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PolitikUkraine

Was über die "Drachendrohne" der Ukraine bekannt ist

Dmytro Kaniewski
20. September 2024

Bei ihrer Verteidigung gegen Russland setzt die Ukraine auch auf eine neue Art von Drohne. Sie ist mit einem brennbaren Gemisch gefüllt, das auf gegnerische Stellungen herabregnen kann. Ihre Nutzung ist umstritten.

Eine ukrainische "Drachendrohe" überfliegt einen Wald
Bild aus einem Video des ukrainischen Verteidigungsministeriums über den Einsatz einer "Drachendrohne"Bild: Ministry of Defence of Ukraine

Seit Anfang September veröffentlichen das Verteidigungsministerium der Ukraine und Blogger in sozialen Netzwerken Bilder, die eine Drohne zeigen, die einen Wald überfliegt, in dem sich russische Stellungen verbergen. Aus der Drohne geht eine Art Feuerregen nieder. Sie enthält eine Thermitmischung aus Aluminiumpulver und Eisenoxid, die offenbar durch einen elektrischen Zünder aktiviert wird. Das Gemisch kann bis zu 2200 Grad Celsius heiß werden und fast jedes Material in Brand setzen, sogar Ausrüstung aus Stahl.

Präzision und hohe Effizienz der ukrainischen Drohne

Als die Bilder erschienen, bestätigten Vertreter der ukrainische Armee den ersten Einsatz dieser "Drachendrohnen" im Kampf und erklärten, dass sie feindliche Stellungen mit höherer Präzision zerstören könnten als andere Waffen.

Russlands Medien haben die Bedrohung inzwischen erkannt. "Sie sind leider wirklich effektiv. Ihre lodernden Gemische verbrennen buchstäblich Stellungen und Wälder, wodurch unsere Soldaten enttarnt werden", zitiert die Zeitung "Moskowskij Komsomolez" einen einstigen Kämpfer der sogenannten "Volksrepublik Luhansk", der als "Militärexperte" vorgestellt wird. Videos in sozialen Netzwerken zeigen die verheerenden Folgen des Einsatzes der "feuerspeienden Drohne".

Unklar ist noch, wo überall die Ukrainer die neue Drohne bereits eingesetzt haben. Das Verteidigungsministerium in Kiew zeigt Bilder aus der Region Charkiw. Doch laut Emil Kastehelmi von der Black Bird Group, einer finnischen OSINT-Gruppe, die sich mit der Analyse der russischen Invasion in der Ukraine befasst, konnte ihr Einsatz mithilfe von Geolokalisierungen auch an den Frontabschnitten bei Saporischschja und Donezk bestätigt werden. Mindestens ein Einsatz sei, so der Experte, auch im Grenzgebiet der Region Kursk registriert worden, wo seit Anfang August eine Operation der ukrainischen Armee läuft.

Einsatz im Ersten Weltkrieg

Waffen, die auf Thermitmischungen basieren, sind nicht neu. Schon im Ersten Weltkrieg warf die deutsche Armee solche Bomben über Großbritannien ab und nutzte dabei eine Erfindung des Chemikers Hans Goldschmidt, der sein Patent ursprünglich für friedliche und nicht für militärische Zwecke entwickelt hatte, und zwar zum Verschweißen von Eisenbahnschienen. Auch im Zweiten Weltkrieg wurden solche Bomben eingesetzt, sowohl von Nazi-Deutschland als auch von den Verbündeten der Anti-Hitler-Koalition.

Die US-Armee setzte im Vietnamkrieg Napalm einBild: Hulton Archive/Getty Images

Brandwaffen können nicht nur mit Thermit, sondern auch mit weißem Phosphor oder Napalm befüllt werden. Letzteres wurde von der US-Armee im Zweiten Weltkrieg gegen Japan und später im Vietnamkrieg eingesetzt. Während des russischen Krieges gegen die Ukraine wurde auch immer wieder über den Einsatz verbotener Stoffe, darunter Chemiewaffen, berichtet. Unter anderem wurde der russischen Armee mehrfach der Einsatz von Munition mit weißem Phosphor vorgeworfen, so bei den Angriffen auf die Städte Mariupol, Awdijiwka und Wuhledar.

Was sagt das Völkerrecht?

Laut internationalem Recht ist die Verwendung von Thermitmischungen bei der Kriegsführung nicht verboten. Der Einsatz gegen zivile Ziele ist aber wegen ihrer verheerenden Folgen für den menschlichen Körper untersagt, erklärt Marina Miron vom King's College  in London gegenüber der DW. "Das Problem beim Einsatz von Thermitmischungen ist, dass sie wahllos herabfallen. Das Protokoll III des Übereinkommens über bestimmte konventionelle Waffen beschränkt ihren Einsatz auf rein militärische Ziele, da solche Waffen schwere Verbrennungen und Schäden der Atmungsorgane verursachen können", so die Militärexpertin.

Im Jahr 1972 sprach sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen in einer Resolution gegen den Einsatz solcher Brandwaffen ein. Ein halbes Jahrhundert später beklagte die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in ihrem Bericht für das Jahr 2022 die hohe Sterblichkeitsrate bei Verletzungen durch diese Waffen und wies darauf hin, dass die Behandlung erlittener Verbrennungen Monate dauern kann.

Der Drohnenkrieg in der Ukraine

02:53

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Gefahren für die Umwelt

In den mehr als zweieinhalb Jahren des Krieges der Russischen Föderation gegen die Ukraine wurden zahlreiche Waffen modernisiert, insbesondere Drohnen. Dmytro Schluktenko von der Stiftung "Lapka Dsigi" versorgt das ukrainische Militär mit hochtechnologischer Ausrüstung, darunter auch mit Drohnen. Im Gespräch mit der DW versichert er, dass die Ukrainer die "Drachendrohnen" nur gegen militärische Ziele fernab besiedelter Gebiete einsetzen würden. 

Er weist darauf hin, dass sich die russischen Streitkräfte massenhaft in ukrainischen Wäldern eingegraben hätten, die ihnen natürlichen Schutz bieten würden. Diese Schutzräume gelte es ihnen zu nehmen. "Jetzt ist es in den ukrainischen Wäldern sehr trocken, die Russen verstreuen viel Müll um ihre Stellungen herum und gehen nicht gerade vorsichtig mit ihrer Munition um. All dies fängt schnell Feuer und zwingt sie dann zum Rückzug", sagt Schluktenko und fügt hinzu, dass die russischen Truppen keine Mittel hätten, die von den ukrainischen "Drachendrohnen" entfachten Brände zu löschen.

Dmytro Schluktenko beim Gespräch mit der DWBild: DW

In dem bereits erwähnten Bericht von HRW wurde auch ausdrücklich auf die schwerwiegenden Folgen des Einsatzes solcher Waffen für die Umwelt hingewiesen, da die Thermitmischungen buchstäblich alles verbrennen. Auch das Büro der Vereinten Nationen für Abrüstungsfragen (UNODA) warnt vor unkontrollierten Bränden. Schluktenko gibt zu, dass Brandwaffen Umweltschäden verursachen, erklärt jedoch auch, dass für ihn die Befreiung der Ukraine von den russischen Besatzern Vorrang habe. "Die größte Gefahr für die Ukraine ist, ihre Souveränität zu verlieren", sagt er. Ihm zufolge werden die Ukrainer weiterhin mit verschiedenen Technologien experimentieren, um die russische Armee zu besiegen.

Wird Russland antworten?

Von den ersten Aufnahmen der "Drachendrohnen" im Einsatz wurden viele Experten überrascht. Die meisten halten sich mit der Einschätzung der Folgen für den Kriegsverlauf noch zurück, glauben aber nicht, dass sie konventionelle Drohnen oder Flugzeuge für Angriffe auf Infanterie und Ausrüstung ersetzen können. Die "Drachendrohnen" könnten aber helfen, wertvolle Munition zu sparen. Es gehe auch um die psychologische Wirkung, die eine solche Waffe entfachen könne, sagt Emil Kastehelmi von der Black Bird Group. "Wenn sich Feuer vom Himmel ergießt wie aus dem Rachen eines Drachens, dann hat das eine starke Wirkung auf die Psyche des Feindes", so der Experte.

Viel wird auch davon abhängen, wie Russland auf die neue Drohne antworten wird. Kastehelmi geht davon aus, dass Moskau die ukrainische Drohne schon sehr bald kopieren könnte. Berichten zufolge sollen die ersten entsprechenden russischen Exemplare schon fertig sein.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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