Was sich wirklich hinter Trumps "reziproken Zöllen" verbirgt
9. April 2025
Als Donald Trump am 2. April im überfüllten Rosengarten vor dem Weißen Haus die Details seiner Zollkampagne bekannt gab, lies sich der US-Präsident erneut über die Bedeutung des Wortes "reziprok" aus. "Gegenseitige Zölle auf Länder auf der ganzen Welt", sagte er. "Reziprok. Das heißt: Sie tun es uns an und wir tun es ihnen an. Sehr einfach. Einfacher geht es nicht."
Trump kündigte an diesem Tag zwei Hauptzölle an: eine Abgabe von zehn Prozent auf praktisch alle US-Importe aus allen Ländern und dann eine zusätzliche Reihe von "reziproken Zöllen" auf ausgewählte Länder, deren Höhe nach einer vielfach belächelten Formel der US-Regierung berechnet wurde, die sich fast ausschließlich auf Handelsdefizite konzentriert.
Der US-Präsident und sein Wirtschaftsteam haben wiederholt darauf bestanden, dass die gegenseitigen Zölle nur die gleichen Handelsbarrieren errichten, mit denen US-Exporteure konfrontiert sind, wenn sie Waren in diese Länder verkaufen.
Fehlerhafte Formel
Eine Reihe von Ökonomen, Banken und Finanzinstituten haben jedoch darauf hingewiesen, dass die Zölle nicht auf Gegenseitigkeit beruhen und dass die Formel, mit der Trumps Team sie berechnet hat, wirtschaftlich wenig Sinn ergibt.
"Die Formel, die er verwendet hat, ist Unsinn", sagt Bill Reinsch, leitender Wirtschaftsberater am Center for Strategic and International Studies (CSIS), der DW. "Jeder weiß, dass es Unsinn ist und in keinem Verhältnis zu dem steht, was sie versprochen haben, nämlich auf Gegenseitigkeit zu achten und tatsächliche Handelshemmnisse zu berücksichtigen, also Zölle und nicht-tarifäre Handelshemmnisse. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie die geringste Anstrengung unternommen haben, das zu tun."
Doug Irwin vom Peterson Institute for International Economics und Experte für globalen Handel, sagt ebenfalls, dass die Zölle aus einer Reihe von Gründen eindeutig nicht auf Gegenseitigkeit beruhen. Im Gespräch mit der DW weist er auf den Punkt hin, dass die vom Weißen Haus verwendete Formel nicht einmal die Höhe der von anderen Ländern verhängten Zölle berücksichtigte. Man habe stattdessen einfach das Handelsdefizit der USA mit dem betreffenden Land beim Warenaustausch zugrunde gelegt und es dann durch die Menge der Waren dividiert, die aus diesem Land in die USA importiert wurden.
Außerdem, so Irwin, seien gegenseitige Zölle auf Länder angewendet worden, mit denen die USA bereits Freihandelsabkommen haben, wie Chile, Australien, Peru und Südkorea.
"Diese sind bereits wechselseitig in dem Sinne, dass wir sie nicht belasten und sie uns nicht belasten", sagte er. "Tatsächlich geht es nicht um Außenhandelsbarrieren, sondern um das Handelsdefizit. Darauf haben sie sich konzentriert. Das ist die Kennzahl, die sie verwenden, um Handelsbarrieren zu unterstellen", betont Irwin.
Alles andere als gegenseitig
Daten der Welthandelsorganisation (WTO) untermauern die Argumente von Ökonomen, dass Trumps angeblich gegenseitige Zölle in Wirklichkeit weit höher sind als die der jeweiligen Handelspartner. Das vielleicht prominenteste Beispiel ist China. Peking stand in Trumps erster Amtszeit von 2017 bis 2021 im Mittelpunkt seiner Zollpolitik - und das mit einigem Recht. China erhob damals durchweg höhere Zölle auf US-Waren als umgekehrt. Die jüngsten weitreichenden Zölle aus Washington führen jedoch dazu, dass die US-Zölle auf chinesische Waren inzwischen deutlich höher sind als umgekehrt.
Schätzungen zufolge lagen die US-Zölle auf chinesische Waren bislang bei rund 75 Prozent, verglichen mit 56 Prozent in der Gegenrichtung. In der Zwischenzeit hat Trump jedoch die bestehenden Zölle um weitere 50 Prozent erhöht, nachdem China US-Waren mit einem zusätzlichen Zoll in Höhe von 34 Prozent belegt hatte. China antwortete mittlerweile mit der Erhöhung seiner Zölle auf US-Waren auf 84 Prozent.
Ein weiteres klares Beispiel ist Vietnam. Washington wird Vietnam nun einen Zoll von 46 Prozent auferlegen, aber das WTO-Portal Tariff & Trade Data zeigt, dass Vietnam den USA einen einfachen Durchschnittszoll von 9,4 Prozent und einen gewichteten Durchschnittszoll von 5,1 Prozent berechnet, der den Anteil der Produkte mit unterschiedlichen Zollsätzen berücksichtigt.
Das Beispiel Vietnam zeigt jedoch, dass es eindeutig nicht um Gegenseitigkeit geht. Hanoi bot sofort an, alle Zölle auf US-Importe fallen zu lassen, aber Trumps Handelsberater Peter Navarro antwortete in einem Interview mit CNBC, dass das Angebot nicht ausreichen würde, "weil es auf den nicht-tarifären Betrug ankommt". Er nannte den Verkauf chinesischer Waren über Vietnam und die Mehrwertsteuer als Beispiele für einen solchen "Betrug".
Bill Reinsch sagt, die Tatsache, dass das Weiße Haus keine tarifären Handelshemmnisse zugrunde gelegt hat, geschweige denn nicht-tarifäre Handelshemmnisse, wie Navarro bei seinen Berechnungen behauptet, deutet darauf hin, dass die US-Regierung "nicht wirklich an der Idee der Gegenseitigkeit interessiert ist, so Reinsch. "Es ist nur ein Spiel. Und so wird es Verhandlungen geben."
Verhandlungen mit Ländern wie Vietnam werden sich zweifellos auf die Handelsbilanzen der Länder konzentrieren, aber Doug Irwin hält es für "unwahrscheinlich", dass die USA beim Blick auf ihre unterschiedlichen Volkswirtschaften zu einen ausgeglichenen Handel oder einem Handelsüberschuss mit Vietnam kommen können. "Vietnam hat viele ausländische Investitionen erhalten. Wir liefern Komponenten nach Vietnam und die Vietnamesen liefern uns Endprodukte", erklärt Irwin und fügt hinzu, dass dies "natürlich bedeutet, dass es ein Handelsdefizit geben wird".
Was Trump wirklich will
Trump spreche seit mehr als 40 Jahren darüber, dass die USA beim Welthandel "abgezockt" würden, bemerkt Bill Reinsch. Er glaubt, Trump wolle den Welthandel wirklich umstrukturieren, befinde sich aber mittlerweile auf einem regelrechten Rachefeldzug. "Das Problem dabei ist, dass er wirklich nur eine Kennzahl hat, nämlich das bilaterale Handelsdefizit, und dass er wirklich nur ein Instrument hat, nämlich die Zölle."
Für den CSIS-Ökonomen ist die Trump-Regierung grundsätzlich der Ansicht, dass Handelsdefizite unfair sind und Washington nur dann zufrieden ist, wenn diese Defizite beseitigt werden - so unrealistisch und wirtschaftlich unwahrscheinlich dieses Ziel auch sein mag.
"Wenn man Navarro zuhört, und manchmal auch Trump, dann wird so getan, als ob ein Handelsdefizit mit Land A nur daran liegen kann, dass sie etwas Unfaires tun, und der Handel ausgewogen sein sollte", sagt Reinsch und fügt hinzu, eine solche Argumentation "ergibt keinen Sinn".
Irwin stimmt dem zu und sagt, Trumps größte Sorge seien die Handelsdefizite. "Nicht so sehr die Einnahmen, es geht nicht so sehr um Gleichheit oder Fairness oder Gegenseitigkeit. Er mag keine Handelsdefizite. Und da ist er seit 40 Jahren unbeirrbar."
Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert