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Politik

Keine harten Maßnahmen in Weißrussland

Alexandra Boguslawskaja mo
1. April 2020

Obwohl Präsident Lukaschenko strenge Maßnahmen gegen Covid-19 ablehnt, haben sich viele Weißrussen selbst in Quarantäne begeben. Die Behörden versichern, alles sei unter Kontrolle. Wie ist die Lage tatsächlich?

Frau mit Mundschutz vor einer Klinik in Minsk
Bild: picture-alliance/dpa/N. Fedosenko

Die Coronavirus-Pandemie nannte der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko noch vor Kurzem eine "Psychose". Er riet dazu, das Virus "mit Wodka, Saunagängen und Traktorfahren" zu bekämpfen. Doch inzwischen hat auch Weißrussland erste Todesfälle zu beklagen. Am 31. März starb der bekannte Theaterschauspieler Viktor Daschkewitsch an den Folgen einer Infektion mit dem neuartigen Virus. Am 1. April wurde ein weiterer Todesfall gemeldet.

Zudem haben sich, wie Lukaschenko persönlich mitteilte, in der Stadt Witebsk ein Dutzend Ärzte infiziert. Er betonte aber, die Situation sei unter Kontrolle und es gebe keine Katastrophe. "Heute werden 80 bis 90 Menschen im Krankenhaus behandelt. Wir werden damit fertig", behauptet der autokratische Präsident.

Nach offiziellen Angaben sind in Weißrussland derzeit 157 Corona-Infektionen gemeldet. Beobachtern zufolge ist es allerdings schwierig, herauszufinden, inwiefern die Zahlen stimmen, da es keine unabhängigen Informationsquellen dazu gibt.

Kaum Maßnahmen zur Eindämmung

Im Gegensatz zu seinen Nachbarländern hat Weißrussland wenig unternommen, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern. So sind die Grenzen des Landes noch offen und Weißrussland ist der einzige Staat in Europa, der die Spiele seiner nationalen Fußball-Liga noch nicht gestoppt hat. Lukaschenko sagte, er sei kein Befürworter einer massenhaften Isolation: "Das Einschließen in stickige Wohnungen ist keine gute Methode." Und er fügte hinzu, bei Erkältungen und Grippe sollte man nach draußen gehen, frische Luft atmen und die Wohnungen gut lüften.

Fußballmatch in Sluzk: Spiele der weißrussischen Liga finden weiter stattBild: picture-alliance/dpa/N. Fedosenko

Zu den bisherigen Maßnahmen gehört, dass weißrussische Staatsbürger, die aus Ländern mit einer Corona-Epidemie anreisen, eine zweiwöchige Quarantäne einhalten müssen. Zudem hat das Innenministerium die Bewegungsfreiheit von Polizisten im ganzen Land eingeschränkt. Die Regierung hat angekündigt, umgerechnet rund eine Million Dollar gegen die Verbreitung von Covid-19-Infektionen bereitzustellen. Um die Bevölkerung besser zu informieren, hat das Gesundheitsministerium eigens einen Telegram-Kanal eingerichtet und überträgt seine Briefings live.

Misstrauen gegenüber den Behörden

Doch den offiziellen Informationen glauben nicht alle Weißrussen. Der bekannte Aktivist Anton Motolko schreibt auf seiner Facebook-Seite, er traue den Daten des Gesundheitsministeriums nicht. Auch der Weißrussische Journalisten-Verband weist darauf hin, dass das Gesundheitsministerium die Zahlen zu Infizierten nicht täglich aktualisieren würde. Außerdem würden Journalisten daran gehindert, an aktuelle Informationen zu kommen.

Vertreter der weißrussischen Opposition und der Zivilgesellschaft - denen Lukaschenko vorgeworfen hat, die Situation rund um das Virus gegen die Staatsmacht auszunutzen zu wollen - rufen jetzt die Bürger auf, sich in "Selbst-Quarantäne" zu begeben. Die Behörden würden "den Menschen verlässliche Informationen vorenthalten". Ratschlag der Regierungskritiker: Man sollte Bildungseinrichtungen fernbleiben, an keinen Massenveranstaltungen teilnehmen und soziale Kontakte auf ein Minimum beschränken.

Lukaschenko ist Geisel seiner eigenen Worte

Angesichts der beunruhigenden Nachrichten aus anderen europäischen Ländern haben sich viele Weißrussen offenbar schon freiwillig in Isolation begeben. Viele Firmen ermöglichen ihren Mitarbeitern, von zu Hause zu arbeiten. Kleine Geschäfte und Cafés sind geschlossen. Der Minsker Politologe Walerij Karbalewitsch meint, die Panikstimmung unter einem Teil der Bevölkerung gründe auf dem Misstrauen gegenüber dem Staat. Das Ausmaß sei aufgrund fehlender unabhängiger Meinungsumfragen schwer zu erfassen, doch es spiegle sich in sozialen Netzwerken durchaus wider.

Autokrat Lukaschenko: "Die Pandemie ist eine Psychose"Bild: picture-alliance/TASS/BelTA/N. Petrov

Karbalewitsch führt die mangelnden Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus auf die autoritäre Staatsmacht zurück. "Sie wird nicht von der Gesellschaft gewählt und fühlt sich ihr gegenüber nicht rechenschaftspflichtig", sagte er der DW. Für Lukaschenko hänge von Wahlen viel weniger ab, als für Politiker in anderen europäischen Ländern.

Doch der Politologe glaubt, dass Lukaschenko inzwischen Geisel seiner eigenen Worte geworden ist. Lange habe er Weißrussland als sicheren Hafen in einer Welt voller Katastrophen bezeichnet. "Da Lukaschenko gesagt hat, die Pandemie sei eine Psychose, kann er dies nicht mehr zurücknehmen, auch wenn er sieht, dass die Situation in anderen Ländern bedrohlich ist", meint Karbalewitsch.

Schaden für die Wirtschaft befürchtet

Alexander Lukaschenko berief sich übrigens in der Debatte um Quarantäne-Maßnahmen und eine mögliche Schließung von Betrieben auf seinen US-Kollegen. Donald Trump hatte gesagt, es könnten deutlich mehr Amerikaner an Arbeitslosigkeit als am Coronavirus sterben. "Verstehen Sie jetzt, warum ich keine Betriebe schließe?", erwiderte der weißrussische Präsident.

Solche Erklärungen lassen vermuten, dass die Führung in Minsk in erster Linie die wirtschaftlichen Folgen einer möglichen Quarantäne im Blick hat. Denn in Weißrussland wird die Lage noch durch den anhaltenden Streit um den Ölpreis mit Hauptlieferant Russland erschwert. Im Januar führte dies nach Angaben der Behörden zu einem Rückgang des weißrussischen Bruttoinlandsprodukts um 1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr.