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Gesellschaft

Warum Radio in Afrika unverzichtbar ist

Jan Philipp Wilhelm | Paul Lorgerie
13. Februar 2020

Ist das Radio ein Medium der Vergangenheit? Jedenfalls nicht in Afrika: Nahezu überall auf dem Kontinent ist Radio so beliebt wie eh und je, trotz Internet und Social Media. Eine Spurensuche zum World Radio Day 2020.

Liberia: Radiohörer in Monrovia
Bild: Getty Images/AFP/C. Aldehuela

Es ist Mittagszeit in Malis Hauptstadt Bamako. Bei Radio Kledu, dem größten privaten Radiosender Malis, läuft eine Sondersendung zum landesweiten Lehrerstreik. Moderatorin Oumou Dembélé lässt die Gewerkschaften und Streikenden zu Wort kommen, wenig später darf auch die Regierungsseite ihre Version der Dinge vortragen. Ganz normal sei das, betonen die Journalisten im Redaktionsbüro. Denn bei Radio Kledu dürften alle ihre Meinung äußern. 

Keine ganz einfache Mission in einem Land, das im Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen auf Platz 116 steht und in dem terroristische Gruppen häufig auch Journalisten ins Visier nehmen. "Wir haben häufig Probleme, unsere Arbeit nach unseren Vorstellungen zu tun", sagt Oumou Dembélé im DW-Gespräch. Oft werde ihr und ihren Kollegen etwa der Zugang zu bestimmten Regionen erschwert. "Aber wir schlagen uns durch."

Radio ist Afrikas wichtigste Informationsquelle

Für nicht wenige Menschen in Mali ist die Arbeit von engagierten Radiojournalisten wie Dembélé praktisch unverzichtbar. Denn wie in vielen afrikanischen Ländern ist das Radio das wichtigste Medium in Mali. Gerade in ländlichen Regionen, wo es kaum eine stabile Stromversorgung, geschweige denn Zugang zum Internet gibt, sind die Menschen auf batteriebetriebene Radiogeräte als Informationsquelle angewiesen.

Sendemasten in Marokko: Wo die Handy-Netzabdeckung spärlich ist, reichen Radiowellen weiterBild: picture-alliance/blickwinkel/W. G. Allgoewer

"Radio erreicht mit Abstand mehr Menschen als alle anderen Medien auf dem Kontinent", betont der südafrikanische Medienwissenschaftler Franz Krüger. Selbst in relativ gut entwickelten Medienmärkten wie in Südafrika würden mehr als 90 Prozent der Menschen Radio hören. Für Krüger liegen die Vorteile des Mediums auf der Hand: "Radio ist günstig zu produzieren, günstig und einfach zu empfangen und erreicht so vor allem diejenigen, die ansonsten in der Medienlandschaft eher benachteiligt sind", so Krüger, der die Journalismus-Fakultät an der Witwatersrand-Universität in Johannesburg leitet.

Radiosender stellen sich auf Social Media ein

Auch die Nutzungszahlen der Afrika-Programme der Deutschen Welle sprechen eine deutliche Sprache: Zwar werden die TV-, Online- und Social-Media-Angebote der DW auch in Subsahara-Afrika immer beliebter, doch die Radioprogramme machen immer noch mehr als die Hälfte der gesamten DW-Reichweite in Afrika aus. Die anhaltende Beliebtheit von Radio in Zeiten des digitalen Wandels in Afrika bestätigt auch Franz Krüger: "Die Zahlen zeigen, dass das Radio durch das Wachstum von Social Media kaum an Publikum eingebüßt hat."

Dazu beigetragen habe auch, dass viele Menschen inzwischen mit ihren Handys Radio hören würden - allerdings nicht etwa über das Internet, sondern über eingebaute UKW-Empfänger, die bei Mobiltelefonen in Afrika häufig zur Standardausstattung gehören. Außerdem hätten viele Sender inzwischen die Zeichen der Zeit erkannt: "Viele Radiosender haben sich auf den digitalen Wandel eingestellt und erreichen ihre Hörer inzwischen auch über Facebook, Twitter und andere Plattformen", so Krüger.

Bürgerradio-Studio von "Voice of Sinoe FM" in Liberia: Trend zu mehr ProgrammvielfaltBild: picture-alliance/AP Images

Während in Europa und Nordamerika seit einigen Jahren Podcasts und andere Audio-On-Demand-Formate immer wichtiger werden, dominiere in Afrika nach wie vor das klassische lineare Radioprogramm, sagt Krüger. Das habe einerseits mit den hohen Preisen für mobile Daten in afrikanischen Ländern, andererseits aber auch mit Hörgewohnheiten zu tun: "Lineares Radio funktioniert besser als andere Medien im Hintergrund und hat deshalb einen festen Platz im Alltag der Menschen."

Autoritäre Regime behindern Weiterentwicklung

Für Franz Krüger hat das Medium Radio sein volles Potenzial in Afrika noch längst nicht erreicht. Vielerorts würden autoritäre Regierungen eine Öffnung der Radiowellen für private Anbieter verhindern, auch nicht-kommerzielle Bürgerradios hätten es häufig schwer. Zwar habe es in manchen Ländern wie etwa in Simbabwe und Uganda eine zaghafte Liberalisierung des Marktes gegeben. Doch die Sendelizenzen seien häufig an regierungsnahe Personen vergeben worden - mit negativen Konsequenzen für Meinungsvielfalt und Demokratie.

Dort, wo die Medienlandschaften heute schon freier sind, wie etwa in Südafrika, sieht Krüger hingegen einen Trend hin zu mehr Programmvielfalt - auch dank neuer, digitaler Sendetechnologien wie DAB und DAB+. "Ich denke, es wird künftig mehr Nischenangebote geben, die kleinere Zielgruppen ansprechen". Der Medienwissenschaftler bescheinigt Audioanbietern in Afrika eine große Zukunft - wenn sie es denn schaffen, flexibel zu bleiben und neue Technologien und Plattformen zu nutzen. "Das Publikum wird sich ohne Zweifel bewegen und die Sender werden ihm folgen müssen", so Krüger.

World Radio Day 2020 im Zeichen der Vielfalt

"Das Radio gehört zu den Medien der Zukunft", prophezeit auch UNESCO-Generalsekretärin Audrey Azoulay. Sie betont zum World Radio Day am 13. Februar vor allem das emanzipatorische Potenzial des Mediums. "Ohne das Radio wäre die Welt weniger frei und es gäbe weniger kulturelle Vielfalt", so Azoulay in einer Audiobotschaft.

Und auch bei Radio Kledu in Bamako singt der Journalist Mahamadou Kane ein Loblied auf das Radio: "Ob beim Duschen oder beim Autofahren, egal was du machst, du kannst nebenbei Radio hören. Das macht den Charme von Radio aus, deshalb lieben wir das Radio. Und deshalb kämpfen wir jeden Tag darum, unsere Hörer auf der ganzen Welt zu informieren."

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