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Finanzkrise - Episode 6

Angela Göpfert27. März 2008

In der Finanzkrise zählen keine Prinzipien: Weltweit sind Staatseingriffe wieder en vogue, um angeschlagene Banken zu retten. Doch sind sie wirklich nötig - oder legt der Staat damit den Grundstein für die nächste Krise?

Ohne Staat in SchieflageBild: AP
Ruf nach dem Staat: Josef AckermannBild: AP

Bear Stearns, Fannie Mae, Freddie Mac, Northern Rock, IKB, WestLB, BayernLB - die Liste der Finanzinstitute, die seit Ausbruch der Finanzkrise im vergangenen Sommer nur mit Hilfe des Staates vor der Pleite bewahrt werden konnten, wird täglich länger. Das Verblüffende daran: Selbst Banker, die gemeinhin als Verfechter des Neoliberalismus gelten, rufen plötzlich nach dem Staat. So forderte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann, Regierungen und Zentralbanken zu konzertierten Aktionen auf, um das Vertrauen in die globalen Finanzmärkte wieder herzustellen. Der Chef eines rund 35 Milliarden Euro schweren Dax-Konzerns teilte mit, er glaube nicht allein an die Selbstheilungskräfte des Marktes.

"Wir haben es hier ganz offensichtlich mit einer extremen Situation des Marktversagens zu tun", sagt Wolfgang Gerke, Inhaber des Lehrstuhls für Bank- und Börsenwesen an der Universität Erlangen-Nürnberg. Das sei die "traurige Botschaft" und zugleich der "Offenbarungseid für die Neoliberalen": Die reine Marktwirtschaft und ihre Selbstreinigungsprozesse funktionierten eben nicht immer.

Die Rechnung zahlt der Steuerzahler

Tatsächlich ist die Tendenz zur Privatisierung der Gewinne und zur Verstaatlichung der Verluste in der Finanzkrise unübersehbar. Das Dogma, dass die internationalen Kapitalmärkte möglichst weitgehend dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden müssten, scheint auf einmal völlig überholt. Die britische Northern Rock, die sich mit Ramschhypotheken, so genannten Subprime-Papieren, verspekuliert hatte, wurde bereits verstaatlicht.

Übergroße Risikofreude brachte Bear Stearns an den Rand der PleiteBild: picture-alliance/ dpa

Auch in den USA riefen die Bankenmanager erfolgreich nach dem Staat: So erteilte die US-Regierung den beiden Baufinanzierern Fannie Mae und Freddie Mac einen Freibrief zum Aufkauf von Hypotheken im großen Stil. Und die US-Notenbank Fed sicherte den Notverkauf der vor dem Konkurs stehenden Investmentbank Bear Stearns an JPMorgan durch einen Kredit in Höhe von 30 Milliarden Dollar ab. JPMorgan trägt damit nahezu keine Risiken, im Zweifelsfall muss der US-Steuerzahler die Rechnung bezahlen.

Ein Blumenladen darf pleite gehen – nicht aber eine Bank

Dieses Konstrukt kennen auch die deutschen Steuerzahler. Die einst als grundsolide geltende Mittelstandsbank IKB geriet wegen Fehlspekulationen an den Rand des Zusammenbruchs und konnte nur mit staatlicher Hilfe gerettet werden. Mit massiver staatlicher Hilfe: Die zahlreichen Rettungsaktionen haben bislang ein Volumen von 8,5 Milliarden Euro. Davon trägt die staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) als IKB-Hauptaktionärin den weitaus größten Teil. Weil die IKB auf zahllosen Portfolios mit riskanten und mittlerweile wertlosen Wertpapieren sitzt, drohen noch weitere Abschreibungen.

Bei den Landesbanken sieht es nicht besser aus: Insgesamt dürften Schätzungen zufolge rund 20 Milliarden Euro Steuergelder für die Sanierung der öffentlichen Geldinstitute fällig werden. "Die Verhinderung eines Bankencrashs genießt Vorrang vor der Haushaltskonsolidierung", heißt es dazu im Finanzministerium. In der Tat scheint es in den großen Industrienationen mittlerweile eine Art stillschweigende Übereinkunft zwischen Notenbankchefs und Regierungen zu geben, keine Bank pleite gehen zu lassen - koste es, was es wolle.

Folgen einer Bankenkrise wären fatal

September 2007: Besorgte Northern-Rock-Kunden stehen Schlange vor einer BankfilialeBild: picture-alliance/ dpa

Für Bankenexperte Gerke hat das auch seinen guten Grund: "Die Gefahr von Spill-over- oder Domino-Effekten ist ungeheuer groß. Je größer die Bank, desto größer ist auch die Gefahr, dass sie andere Kreditinstitute in die Illiquidität mit hineinzieht. Das ist ein Vertrauensschwund, der sich wie eine Epidemie ausbreiten kann." Ganz ähnlich begründete auch Fed-Chef Ben Bernanke sein Einschreiten bei Bear Stearns: Die Folgen einer Pleite des New Yorker Traditionshauses seien unübersehbar. Wie die deutsche Bankenkrise des Jahres 1931 lehrt, sind solche Befürchtungen nicht ganz unbegründet.

Trotzdem halten Marktbeobachter dagegen, die Staatseingriffe seien ein verheerendes Signal an die Banken: Die Manager in den oberen Banketagen bezögen es längst in ihr Geschäftskalkül mit ein, dass sie nicht pleite gehen können. Ökonomen kennen dieses Problem unter dem Begriff des "moral hazard": Wenn man für die Konsequenzen seines Handelns nicht die Kosten tragen muss, dann klaffen individuelle und kollektive Rationalität weit auseinander.

Wie der Staat Banken zur Verantwortungslosigkeit erzieht

Folglich ist es für den Bankenexperten Ekkehard Wenger auch leicht erklärlich, warum sich gerade Landesbanken und halbstaatliche Banken wie die IKB so enorm verspekuliert hatten: "Öffentliche Eigentümer sind mit dem Geld der Steuerzahler unterwegs. Da sind die Anreize, gut aufzupassen, besonders schwach ausgeprägt", meint der streitbare Würzburger Professor.

Getreu dieser Anreizlogik stellen auch die jüngsten staatlichen Rettungsmaßnahmen eine regelrechte Einladung zum Missbrauch dar; sie verführen die Bankmanager, zu große Risiken einzugehen. Denn wenn das Kartenhaus der Spekulation zusammenzuklappen droht, werden Notenbanken und Steuerzahler sie schon wieder heraushauen. Folglich könnte der Staat mit seinem Aktionismus schon heute den Keim zu nächsten Krise legen: Die nächsten "Verspekulationen" von Investmentbankern und damit auch die nächsten Blasen und Finanzkrisen sind vielleicht nur noch eine Frage der Zeit.

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