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Warum Sky weiter unschlagbar bleibt

Joscha Weber aus den französischen Alpen
20. Juli 2017

Auch wenn das Rennen um Gelb in diesem Jahr knapper verlief, bleibt es wohl beim gewohnten Bild: Am Ende der Tour de France jubelt Chris Froome in Paris. Den Ausschlag dafür gab dieses Mal allerdings nicht er selbst.

Le Tour de France 2017 Etappe 18 (Getty Images)
Eindrucksvolle Dominanz: das Team Sky an der Spitze des Feldes auf der 18. EtappeBild: Getty Images/B. Lennon

Kurz hinter der Ziellinie sackt Michal Kwiatkowski zusammen. Er sitzt auf dem Asphalt, lehnt sich mit dem Rücken an einen Bauzaun und wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht. Während eine anwachsende Gruppe Reporter den Polen umlagert, nimmt der erst einmal einen tiefen Schluck aus seiner Flasche. Für die malerische Kulisse des 2360 Meter hohen Col d'Izoard hat er kein Auge. Sein Blick ist völlig leer und erzählt dennoch eine ganze Menge.

Er hat sich völlig verausgabt. Mit allem, was er hat, ist Kwiatkowski den Col d'Izoard hinaufgefahren, um seinen Kapitän Chris Froome vor Angriffen der Konkurrenz zu schützen und schwächelnde Gegner abzuhängen. Bis es nicht mehr geht. Kwiatkowski schert nach rechts aus, muss sogar kurz anhalten, sich sammeln und Luft holen, bevor er langsam weiter fahren kann. Tempobolzen bis zum Umfallen. Auf den Bergetappen der Tour ist das seine Jobbeschreibung beim Team Sky. Dabei ist Kwiatkowski selbst einer der stärksten Klassikerfahrer der Welt und war zudem 2014 Weltmeister. Er steht für das Erfolgsprinzip des Sky-Rennstalls: Erstklassige Fahrer ordnen sich Kapitän Froome unter und opfern sich vollkommen für dessen Siegchancen auf.

Ex-Weltmeister als Domestik: Kwiatkowski im Dienst der MannschaftBild: Getty Images/B. Lennon

Der Faktor "Team"

Das Konzept geht auf: Bei der Tour 2017 ist der Faktor "Team" noch viel entscheidender als in den Vorjahren. Froome fährt weit weniger dominant als bisher. Er kontrolliert das Rennen zwar einigermaßen souverän, ist aber kein Überflieger mehr. In Peyragudes hängen ihn die Gegner auf dem finalen Steilstück sogar ab, er verliert das Gelbe Trikot. "Das war ein schwerer Moment für uns. Danach mussten wir hart arbeiten, die Gegner unter Druck setzen, um das Trikot zurückzuholen", sagt Kwiatkowski im Gespräch mit der DW.

Eindrucksvolle Dominanz: das Team Sky an der Spitze des Feldes auf der 18. EtappeBild: Getty Images/B. Lennon

Im Kollektiv isolieren sie später den Italierner Fabio Aru, der Froome das Leader-Trikot abgeluchst hatte, selbst aber kein starkes Team mehr um sich hat. Und das macht den Unterschied: Sky dominiert nicht mit dem stärksten Kapitän, sondern mit einer überragenden Mannschaft. "Wir fahren eben sehr schlau", meint Kwiatkowski, "Bardet, Uran und Aru mussten etwas versuchen, um vor dem Zeitfahren Zeit gut zu machen. Wir konnten einfach nur reagieren und das Feld kontrollieren." Und diese Taktik geht auch am Izoard wieder auf: Kein Gegner im Kampf um Gelb wird weggelassen, die Spanier Mikel Nieve und Mikel Landa sowie Michal Kwiatkowski fahren die Konkurrenz mit ihrem hohen Tempo mürbe. "Wir haben einfach unseren Job gemacht", sagt Nieve, für den der Erfolg einen simplen Grund hat: "Wir haben unglaublich hart trainiert und als Team hart auf dieses Rennen hingearbeitet."

"Sie haben das größte Team, das größte Budget, die besten Fahrer - sie sind einfach derzeit die Besten", muss Oliver Naesen anerkennen. Der belgische Meister hat mit seinem französischen AG2R-Rennstall erneut alles versucht, um am Sockel von Sky zu rütteln. Vergebens. Sein Kapitän Romain Bardet arbeitet sich zwar mit unermüdlichen Attacken auf gerade einmal 23 Sekunden an Froome heran. Doch im Zeitfahren am vorletzten Tag gilt er Froome als klar unterlegen. "Da muss man einfach sagen: 'Chapeau'. Sky investiert viel in Details und fährt dafür die Ergebnisse ein", meint Naesen im DW-Interview, der hofft, dass man sich dem Platzhirsch in den kommenden Jahren in kleinen Schritten nähern kann, weil die Sky-Profis langsam in die Jahre kommen.

Froome in Gelb: der Sky Kapitän kann auf seine Mannschaft zählenBild: Getty Images/C. Graythen

Das Misstrauen fährt mit

Aktuell scheint die Vormachtstellung von Sky allerdings einigermaßen sicher. Mit Ausnahme von 2014, als Froome wegen Sturzverletzungen aufgeben musste, läuft der Sky-Train wie geölt. Er läuft so gut, dass manche misstrauisch geworden sind. Erst galten die errechneten Watt-Werte von Froome als mindestens suspekt, wobei die Berechnungen auf ein paar Mutmaßungen basierten. Doch spätestens seit der Affäre um ein mysteriöses Medikamentenpaket für den damaligen Sky-Kapitän und späteren Toursieger Bradley Wiggins, ziert die weißen Trikots der britischen Muster-Mannschaft ein dunkler Fleck. Auch wenn Teamchef David Brailsford vor der Tour jegliches Fehlverhalten von sich wies, bleibt die Affäre mindestens dubios. Mehr Transparenz würde den Briten sicher wieder zu mehr Glaubwürdigkeit verhelfen.

Doch die passt nicht ins Sky-Konzept. Denn der dem Vernehmen nach jährlich mit 35 Millionen Euro finanzierte Rennstall setzt auf "marginal gains", kleine Vorteile gegenüber der Konkurrenz, und lässt sich dabei nicht gern in die Karten schauen. Ob beim Material, der Ernährung oder insbesondere der Trainingssteuerung - Sky geht eigene Wege und hütet manches Erfolgsgeheimnis wie einen Gral. So staunte die Konkurrenz beim Tour-Start in Düsseldorf nicht schlecht, als die Sky-Profis mit speziellen Aero-Polstern im Rennanzug starteten. Die Golfball-ähnliche Oberfläche soll ein paar Sekunden sparen und in der Tat fuhren Froome und Co. schneller als die Konkurrenz.

Beim Zeitfahren am vorletzten Tag in Marseille wird dieses Feature wohl wieder zum Einsatz kommen und symbolisch zeigen, dass Sky allen ein Stück voraus ist. Wenn alles nach Plan läuft, wird Chris Froome einen Tag später in Paris seinen vierten Tour-Triumph feiern. Und es spricht einiges dafür, dass dies nicht der letzte bleiben wird.

 

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