen modernen Märchenumschreibungen wieder Figuren in den Mittelpunkt gerückt werden, die nicht weiß oder männlich sind: Mächtige Frauen wie Elsa aus "Frozen" (2013), eine schwarze und lesbische Jugendliche in Kalynn Bayrons Roman "Cinderella is Dead" (2020) oder auch ein schwules Prinzenpaar, wie in Handels eigenem Roman "Rowan und Ash" (2020).
Dagegen formiert sich, insbesondere in den sozialen Netzwerken, auch Widerstand, berichtet Handel. Als die Walt Disney Corporation ankündigte, "Arielle, die Meerjungfrau" mit einer schwarzen Schauspielerin besetzen zu wollen, wurden sie auf Twitter Opfer eines Shitstorms von Menschen, die sich nicht vorstellen konnten, dass eine Meerjungfrau auch schwarz sein könne.
Märchen bringen Hoffnung
Denn der Reiz von Märchen speise sich daraus, so erläutert Handel, dass sie so vertraut seien. Deshalb könne es auch zu Abwehrreaktionen führen, wenn man die Stoffe verändere. Genau diese Veränderung und Anpassungen an einen modernen Wertekanon seien aber unabdingbar für das Überleben der Märchen. Wenn die Neuerzählungen also kontrovers sind, dann weil sie abbilden, dass sich die Werte in der Gesellschaft verändert wandeln. Daher rühre möglicherweise auch der zeitgenössische "Märchen-Hunger": Neue Werte verlangen neue Geschichten.
Diese Wandlungsfähigkeit sei ein Grund, warum Märchen überdauern, so Christian Handel. Zwei weitere Gründe kommen hinzu: "Märchen zeigen ganz klar, dass du selber etwas an deinem Schicksal ändern kannst. In fast allen Märchen muss die Heldin oder der Held in irgendeiner Weise aktiv werden, damit sich das Schicksal ändert." Und, so fügt er hinzu: "Ich glaube, Märchen überdauern, weil sie in den meisten Fällen Hoffnung geben. Sie enthalten oft einen Moment des Wunderbaren und tragen die Hoffnung in sich, dass etwas Besseres kommen wird."