Fast 60 Prozent der Deutschen lügen laut einer Studie täglich, meistens sogar dem anderen direkt ins Gesicht. Doch das viele Übertreiben und Beschönigen ist vielleicht gar nicht so schlimm - wir brauchen es sogar.
Anzeige
Wenn die Nase wie bei Pinocchio mit jeder Flunkerei ein Stück wachsen würde, hätten die meisten Menschen wohl schon einen kilometerlangen Zinken: Definiert man "Lügen" relativ weit, so sollen wir unser Gegenüber bis zu 200 Mal am Tag anlügen. Das hört sich nach viel an. Aber sobald man sich vor Augen führt, was man von den folgenden Beispielen schon selbst in die Tat umgesetzt hat, erscheint es gar nicht mehr so unrealistisch:
eine Ausrede erfinden, um sich vor einem Treffen mit unliebsamen Bekannten zu drücken
das neue Outfit oder den neuen Haarschnitt des Gegenübers loben, obwohl er scheußlich ist
Stationen im Lebenslauf im Bewerbungsgespräch schönreden, um besser dazustehen
Na, fündig geworden? Die Liste wäre noch endlos fortführbar und zeigt: Die altbekannten Sprichwörter "Ehrlichkeit währt am längsten" oder "Lügen haben kurze Beine" stimmen nur bedingt. In Wirklichkeit gehören Lügen zu unserem Alltag dazu. Menschen lügen aus den verschiedensten Gründen: Manchmal wollen sie sich selbst besser darstellen als sie sind oder langwierige Erklärungen und lästige Nachfragen umgehen. Meistens lügen Menschen aber aus sozialen Gründen. So sagen laut einerrepräsentativen Umfrage aus dem letzten Jahr 49 Prozent der Deutschen die Unwahrheit, um andere aufzumuntern. Gut 37 Prozent gaben an zu lügen, um das Gegenüber zu schützen.
Lügen: Schmieröl des menschlichen Zusammenlebens
Klaus Fiedler, Professor für Sozialpsychologie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, bestätigt: "Höflichkeit und Taktgefühl spielen meistens eine Rolle dabei, wenn wir von der Wahrheit abweichen." Lügen sei in den meistens Fällen nicht eigennützig oder gar bösartig, sondern sozial motiviert. Und warum auch soll man der Oma sagen, dass man das Geburtstagsgeschenk schon dreimal hat, wenn man doch die Geste schätzt und sie nicht verletzen will? Wozu dem Arbeitskollegen ins Gesicht sagen, wie langweilig dessen Anekdoten aus dem Privatleben sind?
Lügen sind eine Art Schmieröl des menschlichen Zusammenlebens, ohne das es sowohl im Beruf als auch im Privatleben oft haken würde. Auch Kinder üben sich schon früh. Nur dass sie noch nicht so professionell sind und sich oft durch Blinzeln oder rot anlaufende Ohren verraten.
Erwachsene dagegen wissen, was ihre Glaubwürdigkeit beim Lügen erhöht - zum Beispiel der vermeintlich ehrliche Blick in die Augen - und können gegensteuern. In Berufen, in denen es täglich darauf ankommt, sich oder sein Produkt gut zu verkaufen, ist es sogar überlebenswichtig, dick auftragen zu können und es zugunsten des eigenen Vorteils mit der Wahrheit nicht immer ganz so genau zu nehmen.
Abgesehen davon gibt es auch krankhafte Lügner, bei denen Art und Menge der Lügen ganz anders geartet sind. Laut dem österreichischen Psychologen Werner Stangl ist dieses Lügen oft Teil einer umfassenderen Persönlichkeitsstörung: "Man versucht im Leben beispielsweise eine Rolle zu spielen, die einem überhaupt nicht liegt und verfängt sich dann in einem Netzwerk von Halbwahrheiten und kleinen Lügen."
Fiedler sieht trotzdem die negative Besetzung des Lügens insgesamt fehl am Platz: "Ich predige seit 20 Jahren, dass wir unsere Heuchelei und diesen moralischen Lügenbegriff aufgeben sollten. Damit werden wir dem Wesen des Lügens nicht gerecht."
Er persönlich, so der Psychologe weiter, sei aber in den letzten Jahren immer mehr zum Wahrheitsfanatiker geworden. Seine Frau habe er noch kein einziges Mal belogen, auch nicht in jenen Grenzbereichen, in denen man es als harmloses Flunkern abtun könnte: "Das ist eine sehr schöne, befreiende Erfahrung. Ich kann nur jedem raten, es einmal auszuprobieren."
"Selbstlügen machen das Leben erträglicher"
Brauchen wir also mehr Lügen oder weniger? Oder reicht es schon, wenn wir uns einfach nicht darüber belügen, dass wir so viel lügen? Fiedler ist für einen Kompromiss: "Es ist wünschenswert, die Ideale der Wahrheit und Aufrichtigkeit zu bewahren. Auf der anderen Seite müssen wir hochselektiv mit der Wahrheit umgehen, sonst bricht alles zusammen."
Diesen "hochselektiven Umgang mit der Wahrheit" brauchen wir übrigens nicht nur, um mit anderen, sondern auch, um mit uns selbst auszukommen. "Selbstlügen machen das Leben erträglicher", erklärt Werner Stangl. Für ein gesundes Selbstwertgefühl und eine positive Grundeinstellung zum Leben ist es sogar unerlässlich, dass wir nicht jeden Tag schonungslos ehrlich zu uns selbst sind. Wie von anderen bekommen wir auch von unserer eigenen inneren Stimme nicht gerne die harte Realität zu hören, etwa dass wir Schuld in einer Angelegenheit tragen oder unglücklich in einem Aspekt unseres Lebens sind.
Dass Lügen weit verbreitet sind, gilt eigentlich für alle Kulturen, sagt Fiedler - auch wenn es unterschiedlich ausgeprägt ist: "Oberflächlich ist zum Beispiel die Gesellschaft im asiatischen Raum noch viel mehr auf Höflichkeit und Heuchelei von Hochachtung ausgelegt. Aber je genauer man hinschaut, desto klarer wird: Lügen findet nur anders statt. Der eine lügt bei bei Gefühlen, der andere eher im kaufmännischen Bereich. Was der eine mit Worten lügt, lügt der andere mit Körpersprache." So sei im Zweifelsfall auch ein falsches Lächeln eine Lüge, dann nämlich, wenn es ein Gefühl vortäusche, was gar nicht vorhanden sei.
Auch Fische haben Gefühle
Fische wurden lange unterschätzt. Aber es sind hochkomplexe Tiere, die Angst haben, Schmerzen empfinden und gerne Zeit mit Freunden verbringen. Sehen Sie hier, wie sie leben, fühlen und lieben.
Bild: Imago/Imagebroker/N. Probst
Nicht nur hübsch anzusehen
Wissenschaftler finden immer mehr Hinweise darauf, dass Fische viel komplexer sind als wir bisher dachten. Sie trauern um verstorbene Gruppenmitglieder, jagen gemeinsam nach Beute und manche führen ein ziemlich abgefahrenes Sexleben. Hier ist eine kleine Unterwasserreise zu den vielleicht missverstandensten Arten der Tierwelt.
Bild: Fotografie Dos Winkel, www.dos-bertie-winkel.com & www.seafirst.nl
Bodyguards
Fische halten einander die Rückenflosse frei. Kaninchenfische etwa gehen gemeinsam zu Mittag essen: Während der eine sich den Bauch mit Algen von Riffen in den Tiefen des Ozeans vollschlägt, hält der andere Ausschau nach potenziellen Feinden. Dann wechseln sie. Wissenschaftler nennen dies tugendhaftes Verhalten: Sie bringen Opfer für einander, indem nicht beide gleichzeitig fressen.
Bild: gemeinfrei
Angst und Anspannung
Lange Zeit glaubte man, dass Fische keine Angst empfinden. Ihnen fehle der Teil des Gehirns, in dem andere Tiere und wir Menschen diese Gefühle verarbeiten, sagten Wissenschaftler. Doch neue Studien haben gezeigt, dass Fische schmerzempfindlich sind, ängstlich und gestresst sein können.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/H. Goethel
Rote Lippen soll man küssen
Diese Lippen laden zum Knutschen ein. Viele Fischarten benutzen ihren Mund dagegen für etwas anderes: für die Fortpflanzung. Das Weibchen trinkt das Sperma, das dann in Sekundenschnelle durch ihren Verdauungstrakt wandert und ihre Eier befruchtet. Das ist eine ziemlich ungewöhnliche Sexpraktik im Tierreich. Der Rotlippen-Fledermausfisch (Foto) pflanzt sich hingegen auf die traditionelle Art fort.
Bild: Imago/Imagebroker/N. Probst
Fisch-WGs
Der weltberühmte Clownfisch ist sehr sozial: Er teilt sich sein Zuhause - die Anemone - mit vielen anderen Artgenossen. Die giftigen Tentakeltiere bieten den kleinen Fischen lebenswichtigen Schutz und sind deswegen als Wohnort heiß begehrt. Es kann recht voll werden in ihrer gemütlichen WG.
Bild: Fotografie Dos Winkel, www.dos-bertie-winkel.com & www.seafirst.nl
Jagdkumpels
Der Zackenbarsch und die Muräne machen gemeinsame Jagd. Der Zackenbarsch holt die Muräne ab, indem er mit seinem Kopf gegen sie schlägt, und führt sie zu einem Loch, in dem sich Beute versteckt hält. Die Muräne dringt in das Versteck, kesselt die Beute ein und frisst sie direkt. Oder die kleinen Fische entkommen dem Loch, landen dafür aber direkt im Maul des Zackenbarsches, der draußen wartet.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/H. Schmidbauer
6 Bilder1 | 6
Trauerrituale im Tierreich
Ob Elefanten, Wale oder Affen, sie alle trauern, wenn ihre Gefährten sterben. Von Gorillas, die ihre toten Babys tageland mit sich herumtragen, bis zu Hunden, die am Grab des Herrchens wachen - es ist herzzerreißend.
Bild: picture alliance/WILDLIFE/M. Harvey
Unzertrennlich
Gorillamama Gana im Zoo in Münster konnte den Tod ihres Babys Claudio einfach nicht akzeptieren: Tagelang trug sie den leblosen Körper mit sich herum und verteidigte ihn gegen die Zoopfleger. Nicht ungewöhnlich für Menschenaffenmütter: Manche trennen sich wochenlang nicht von dem - inzwischen mumifizierten - Leichnam des verstorbenen Nachwuchses.
Bild: picture-alliance/dpa/F. Gentsch
Seebestattung
Auch Orcas, Delfine und andere Meeressäugetiere tragen ihre verstorbenen Jungen eine Zeitlang mit sich umher - im Wasser keine leichte Aufgabe. Forscher beobachteten, wie Mütter versuchten, die Körper auf ihrer Schnauze zu balancieren. Wenn die toten Körper herabsanken, tauchten die Mütter hinterher. Auch wenn erwachsene Delfine sterben, bewachen die Gefährten die toten Körper tagelang.
Bild: Public Domain
Totenwache
Elefanten sind für ihr gutes Erinnerungsvermögen bekannt - kein Wunder, dass sie besonders intensiv und lange um ihre Toten trauern. Stirbt ein Elefant, halten die anderen Elefanten der Gruppe Totenwache am Leichnam. Es kommen sogar Elefanten aus benachbarten Gruppen vorbei und besuchen den verstorbenen Artengenossen ein letztes Mal.
Bild: picture alliance/WILDLIFE/M. Harvey
Fellpflege als Trost
Paviane zeigen starke Stresssymptome, wenn ein ihnen vertrauter Artgenosse stirbt. Ihre Stresshormone im Blut steigen, haben Forscher gezeigt. Um mit einem Verlust umzugehen, suchen sie die Nähe zu anderen Pavianen und widmen sich besonders intensiv der Fellpflege.
Bild: picture alliance/chromorange
Aufruf zum Abschied
Wenn Rabenvögel einen toten Artgenossen entdecken, rufen sie andere Artgenossen herbei. Gemeinsam versammeln sie sich dann um den Kadaver. Sie fressen auch eine Zeitlang nichts mehr. Vor allem Vogelarten, die ihr ganzes Leben mit einem Partner verbringen - Gänse und viele Singvögel etwa - trauern stark. Das kann so weit gehen, dass sie gar nichts mehr fressen und selbst sterben.
Fische verhalten sich sich oft ungewöhnlich ruhig, wenn ein Artgenosse im gleichen Aquarium stirbt. Das liegt aber vermutlich an den Stresshormonen, die der sterbende Fisch ins Wasser abgibt, sagen Forscher. Ob Fische tatsächlich trauern können, ist bisher kaum untersucht. Aber es liegt zumindest für paarweise lebende Fische nahe - etwa für den Franzosen-Kaiserfisch.
Trauern kann man auch um einen Gefährten, der einer anderen Tierart angehört. Das haben die Katze Muschi und die Kragenbärin Mäuschen im Berliner Zoo gezeigt. Die beiden hatten sich angefreundet. Als die Bärin verstarb, weigerte sich die Katze, das Bärengehege zu verlassen und hörte nicht auf wehleidig zu miauen.
Bild: picture-alliance/dpa/A. Rüsche
Wache am Grab
Ein Mensch, der seinen geliebten Hund verliert, ist furchtbar traurig. Das Gleiche gilt für einen Hund, der sein geliebtes Herrchen verliert. Der Schäferhund Capitan hütete viele Jahre das Grab seines Herrchens am Friedhof von Villa Carlos Paz in Argentinien.