Warum Putin der Ukraine Verhandlungen in Istanbul vorschlägt
12. Mai 2025
Der russische Präsident Wladimir Putin ist auf den Vorschlag der europäischen Staats- und Regierungschefs und des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, am 12. Mai einen 30-tägigen Waffenstillstand auszurufen, nicht eingegangen. Stattdessen hatte er der Ukraine vorgeschlagen, die direkten Gespräche zwischen Kyjiw und Moskau "ohne Vorbedingungen" am 15. Mai in Istanbul wieder aufzunehmen.
US-Präsident Donald Trump erklärte in seinem sozialen Netzwerk Truth Social, dass die Ukraine diesen Gesprächen sofort zustimmen sollte, auch wenn sie keinen 30-tägigen Waffenstillstand vorsehen. Ohne lange zu zögern, erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, er erwarte, dass Russland ab dem 12. Mai eine Waffenruhe einhalte, und er werde am 15. Mai in der Türkei sein, um Kremlchef Wladimir Putin zu treffen. "Es hat keinen Sinn, das Töten in die Länge zu ziehen. Und ich werde am Donnerstag in der Türkei auf Putin warten. Persönlich. Ich hoffe, dass die Russen dieses Mal nicht nach Gründen suchen werden, warum sie es nicht tun können", schrieb Selenskyj auf Telegram.
Laut Quellen des US-Nachrichtenportals Axios wird der ukrainische Präsident nach Istanbul reisen, auch wenn Russland den Waffenstillstandsvorschlag offenbar nicht akzeptiert hat. Nach Angaben der ukrainischen Seite wurden die russischen Angriffe am 12. Mai fortgesetzt.
Putin setzt auf Trump
Putin hätte dringend auf den von der "Koalition der Willigen" unterstützten Vorschlag der Ukraine für einen Waffenstillstand reagieren müssen, so Wolodymyr Fesenko, Politikwissenschaftler und Direktor des Penta-Zentrums für politische Studien in Kyjiw. Aber Putins Vorschlag zu Gesprächen in Istanbul "richtet sich nicht an uns oder die europäischen Staats- und Regierungschefs, sondern an Donald Trump, denn das Spiel um Trumps Aufmerksamkeit hat begonnen", sagte Fesenko im Gespräch mit der DW. Für Putin sei es sehr wichtig, die Aussicht auf Verhandlungen mit Trump am Leben zu erhalten. Wäre dies nicht der Fall, gäbe es überhaupt keine Verhandlungen über das Ende des Krieges, so der Experte weiter.
Putin habe es eilig, den ersten Zug zu machen, damit das Spiel nach seinen Regeln abläuft. Deshalb, so der Experte, habe er Istanbul für die Gespräche vorgeschlagen - als Anspielung auf die Verhandlungen von 2022, unmittelbar nach Beginn der groß angelegten Invasion, bei denen Putin tatsächlich die Kapitulation der Ukraine forderte. "Dies sollte nach Putins Logik eine Erinnerung daran sein, dass die Gespräche zu russischen Bedingungen geführt werden sollten", erklärte der Politikwissenschaftler. Wolodymyr Fesenko ist der Ansicht, dass der russische Präsident die Ukraine mit diesem Angebot in eine Falle lockt. Schließlich könne die Ukraine Verhandlungen und die Unterstützung der USA nicht ablehnen.
Ukrainische Experten glauben, dass die Regierung in Kyjiw alles tun muss, um die Falle, die Putin der Ukraine gestellt hat, zu ihren Gunsten zu nutzen. "Es ist notwendig, ein Verhandlungsformat zu finden, das die Teilnahme an diesen Gesprächen ermöglicht, aber so, dass man der Ukraine dort nicht vorwerfen kann, dass es uns an gutem Willen für einen Waffenstillstand und Frieden fehlt. Wir sollten darauf bestehen, das Format dieser Gespräche in Istanbul zu erweitern, denn es geht um die Sicherheit Europas. Aber für Trump geht es in erster Linie darum, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden, egal zu welchen Bedingungen, und seine Hände in Unschuld zu waschen", sagt der Direktor des Sozialforschungszentrums "Ukrainischer Meridian" Dmytro Lewus.
Wird Trump eine "Eingebung" in Bezug auf Russland haben?
Oleksandr Krajew vom Analysezentrum "Ukrainian Prism" glaubt, dass die Russen in Istanbul die gleichen Narrative und Forderungen vorbringen werden wie zuvor. Wenn die europäischen Partner und die USA der Ukraine eine Zukunftsperspektive und Unterstützung bieten, die es ihr ermöglichen, alle russischen Forderungen erneut abzulehnen, muss Kyjiw seiner Meinung nach nicht einmal zu Putins Bedingungen verhandeln.
Verweigern die Partner Kyjiw jedoch ihre Unterstützung, wird die Ukraine um des Verhandelns willen verhandeln müssen, um einen Waffenstillstand zu erreichen und zu halten. "Wenn die Russen diese Verhandlungen vermasseln, ist es gut möglich, dass US-Präsident Trump keinen Rückzugsweg mehr hat. Er wird die Russen 'zermalmen' müssen, sonst wird er als schwach angesehen. Zum jetzigen Zeitpunkt hat er zu viel auf den Beginn dieser Verhandlungen und ihren Erfolg gesetzt - im Hinblick auf sein eigenes Image, seine eigene Politik und sogar wirtschaftlich", kommentierte Krajew im Gespräch mit der DW. Wenn die Russen die Verhandlungen jetzt abbrechen würden, seien sie es, die unter Druck gesetzt werden müssten, so der Experte weiter - schließlich habe die Ukraine die ganze Zeit öffentlich eine viel produktivere Position gezeigt.
Adaption aus dem Russischen: Darius Cierpialkowski