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Ryan Sessegnon über Rassismus: "Warum? Warum nur?"

Reiss Tigwell
17. Februar 2021

Der englische Jungstar Ryan Sessegnon macht das Beste aus seiner Zeit als Leihspieler in Hoffenheim. Obwohl der Verteidiger, der von Tottenham Hotspur in die Bundesliga kam, Opfer von rassistischen Beschimpfungen wurde.

Hoffenheims Ryan Sessegnon
Bild: Uwe Anspach/dpa/picture alliance

Der erste Bundesliga-Einsatz von Ryan Sessegnon verlief nicht gerade nach Plan. Bei der 1:3-Heimniederlage gegen Union Berlin im November kassierte Hoffenheim zwei späte Gegentore. Kein guter Start für den Engländer. Doch es sollte noch schlimmer kommen für die Leihgabe von Tottenham Hotspur. Kaum war er zurück im Mannschaftsbus, wurde er auf seinem Smartphone mit einer regelrechten Flut von rassistischen Beschimpfungen auf seinem Instagram-Account konfrontiert.

Stellung beziehen

"Ich konnte nicht glauben, was ich da las", erzählt er der DW. "Ich habe dem nicht viel Bedeutung beigemessen. Mir war aber klar, dass ich es veröffentlichen muss. Ich musste es teilen, um der Welt zu zeigen, was im Moment immer noch vor sich geht. Das ist unglaublich. Das ist doch nicht richtig. Ich musste Stellung beziehen und es öffentlich machen. Nur so können wir das Bewusstsein ändern", erklärt der Londoner, der nach einer Verletzungspause gerade zum Team zurückgekehrt ist. 

Nur vier Wochen nach seiner Ankunft im Südwesten Deutschlands war Sessegnon also das jüngste Opfer von rassistischen Beschimpfungen geworden, die so eine schwere Belastung für die Fußballwelt sind. Glücklicherweise konnte sich der Linksverteidiger auf die Unterstützung sowohl von Hoffenheim als auch von Tottenham verlassen.

"Hoffenheim hat mir sehr geholfen", berichtet der Engländer. "Sie haben das gleich über die Medienplattformen des Vereins publik gemacht, um die Leute zu sensibilisieren." Sessegnon berichtet auch über Partien danach, in denen sich sogar gegnerische Spieler nach Hoffenheim-Toren für ihn gefreut hätten. "Was ich toll fand, eine nette Geste. Das hätten sie nicht tun müssen."

Auch von Tottenham Hotspur, seinem eigentlichen Verein, sei Unterstützung gekommen. "Viele Leute daheim haben mich für Interviews angefragt, wollten wissen, ob ich darüber sprechen möchte und wie ich mich fühle. Das fand ich auch sehr nett."

"Warum nur?"

Wie kann man dem Hass auf Social Media entgegentreten? Sessegnon ist dafür, dass man ein Identifikationssystem beim Einrichten eines Accounts vorschaltet. "Ich denke, die Leute sollten sich ausweisen. Es gibt zu viele, die sich einfach hinter diesen Accounts verstecken und dann versuchen, anonym all dieses Negative und den Rassismus zu verbreiten. Doch das ist nicht zu akzeptieren. Wir müssen stärker gegen solche Tendenzen vorgehen. Ich denke, wir können einen Wandel erreichen." Gefragt, was er denn den Beschimpfern sagen würde, fällt Sessegnon vor allem ein Wort ein: "Warum? Einfach nur 'Warum?' Ich wäre so neugierig zu hören, was sie zu sagen haben."

Ließ sich von rassistischen Beschimpfungen nicht einschüchtern: Ryan Sessegnon (rechts) mit seinem Mitspieler Christoph BaumgartnerBild: Uwe Anspach/dpa/picture-alliance

Eingewöhnung in Hoffenheim

Trotz des schrecklichen Erlebnisses abseits des Spielfelds nach der Partie gegen den 1. FC Union Berlin betont Sessegnon, dass er seine Zeit als Leihspieler im ländlichen Baden-Württemberg genieße. Mit zwei Toren und zwei Assists in elf Bundesliga-Einsätzen entwickelte er sich zum Stammspieler - und wurde im November sogar zu Hoffenheims Mann des Monats gewählt. Leider hat ihn eine hartnäckige Oberschenkelverletzung seit Januar zurückgeworfen. 

Und privat? "Ich habe mich gut eingelebt", erzählt der Engländer. "Ich mag, wo ich im Moment wohne, es ist eine schöne, friedliche Gegend am Fluss. Ich gehe da gerne spazieren, es gibt hier viele friedliche Dinge - die Bäume, der Schnee, alles. Ich mag es, wenn es ruhig ist, so bin ich einfach. Abseits des Spielfeldes bleibe ich gerne für mich."

Selbstredend, dass auch ihn die Folgen der Coronavirus-Pandemie belasten. "Meine Familie konnte mich nicht besuchen, aber meine Freundin ist hier. Wenn ich alleine wäre, hätte ich inzwischen schon den Verstand verloren, um ehrlich zu sein."

Das Trikot der "Spurs" vorübergehend abgelegt: Ryan Sessegnon im Champions-League-Spiel gegen die BayernBild: Reuters/A. Gebert

"Habt keine Angst!"

Doch der 20-Jährige bleibt hoffnungsvoll - auch was seine Zukunft bei Tottenham angeht, obwohl er seit seinem 25 Millionen Pfund (ca. 28,8 Millionen Euro) teuren Wechsel von Fulham im August 2019 nur wenige Einsätze im Team der "Spurs" hatte. "Natürlich ist es mein Ziel, zu den Spurs zurückzukehren und zu versuchen, in diese Mannschaft zu kommen. Aber wenn das in der nächsten Saison oder in der Zukunft nicht möglich sein sollte, möchte ich natürlich in einer Liga oder bei einem Verein spielen, wo ich noch mehr Erfahrungen sammeln kann. Und dann werden wir sehen."

Er würde seinen Weg jedem anderen jungen Spieler empfehlen, sagt Sessegnon im Gespräch mit der DW. "Probiert eine andere Kultur, eine andere Liga, eine andere Sprache aus und habt keine Angst, denn es ist eine große Chance! Du wirst als andere Person und als besserer Spieler zurückkommen."

Sessegnon sagt, dass er im Austausch mit Spurs-Coach José Mourinho stehe. Ende Januar hat er, wie sich das gehört, dem Portugiesen zum Geburtstag gratuliert. Auch der Trainer habe ihm empfohlen, "einfach zu spielen, zu spielen, zu spielen, diese Erfahrung mitzubringen". Und dann hoffentlich bereit zur Rückkehr zu sein. Doch davon ist im Moment nicht die Rede. Der Fokus liegt klar auf Hoffenheim. Als nächstes steht die Reise ins spanische Villarreal an, wo die TSG am Donnerstag im Achtelfinale der Europa League auf den norwegischen Klub Molde trifft. Ryan Sessegnon hofft, dabei sein zu können.

Adaptiert von Marko Langer

 

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